Gesetz und Durchschnitt.

 

Durchschnitt, Quételet.

Man wird hier dieselbe Herrschaft der regulirenden Durchschnitte finden, wie Quételet sie bei den socialen Phänomenen nachgewiesen hat.
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Das Kapital III,
MEGA II/15,  S. 833. [MEW 25, S. 828f.] 



Nota. - Man kann überall, wo Marx sich den rhetorischen Kniff nicht verkneifen konnte, von Gesetzen zu reden, getrost Durchschnitt einsetzen; wenn es gelegentlich stilistisch holpert, bewahrt es uns doch vor der Mystifikation der sich-selbst-bewegenden-Begriffe.
JE

 

Der Durchschnitt ist eine Realität sui generis.


Der durch die Arbeitszeit bestimmte Werth der Waaren ist nur ihr Durchschnittswerth. Ein Durchschnitt, der als äusserliche Abstraction erscheint, soweit er als die Durchschnittszahl einer Epoche herausaddirt wird, z. B. 1 Pfund Kaffee 1 sh., wenn der Durchschnitt sage der Kaffeepreisse von 25 Jahren gezogen wird; der aber sehr real ist, wenn er zugleich als die Triebkraft und das bewegende Princip der Oscillationen erkannt wird, die die Waarenpreisse während einer bestimmten Epoche durchlaufen. 

Diese Realität ist nicht nur von theoretischer Wichtigkeit: sie bildet die Grundlage der kaufmännischen Specu-lation, deren Wahrscheinlichkeitsrechnung sowohl von den mittleren Durchschnittspreissen, die ihr als Cen-trum der Oscillation gelten, als von Durchschnittshöhen und Durchschnittstiefen der Oscillation über oder unter dieses Centrum ausgeht. Von diesem Durchschnittswerth der Waare ist ihr Marktwerth stets verschieden und steht stets entweder unter oder über ihm. 

Der Marktwerth gleicht sich aus zum Realwerth durch seine beständigen Oscillationen, nie durch eine Glei-chung mit dem Realwerth als einem Dritten, sondern durch stete Ungleichsetzung seiner selbst (nicht, wie Hegel sagen würde, durch abstracte Identität, sondern durch beständige Negation der Negation, d. h. seiner selbst als der Negation des Realwerths). Daß der Realwerth selbst wieder – unabhängig / von seiner Beherr-schung der Oscillationen des Marktpreisses (abgesehn von ihm als dem Gesetze dieser Oscillationen) – sich selbst verneint und den Realwerth der Waaren beständig in Widerspruch mit seiner eignen Bestimmung sezt, den Realwerth der vorhandnen Waaren depreciirt oder appreciirt – habe ich in meinem Pamphlet gegen Proudhon gezeigt und ist an diesem Ort nicht näher darauf einzugehn. 

Der Preiß unterscheidet sich also vom Werth, nicht nur wie das Nominelle vom Realen; nicht nur durch die Denomination in Gold und Silber, sondern dadurch daß der leztre als Gesetz der Bewegungen erscheint, die der erstre durchläuft. Sie sind aber beständig verschieden und decken sich nie oder nur ganz zufällig und ausnahmsweise. Der Waarenpreiß steht beständig über oder unter dem Waarenwerth und der Waarenwerth selbst existirt nur in dem up and down der Waarenpreisse. 
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Grundrisse, MEGA II/1.1  S. 72f. [MEW 42, S. 72f.]  



Nota. – Der Begriff des Werts bezeichnet lediglich einen Durchschnitt; oder: Nur als Durchschnitt kann der Wert begriffen werden. 

Doch ist der Durchschnitt nur eine gedachte, bestenfalls eine vom Statistiker ermittelte Größe. Nicht so der Wert: Ob er vom Statistiker errechnet oder vom Ökonomen gedacht wird, ist ohne Belang. Tatsächlich wird er jedoch von den Marktagenten –  Käufern und Verkäufern –  geschätzt. Rein intuitiv, aus bloßer Erfahrung, ganz ungefähr. Das verschlägt ihm nichts von seiner Realität: Die Marktagenten, die sich zu sehr verschätzen, ver-schwinden prompt vom Markt, und der Durchschnitt der verbleibenden Schätzungen nähert sich immer mehr dem Durchschnitt an, den auch der Statistiker errechnen würde. 

Dies ist der Durchschnitt: Das, was allgemein in den Köpfen der Marktagenten gilt. Anders findet kein Durch-schnitt den Weg aus den Zahlenwerken in die Wirklichkeit.
JE



Das Gesetz und der Durchschnitt, oder Angebot und Nachfrage.



Nachfrage und Zufuhr decken sich, wenn sie in solchem Verhältniß stehn, daß die Waarenmasse eines be-stimmten Produktionszweigs zu ihrem Marktwerth verkauft werden kann, weder darüber noch darunter. 

Das ist das erste, was wir hören. Das zweite: Wenn die Waaren zu ihrem Marktwerth verkaufbar, decken sich Nachfrage und Zufuhr. Wenn Nachfrage und Zufuhr sich decken, hören sie auf zu wirken, und eben deßwegen wird die Waare zu ihrem Marktwerth verkauft. Wenn zwei Kräfte in entgegengesetzter Richtung gleichmäßig wirken, heben sie einander auf, wirken sie gar nicht nach außen, und Erscheinungen, die unter dieser Bedin-gung vorgehn, müssen anders als durch das Eingreifen dieser beiden Kräfte erklärt werden. 

Wenn Nachfrage und Zufuhr sich gegenseitig aufheben, hören sie auf irgend etwas zu erklären, wirken sie nicht auf den Marktwerth, und lassen uns erst recht im Dunkeln darüber, weßhalb der Marktwerth sich grade in die-ser Summe Geld ausdrückt und in keiner andern. Die wirklichen innern Gesetze der kapitalistischen Produkti-on können offenbar nicht aus der Wechselwirkung von Nachfrage und Zufuhr erklärt werden (ganz abgesehn von tieferer, hier nicht angebrachter Analyse dieser beiden gesellschaftlichen Triebkräfte), da diese Gesetze nur dann rein verwirklicht erscheinen, sobald Nachfrage und Zufuhr aufhören zu wirken, d. h. sich decken. 

Nachfrage und Zufuhr decken sich in der That niemals, oder wenn sie sich einmal decken, so ist es zufällig, also wissenschaftlich = 0 zu setzen, als nicht geschehn zu betrachten. In der politischen Oekonomie* wird aber unterstellt, daß sie sich decken, warum? Um die Erscheinungen in ihrer gesetzmäßigen, ihrem / Begriff ent-sprechenden Gestalt zu betrachten, d. h. sie zu betrachten unabhängig von dem durch die Bewegung von Nachfrage und Zufuhr hervorgebrachten Schein. Andrerseits, um die wirkliche Tendenz ihrer Bewegung auf-zufinden, gewissermaßen zu fixiren. Denn die Ungleichheiten sind entgegengesetzter Natur, und da sie einan-der beständig folgen, gleichen sie sich durch ihre entgegengesetzten Richtungen, durch ihren Widerspruch unter einander aus. 

Wenn also in keinem einzigen gegebnen Fall Nachfrage und Zufuhr sich decken, so folgen sich ihre Ungleich-heiten so – und es ist das Resultat der Abweichung in einer Richtung, eine andre Abweichung in einer entge-gengesetzten Richtung hervorzurufen  daß wenn das Ganze einer größern oder kleinern Zeitperiode betrach-tet wird, sich Zufuhr und Nachfrage beständig decken; aber nur als Durchschnitt der verflossenen Bewegung und nur als beständige Bewegung ihres Widerspruchs. Dadurch gleichen sich die von den Marktwerthen abwei-chenden Marktpreise, ihrer Durchschnittszahl nach betrachtet, zu Marktwerthen aus, indem sich die Abwei-chungen von den letztren aufheben als Plus und Minus. 

Und diese Durchschnittszahl ist keineswegs von bloß theoretischer Wichtigkeit, sondern von praktischer für das Kapital, dessen Anlage auf die Schwankungen und Ausgleichungen in mehr oder minder bestimmter Zeit-periode berechnet ist. 
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 109f. [MEW 25, S. 199f.]

*) [Noch zählt sich Marx zu ihr! JE]



Nota. -  Der Markt ist kein Sachverhalt, sondern ein systemischer Prozess, und womöglich dessen Urtyp - so wie die Konkurrenz der Urtyp von Darwins Survival of the fittest war. Da gibt es keine isolierbaren Ursachen und Wirkungen, sondern nur lauter individuellen Daten, aus deren Mannigfaltigkeit man empirisch bestenfalls einen Durchschnitt ermitteln kann. Diesen Durchschnitt mag man ein 'Gesetz' nennen, das ist nicht verboten; aber es ist irreführend, weil es so klingt, als sei der Durchschnitt eher da gewesen als die zufälligen Einzeldaten.

Das gilt schon für die Naturwissenschaften, aber erst recht für die Sphäre menschlichen Handelns. 


Nachtrag, Feb. 2018:  Doch nicht vergessen - in den Naturwissenschaften stellt sich ein Durchschnitt nicht "von alleine" ein, sondern muss vom Statistiker errechnet werden; und nur durch ihn kann er etwas bewirken. - Selber wirk lich ist ein Durchschnitt nur in einer Gesellschaft, die auf dem verallgemeinerten und prozessierenden Austausch Aller mit Allen beruht. In den feudalen gesellschaftlichen Bildungen ist eines hier so, jenes dort anders. Manche Form mag dem Betrachter - auch einem zeitgenössischen - typisch vorkommen, eine andere ungewohnt. Aber ein Ausgleich kommt weder in der Sache noch in der Vorstellung zustande.
JE






Die Konkurrenz stellt den Durchschnitt her - nicht als Datum, sondern als Prozess.



Wir hatten in Buch II* diese Cirkulationssphäre natürlich nur darzustellen in Bezug auf die Formbestimmun-gen, die sie erzeugt, die Fortentwicklung der Gestalt des Kapitals nachzuweisen, die in ihr vorgeht. In der Wirk-lichkeit aber ist diese Sphäre die Sphäre der Konkurrenz, die, jeden einzelnen Fall betrachtet, vom Zufall be-herrscht ist; wo also das innere Gesetz, das in diesen Zufällen sich durchsetzt und sie regulirt, nur sichtbar wird, sobald diese Zufälle in großen Massen zusammengefaßt werden, wo es also den einzelnen Agenten der Produk-tion selbst unsichtbar und unverständlich bleibt. 

Weiter aber: der wirkliche Produk-/tionsproceß, als Einheit des unmittelbaren Produktionsprocesses und des Cirkulationsprocesses, erzeugt neue Gestaltungen, worin mehr und mehr die Ader des innern Zusammenhangs verloren geht, die Produktionsverhältnisse sich gegen einander verselbständigen, und die Werthbestandtheile sich gegen einander in selbständigen Formen verknöchern. 

*) Das Kapital II
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 803f. [MEW 25, S. 836]



Nota. - Die Wirklichkeit ist das, was geschieht und was man sieht: Das ist die Konkurrenz, und in der herrscht der Zufall. Erst die Gesamtschau des Wissenschaftlers lässt durchblicken, was in politisch-ökonomischer Hin-sicht das Bedeutende daran ist, und das sind nicht die vielen Zufälle, sondern die eine Durchschnittsregel.
JE




Ist der Durchschnitt eine Realität?


Der Werth (der reale Tauschwerth) aller Waren (die Arbeit eingeschlossen) ist durch ihre Productionskosten bestimmt, in andren Worten, durch die Arbeitszeit, die zu ihrer Hervorbringung erheischt wird. Der Preiß ist dieser ihr Tauschwerth in Geld ausgedrückt. 

Die Ersetzung des Metallgeldes (und des von ihm seine Denomination erhaltenden Papier- oder Creditgeldes) durch Arbeitsgeld, das seine Denomination von der Arbeitszeit selbst erhielte, würde also den realen Werth (Tauschwerth) der Waaren und ihren nominellen Werth, Preiß, Geldwerth gleichsetzen. Gleichsetzung des Realen Werths und des Nominellen Werths, des Werths und des Preisses. Dieß würde aber nur erreicht, unter der Voraussetzung, daß Werth und Preiß nur nominell verschieden sind. 

Solches ist aber keineswegs der Fall. Der durch die Arbeitszeit bestimmte Werth der Waaren ist nur ihr Durch-schnittswerth. Ein Durchschnitt, der als äusserliche Abstraction erscheint, soweit er als die Durchschnittszahl einer Epoche herausaddirt wird, z. B. 1 Pfund Kaffee 1 sh., wenn der Durchschnitt sage der Kaffeepreisse von 25 Jahren gezogen wird; der aber sehr real ist, wenn er zugleich als die Triebkraft und das bewegende Princip der Oscillationen erkannt wird, die die Waarenpreisse während einer bestimmten Epoche durchlaufen. Diese Realität ist nicht nur von theoretischer Wichtigkeit: sie bildet die Grundlage der kaufmännischen Speculation, deren Wahrscheinlichkeitsrechnung sowohl von den mittleren Durchschnittspreissen, die ihr als Centrum der Oscillation gelten, als von Durchschnittshöhen und Durchschnittstiefen der Oscillation über oder unter dieses Centrum ausgeht. 

Von diesem Durchschnittswerth der Waare ist ihr Marktwerth stets verschieden und steht stets entweder unter oder über ihm. Der Marktwerth gleicht sich aus zum Realwerth durch seine beständigen Oscillationen, nie durch eine Gleichung mit dem Realwerth als einem Dritten, sondern durch stete Ungleichsetzung seiner selbst (nicht, wie Hegel sagen würde, durch abstracte Identität, sondern durch beständige Negation der Negation, d. h. seiner selbst als der Negation des Realwerths). 

Daß der Realwerth selbst wieder – unabhängig / von seiner Beherrschung der Oscillationen des Marktpreisses (abgesehn von ihm als dem Gesetze dieser Oscillationen) – sich selbst verneint und den Realwerth der Waaren beständig in Widerspruch mit seiner eignen Bestimmung sezt, den Realwerth der vorhandnen Waaren depreci-irt oder appreciirt – habe ich in meinem Pamphlet gegen Proudhon gezeigt und ist an diesem Ort nicht näher darauf einzugehn. 
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Grundrisse, MEGA II/1.1, S72f.  [MEW 42, S. 72f. 


Nota. - Der Durchschnitt ist eine Realität... nur im Durchschnitt. Eine Tautologie? Der Wert 'ist' überhaupt nicht, sondern wird lediglich gemeint; das aber ist eine Realität. Er existiert nur als Meinung, doch das Reale daran ist: Die Menschen können nicht nach Belieben dieses oder jenes meinen, sondern müssen mit Notwen-digkeit - nämlich wenn sie in der Konkurrenz nicht untergehen wollen - das 'Zentrum der Oszillation' meinen. Und meinen wohlbemerkt nicht in der bloßen Vorstellung, sondern in den Tauschakten, die sie wirklich vornehmen: Die sind real. 
JE




Das Gesetz, der Durchschnitt und die Zufälle.

rither

In der Wirklichkeit aber ist diese Sphäre die Sphäre der Konkurrenz, die, jeden einzelnen Fall betrachtet, vom Zufall beherrscht ist; wo also das innere Gesetz, das in diesen Zufällen sich durchsetzt und sie regulirt, nur sichtbar wird, sobald diese Zufälle in großen Massen zusammengefaßt werden, wo es also den einzelnen Agenten der Produktion selbst unsichtbar und unverständlich bleibt. 

Weiter aber: der wirkliche Produk-/tionsproceß, als Einheit des unmittelbaren Produktionsprocesses und des Cirkulationsprocesses, erzeugt neue Gestaltungen, worin mehr und mehr die Ader des innern Zusammenhangs verloren geht, die Produktionsverhältnisse sich gegen einander verselbständigen, und die Werthbestandtheile sich gegen einander in selbständigen Formen verknöchern.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 802f.  [MEW 25, S. 836]  



Man wird hier dieselbe Herrschaft der regulierenden Durchschnitte finden, wie Quételet sie bei den sozialen Phänomenen nachgewisen hat.

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Das Kapital III, MEGA II.15; S.  833  [MEW 25, S. 868]  



Quételet ist jetzt zu alt, um irgend noch welche Experimente mit ihm anzustellen. Er hat großes Verdienst in der Vergangenheit, indem er nachwies, wie selbst die scheinbaren Zufälle des täglichen Lebens durch ihre peri-odische Rekurrenz und ihre periodischen Durchschnittszahlen eine innere Notwendigkeit besitzen. Aber die Interpretation dieser Notwendigkeit ist ihm nie gelungen. Er hat auch keine Fortschritte gemacht, nur das Mate-rial seiner Beobachtung und Berechnung ausgedehnt. Er ist heut nicht weiter, als er vor 1830 war.
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Marx an Kugelmann, 3. 3. 1867 in MEW 32, S. 596




Der ideale Durchschnitt als Begriff.


In der Darstellung der Versachlichung der Produktionsverhältnisse und ihrer Verselbständigung gegenüber den Produktionsagenten gehn wir nicht ein auf die Art und Weise, wie die Zusammenhänge durch den Weltmarkt, seine Konjunkturen, die Bewegung der Marktpreise, die Perioden des Kredits, die Cyklen der Industrie und des Handels, die Abwechslung der Prosperität und Krise, ihnen als übermächtige, sie willenlos beherrschende Na-turgesetze erscheinen und sich ihnen gegenüber als blinde Nothwendigkeit geltend machen. Deßwegen nicht, weil die wirkliche Bewegung der Konkurrenz außerhalb unsers Plans liegt, und wir nur die innere Organisation der kapitalistischen Produktionsweise, sozusagen in ihrem idealen Durchschnitt, darzustellen haben. 
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Das Kapital III, MEGA II.15S. 805 [MEW 25, S. 839]  


Nota. - Alfred Sohn-Rethel (in Geistige und körperliche Arbeit) hat für den 'Wert' den Begriff Realabstraktion geprägt; das ist gut, weil es paradox klingt. Allerdings nur dann gut, wenn man sich klarmacht, dass der Begriff für jeden statistischen Durchschnitt gilt: Er erscheint nirgends, er muss, wenn es überhaupt möglich ist, errechnet werden. Aber er wirkt doch. (Oder besser gesagt: Alles, was wirklich wirkt, 'erscheint' gemeinsam nur als errechneter Durchschnitt.)
JE





Durchschnitt und Begriff, II.

Martin Ries

Der Charakter 1) des Produkts als Waare, und 2) der Waare als Produkt des Kapitals, schließt schon die sämmt-lichen Cirkulationsverhältnisse ein, d. h. einen bestimmten gesellschaftlichen Proceß, den die Produkte durch-machen müssen, und worin sie bestimmte gesellschaftliche Charaktere annehmen; er schließt ein ebenso be-stimmte Verhältnisse der Produktionsagenten, von denen die Verwerthung ihres Produkts und seine Rückver-wandlung, sei es in Lebensmittel, sei es in Produktionsmittel bestimmt ist. Aber auch abgesehn hiervon, ergibt sich aus den beiden obigen Charakteren des Produkts als Waare, oder Waare als kapitalistisch producirter Waa-re, die ganze Werthbestimmung und die Regelung der Gesammtproduktion durch den Werth. 

In dieser ganz specifischen Form des Werths gilt die Arbeit einerseits nur als gesellschaftliche Arbeit; andrer-seits ist die Vertheilung dieser gesellschaftlichen Arbeit und die wechselseitige Ergänzung, der Stoffwechsel ihrer Produkte, die Unterordnung unter, und Einschiebung in, das gesellschaftliche Triebwerk, dem zufälligen, sich wechselseitig aufhebenden Treiben der einzelnen kapitalistischen Producenten überlassen. 

Da diese sich nur als Waarenbesitzer gegenübertreten, und jeder seine Waare so hoch als möglich zu verkaufen sucht (auch scheinbar in der Regulirung der Produktion selbst nur durch seine Willkür geleitet ist) setzt sich das innere Gesetz nur durch vermittelst ihrer Konkurrenz, ihres wechselseitigen Drucks aufeinander, wodurch sich die Abweichungen gegenseitig aufheben. Nur als inneres Gesetz, den einzelnen Agenten gegenüber als blindes Naturgesetz, wirkt hier das Gesetz des Werths und setzt das gesellschaftliche Gleichgewicht der Produktion inmitten ihrer zufälligen Fluktuationen durch. 
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Das Kapital III, 
MEGA II.15 S. 852 [MEW 25, S. 887]

Nota. - Als eine "ganz spezifische Form" wird der Wert hier beschrieben; eine, die der kapitalistischen Produk-tions- und Verkehrsweise eigentümlich ist. Das steht nicht beiläufig irgendwo, sondern an der Stelle, wo Marx gegen Ende des Dritten Bandes ebendiese Eigentümlichkeit des Kapitalismus in wenigen Sätzen ausdrücklich noch einmal zusammenfasst. Nicht, indem der Wertbegriff aus seiner idealen Latenz in die Realität der Er-scheinung übergetreten ist, hat sich das Kapitalverhältnis ausgebildet, sondern in dem Maße, wie die entstehen-de bürgerliche Gesellschaft ihre Realität entwickelt hat, ist es sinnvoll geworden, den Wertbegriff zu verwen-den.
JE








Durchschnitt und Subjektität.

Ike B.

Was immer sich generisch über 'die bürgerliche Gesellschaft' aussagen lässt, gilt jeweils nur im Durchschnitt. 'Begriffe' sind Abstraktionen von je individuellen Aktionen und Interaktionen zum Zweck der Reflexion. Die Durchschnittsgrößen, die im Verlauf des Marktgeschehens ausgemittelt werden, sind keine Ganzheiten, son- dern Verallgemeinerung. Verallgemeinerung ist auch 'das Arbeitsvermögen'. Ein Ganzes kann es nur werden durch 'Bildung zur Partei'.
6) Das Ganze oder das Allgemeine

‘Wirklich’, d.h. wirkend, ist das ‘allgemeine Arbeitsvermögen’ nur auf dem Standpunkt des gesellschaftli- chen  G a n z e n. Jedoch ist ‚die Gesellschaft‘ ein ’Ganzes’ n u r  in der V o r s t e l l u n g (als ein  V e r h ä l t n i s ); empirisch ist sie dagegen nur ein endloser  Strom individueller Austauschakte, vermittelt durch die  K o n k u r r e n z:  diese  r e d u z i e r t  qua ‚allgemeines Äquivalent‘ die verschiedenen Arbeiten auf ‚Ar- beit überhaupt‘ „abstrakt allgemeine Arbeit”, und diese Abstraktion vollzieht sie  r e a l:  nämlich als  D u r c h s c h n i t t. Also was im Begriff ‘Arbeitsvermögen’ dargestellt ist, existiert empirisch nur als ein Durch- schnitt von vielen Arbeiten, und dieser Durchschnitt ist wiederum das Medium des gesellschaftlichen Zu- sammenhangs — als Parameter der individuellen Austauschakte. Aber ein Durchschnitt ist eben kein ‚Gan- zes’, sondern ein Allgemeines; d.h. empirisch real ist nur die (unbestimmte) Menge — “unendliche Mannig- faltigkeit”— von individuellen Anbietern bestimmter Arbeitskräfte: das ist die “Klasse an sich” der marxolo- gischen Literatur, reines Ausbeutungsmaterial, das ein ’Ganzes’ darstellt  f ü r  das ihr gegenüberstehende Kapital — also gerade  n i c h t  ‘an sich’.

‘Klasse’ wird diese empirische Menge nur, insofern sie sich wirklich, d.h. wirkend dem Kapital entgegen-     s e t z t , “sich zur Klasse  b i l d e t”  (und sei es nur ‘an sich für sich‘, faktisch, noch ohne das bestimmte Bewußtsein davon: ‘für sich für sich’; ‘zur Klasse bilden’ heißt: “zur politischen Partei”.

Und hier stoßen wir auf die dritte Gestalt des ‘Arbeitsvermögens’ bei K. M.: die “Arbeiterklasse” als trans- zendentale ‘Idee’, sowohl erkenntnisleitendes, ‘regulatives’ Prinzip als auch — sofern die Erkenntnis näm- lich praktisch, d. h. politisch,  m o t i v i e r t  ist — als “praktisches Postulat”, nicht Bestimmtheit, sondern Bestimmung, d.h. nicht  S e i n, sondern  S o l l e n.

In keiner der drei Gestalten, in denen das Arbeitsvermögen in der ‘Kritik der politischen Ökonomie‘ vor- kommt, handelt es sich um ein substantes Subjekt: als bloßes ‘Vermögen’ ist es logisches Konstrukt, ledig- lich Erklärungsgrund eines empirisch Wirklichen; transzendentale Voraussetzung, keineswegs selber Realie;

— als empirische Realität ist es bloß faktische Addition  (p r o z e s s i e r e n d e:  also nichteimal endliche  S u m m e )  individuell Gegebner; als solche nicht handelnd (‘wirkend’), sondern lediglich ‘leidend’; also   g a r   k e i n  ’Subjekt‘ — zur “Arbeiterklasse” wird diese empirische Menge nur, sofern sie handelnd sich als solche setzt; wirkliches, weil wirkendes Subjekt wird nur durch  E n t g e g e n setzung, nämlich effektive.





Der Durchschnitt ist's, der gilt.



Es ist nun entscheidend wichtig, daß während der Dauer des Prozesses, d. h. der Verwandlung von Baumwolle in Garn, nur die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit verzehrt wird. Müssen unter normalen, d. h. durchschnittlichen gesellschaftlichen Produktionsbedingungen, a Pfund Baumwolle während einer Arbeitsstunde in b Pfund Garn verwandelt sein, so gilt nur der Arbeitstag als Arbeitstag von 12 Stunden, der 12 × a Pfund Baumwolle in 12 × b Pfund Garn verwandelt. Denn nur die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit zählt als werthbildend
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Das Kapital I, MEGA II/5,  S. 140

Nota. – In der bürgerlichen Gesellschaft gilt, was zählt; und das ist der Durchschnitt: für den sorgt der Markt.
JE



'Gesellschaftlich notwendige' Arbeit ist ein Durchschnitt.



Sie zählt jedoch nur, soweit die zur Produktion des Gebrauchswerths verbrauchte Zeit gesellschaftlich noth-wendig ist. Es umfaßt dieß Verschiednes. Die Arbeitskraft muß unter normalen Bedingungen funktioniren. Ist die Spinnmaschine das gesellschaftlich herrschende Arbeitsmittel für die Spinnerei, so darf dem Arbeiter nicht ein Spinnrad in die Hand gegeben werden. Statt Baumwolle von normaler Güte muß er nicht Schund erhalten, der jeden Augenblick reißt. In beiden Fällen würde er mehr als die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit zur Produktion eines Pfundes Garn verbrauchen, diese überschüssige Zeit aber nicht Werth oder Geld bilden. Der normale Charakter der gegenständlichen Arbeitsfaktoren hängt jedoch nicht vom Arbeiter, sondern vom Kapi-talisten ab. 

Fernere Bedingung ist der normale Charakter der Arbeitskraft selbst. In dem Fach, worin sie verwandt wird, muß sie das herrschende Durchschnittsmaß von Geschick, Fertigkeit und Raschheit besitzen. Aber unser Ka-pitalist kaufte auf dem Arbeitsmarkt Arbeitskraft von normaler Güte. Diese Kraft muß in dem gewöhnlichen Durchschnittsmaß der Anstrengung, mit dem gesellschaftlich üblichen Grad von Intensivität verausgabt wer-den. Darüber wacht der Kapitalist eben so ängstlich, als daß keine Zeit ohne Arbeit vergeudet wird. Er hat die Arbeitskraft für bestimmte Zeitfrist gekauft. Er hält darauf das Seine zu haben. Er / will nicht bestohlen sein. Endlich – und hierfür hat derselbe Herr einen eignen code pénal – darf kein zweckwidriger Consum von Roh-material und Arbeitsmitteln stattfinden, weil vergeudetes Material oder Arbeitsmittel überflüssig verausgabte Quanta vergegenständlichter Arbeit darstellen, also nicht zählen und nicht in das Produkt der Werthbildung eingehn. 
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Das Kapital I, MEGA II/5, S. 145f.


Nota. - Was als 'gesellschaftlich notwendig' zu gelten hat, lässt sich gar nicht so leicht in einen Begriff fassen. Dabei ist es reell ziemlich simpel: Es zeigt sich als Durchschnitt; nämlich auf dem Markt.
JE



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