Mittwoch, 25. Juli 2018

Was ist die Arbeitskraft wert?

van Gogh, Die Kartoffelesser 

Der Tauschwerth des Arbeitsvermögens, wie es sich gezeigt, wird gezahlt, wenn der Preiß der Lebensmittel gezahlt wird, die in einem gegebnen Gesellschaftszustand gewohnheitsmässig nothwendig sind, damit der Arbeiter sein Arbeitsvermögen mit dem nothwendigen Grad von Kraft, Gesundheit, Lebensfähigkeit über- haupt ausübe und sich durch Ersatzmänner verewige. 

Wenn der Mensch sich vor allen andren Thieren durch Schranken-/losigkeit und Dehnbarkeit seiner Bedürf- nisse auszeichnet, giebt es andrerseits kein Thier, das seine Bedürfnisse in demselben unglaublichen Grad contrahiren und sich auf dasselbe Minimum seiner Lebensbedingungen beschränken kann, mit einem Wort kein Thier, welches dasselbe Talent zum Verirländern besitzt. 

Von einem solchen physischen Minimum der Existenz ist nicht dann die Rede, wenn es sich vom Werth des Ar- beitsvermögens handelt. Wie bei jeder Waare kann beim Arbeitsvermögen sein Preiß über seinen Werth steigen oder unter ihn fallen, also nach einer oder der andren Richtung von dem Preisse abweichen, der nur der Geld- ausdruck des Werthes selbst ist. 

Das Niveau der Lebensbedürfnisse selbst, deren Gesammtwerth den Werth des Arbeitsvermögens bildet, kann steigen oder sinken. Die Analyse dieser Schwankungen gehört jedoch nicht hierher, sondern in die Lehre vom Arbeitslohn. Es wird sich im Fortgang dieser Untersuchung zeigen, daß es für die Analyse des Capitals ganz gleichgültig ist, ob man das Niveau der Arbeiterbedürfnisse hoch oder niedrig voraussetzt. 

Wie in der Theorie, wird übrigens auch in der Praxis vom Werth des Arbeitsvermögens als einer gegebnen Grösse ausgegangen. Ein Geldbesitzer z. B. der sein Geld in Capital, z. B. in das Betriebscapital einer Baumwollfabrik, verwandeln will, erkundigt sich vor allem nach der durchschnittlichen Höhe des Arbeitslohns an dem Ort, wo er die Fabrik zu errichten beabsichtigt. Er weiß, daß wie die Baumwollpreisse, so der Arbeitslohn beständig von dem Durchschnitt abweicht, aber er weiß zugleich daß diese Schwankungen sich ausgleichen. In seinen Rech- nungsanschlag geht der Arbeitslohn daher als eine gegebne Werthgrösse ein.
______________________________________________
Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 7f.




 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen