Einer der verwirrendsten Termini des dialektischen Jargons ist die Bestimmung. Zu systematischer Verwendung kommt er erst bei Fichte - im alten scholastischen Sinn von determinatio. Die doppelte Bedeutung von dem, wo- zu etwas bestimmt ist, und dem Akt, durch den etwas bestimmt wird, hatte er schon immer. Ist aber das, wozu eines bestimmt ist, auch das, als was es bestimmt ist? Die Frage kommt erst im Deutschen auf - im Lateinischen war's dasselbe. Auf Deutsch kann man dann determinatio auch als destinatio auffassen, und rein semantisch ist das garnichtmal falsch.....
Bei Fichte kommt nun hinzu, dass eine Bestimmung an sich nicht mehr denkbar ist. Das könnte nur eine Bestim- mung durch den Schöpfer sein, doch die gehört nicht in die Philosophie. Ein Bestimmer muss allenthalben hinzugedacht werden. Der Panplagiarius Hegel führte das Ansich hintenrum wieder ein, und nun ist die Verwirrung komplett. Marx hat größte Mühe, sich daraus hervorzuarbeiten, aber es wird ihm gelingen.
Bis dahin ist auch seine Wortwahl gelegentlich verwirrend.
Bestimmung, Zweck und Absicht.
So weit das Capital nur noch [=erst noch] in seinen Elementarformen, als Waare oder Geld, auftritt, tritt der Capitalist in den bereits bekannten Charakterformen des Waarenbesitzers oder Geldbesitzers auf. Deßwegen sind aber letzre an / und für sich eben so wenig Capitalisten, als Waare und Geld an und für sich Capital sind. Wie auch diese sich nur unter bestimmten Voraussetzungen in Capital, so verwandeln sich Waaren- und Geld- besitzer nur unter denselben Voraussetzungen in Capitalisten.
Ursprünglich trat das Capital als Geld auf, das sich in Capital verwandeln soll, oder das nur noch δυνάμει nach Capital ist.
Wie einerseits von den Oekonomen der blunder gemacht wird, diese Elementarformen des Capitals – Waare und Geld – als solche mit dem Capital zu identificiren, so andrerseits der blunder die Gebrauchswerthexistenzweise des Capitals – die Arbeitsmittel – als solche für Capital zu erklären.
In seiner ersten provisorischen (so zu sagen) Form als Geld (als Aus- gangspunkt der Capitalbildung) existirt das Capital nur noch als Geld, also als eine Summe von Tauschwerthen in der selbstständigen Form des Tauschwerths, seinem Geldausdruck. Aber dieß Geld soll sich verwerthen. Der Tauschwerth soll dazu dienen mehr Tausch- werth zu schaffen. Die Werthgrösse soll wachsen, d. h. der vorhandne Werth sich nicht nur erhalten, sondern ein increment, Δ Werth, einen Mehrwerth setzen, so daß der gegebne Werth – die gegebne Geldsumme als fluens, und das Increment als Fluxion sich darstellen. Wir kommen auf diesen selbstständigen Geldausdruck des Capitals zurück bei Betrachtung seines Circulationsprocesses.
Hier, wo wir es mit dem Geld nur noch zu thun haben als Ausgangspunkt des unmittelbaren Productionsprocesses reicht eine einzige Bemerkung hin: Das Capital existirt hier nur noch als eine gegebne Werthsumme = G (Geld); worin aller Gebrauchswerth ausgelöscht ist, daher in der Form des Geld [sic]. Die Grösse dieser Werthsumme ist begrenzt durch die Höhe oder Quantität der Geldsumme, die sich in Capital verwandeln soll. Diese Werthsumme wird also dadurch Capital, daß ihre Grösse sich vergrössert, daß sie sich in eine wechselnde Grösse verwandelt, daß sie von vorn herein ein Fluens, das eine Fluxion setzen soll.
An sich ist diese Geldsumme erst Capital, d. h. ihrer Bestimmung nach, weil sie in einer Weise angewandt, ver- ausgabt werden soll, die ihre Vergrösserung zum Zweck hat, weil sie zum Zweck ihrer Vergrösserung verausgabt wird. Erscheint dieß mit Bezug auf die vorhandne Werth- oder Geldsumme als ihre Bestimmung, ihr innerer Trieb, Tendenz, so mit Bezug auf den Capitalisten, d. h. den Besitzer dieser Geldsumme, in dessen Hand sie diese Function untergehen [sic] soll, als Absicht, Zweck.
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Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 51f.
Nota. - Hier geht der Hegelsche Jargon nahtlos über in eine dynamische, anschaulich-dialektische Darstellung, in der das wollend tätige Subjekt zum Vorschein kommt. Auf der einen Seite: An sich, δυνάμει, als solche, innerer Trieb, Tendenz. Auf der andern Seite: Absicht, Zweck. Dazwischen vermittelnd: zuerst Bestimmung im Sinne von Bestimmtheit; dann: fluens, Fluxion; und schließlich: Bestimmung als sollen, sollen, sollen. Anschaulich wird die Darstellug, indem man sehen kann, wer oder was bestimmt, was da geschehen soll: ein absichtsvoll Tätiger; und nicht ein hintergründiges 'Wesen', das ledigklich 'in Erscheinung' tritt.
JE
Agenten agieren.
Die Production von Mehrwerth – welche die Erhaltung des ursprünglich vorgeschossenen Werths einschließt, er- scheint so als der bestimmende Zweck, das treibende Interesse und das schließliche Resultat des capitalistischen Productionsproceß, als das, wodurch der ursprüngliche Werth in Capital verwandelt wird.
Wie dieß erreicht wird, die wirkliche Procedur dieser Verwandlung von x in x + Δx ändert nichts an dem Zweck und Resultat des Processes. Es kann allerdings auch ohne capitalistischen Productionsproceß x in x + Δx verwandelt werden, aber nicht unter der gegebnen Bedingung und Voraussetzung, daß die concurrirenden Glieder der Gesellschaft sich als Personen gegenübertreten, die sich nur als Waarenbesitzer gegenüberstehn und nur als solche in Contact mit einander treten (dieß schließt Sklaverei etc aus) und zweitens nicht unter der andren Be- dingung, daß das gesellschaftliche Product als Waare producirt wird: (Dieß schließt alle Formen aus, worin für die unmittelbaren Producenten der Gebrauchswerth der Hauptzweck und höchstens der Ueberschuß des Pro- ducts etc sich in Waare verwandelt.)
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Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 53
Nota. - Der 'bestimmende Zweck, das treibende Interesse': Der dingliche Schein, als wäre der Prozess ein ob- jektiver, autonomer, selbsttätiger ("ohne Subjekt", hat Althusser gesagt), entsteht ja nur, weil es auf den Grad, in dem die handelnden Personen sich ihres Tuns gewärtig sind, unmittelbar nicht ankommt. Sie mögen es sich un- ter den verschiedensten Maskierungen vorstellen; entscheidend ist nur, dass die Phantasien ihren Dienst tun, nämlich den Marktteilnehmer motivieren, das für das Funktionieren des Systems Richtige zu unternehmen; denn andernfalls scheidet er bald aus dem Markt aus. So erscheinen die tatsächlich Agierenden als Agenten des Kapitals, und im Rahmen des ganzen Systems sind sie mehr die Bewegten als die Bewegenden.
JE
Bestimmen, II.
Wie die Waare unmittelbare Einheit von Gebrauchswerth und Tauschwerth, so ist der Productionsproceß, der Productionsproceß von Waaren ist, unmittelbare Einheit von Arbeits- und Verwerthungsproceß. Wie Waaren, d. h. unmittelbare Einheiten von Gebrauchswerth und Tauschwerth, als Resultat, als Product, aus dem Proceß her- auskommen, so gehn sie als constituirende Elemente in ihn ein. Es kann überhaupt nie etwas aus einem Pro- ductionsproceß herauskommen, was nicht in der Form von Productionsbedingungen in ihn einging.
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Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 55
Nota. - Das unmittelbare Resultat des Produktionsprozesses ist - Arbeitsprodukt. Aber es "ist" nicht Ware. Es ist bestimmt als Ware. Wer bestimmt? Die reflektierende Intelligenz. Sie reflektiert auf 'das, was' getan wurde - und zu welchem Zweck. So also wird das Arbeitsprodukt zur Ware und wird der Produktionspozess zur Einheit von Arbeits- und Verwertungsprozess; nämlich wenn als Resultat herauskommt, was als Zweck in den Prozess bestimmend eingegangen ist. Es ist, ich sagte es schon, das wollend tätige Subjekt, das bestimmt. Seine Absicht war die erste Produktionsbedingung.
JE
Reale Formbestimmung.
Ferner aber scheiden sich im Arbeitsproceße die in ihn eingehenden Ge- brauchswerthe in zwei streng begriff- lich geschiedne Momente und Gegensätze (ganz wie eben gesagt, die gegenständlichen Productionsmittel thun) – auf der einen Seite die gegenständlichen Productionsmittel, die objectiven Productionsbedingungen, auf der andren Seite die werkthätigen Arbeitsvermögen, die sich zweckmässig äussernde Arbeitskraft, die subjektive Producti- onsbedingung. Dieß ist eine weitre Formbestimmtheit des Capitals, so weit es sub specie des Gebrauchswerths inner- halb des unmittelbaren Productionsprocesses erscheint.
In der einfachen Waare ist bestimmte zweckmässige Arbeit, Spinnen, Weben, u. s. w. im Gespinst, im Geweb verkörpert, vergegenständlicht. Die zweckmässige Form des Products ist die einzige Spur, welche die zweck- mässige Arbeit zurückgelassen hat und diese Spur selbst kann ausgelöscht sein, wenn das Product die Form eines Naturproducts hat, wie Vieh, Weizen u. s. w. In der Waare erscheint der Gebrauchswerth gegenwärtig, als das Vorhandne, das in dem Arbeitsproceß nur als Product erscheint. Die einzelne Waare ist in der That ein fer- tiges Product, hinter dem sein Entstehungsproceß liegt, worin der Prozeß, wodurch sich besondre nützliche Ar- beit in ihm verkörperte, vergegenständlichte, in der That aufgehoben ist. In dem Productionsproceß wird die Waare. Sie wird beständig als Product vom Proceß abgestossen, so daß das Product selbst nur als ein Moment des Processes erscheint.
Ein Theil des Gebrauchswerths, worin das Capital innerhalb des Productionsprocesses erscheint, ist das lebendige Arbeitsvermögen selbst, aber als Arbeitsvermögen von bestimmter, dem besondren Gebrauchswerth der Produc- tionsmittel entsprechender Specification und als sich bethätigendes Arbeitsvermögen, sich zweckmässig äussernde Ar- beitskraft, die die Productionsmittel zu gegenständlichen Momenten ihrer Bethätigung macht und sie daher aus der ursprünglichen Form ihres Gebrauchswerths in die neue Form des Products verwandelt. Die Gebrauchswer- the selbst machen daher innerhalb der Arbeitsprocesse einen wirklichen Verwandlungs proceß durch, ob dieser nun mechanischer, chemischer, physicalischer Natur sei.
Während in der Waare der Gebrauchswerth ein gegebnes Ding mit bestimmten Eigenschaften ist, ist er jetzt Verwandlung der als Rohmaterial und Arbeitsmittel functionirenden Dinge, Gebrauchswerthe, vermittelst der sich durch sie und in ihnen bethätigenden lebendigen Arbeit, welche eben das Arbeitsvermögen actu ist, in einen Gebrauchswerth von veränderter Gestalt – das Product. So zerfällt also die Gestalt, die das Capital als Gebrauchswerth im Arbeitsproceß annimmt, erstens in die begriffsmässig dirimirten und auf einander bezognen Productionsmittel; zweitens in die begriffsmässige, aus der Natur des Arbeitsprocesses entquillende Diremtion zwischen den objektiven Arbeitsbedingungen (den Productionsmitteln) und der subjektiven Arbeitsbedin/gung, dem zweckmässig thätigen Arbeitsvermögen, d. h. der Arbeit selbst.
Drittens aber, das Ganze des Processes betrachtet, erscheint der Gebrauchswerth des Capitals hier als Gebrauchs- werth producirender Proceß, worin die Productionsmittel dieser spezifischen Bestimmtheit nach als Producti- onsmittel des zweckmässig thätigen, ihrer bestimmten Natur entsprechenden, spezifischen Arbeitsvermögen functi- oniren. Oder der gesammte Arbeitsproceß als solcher, in der lebendigen Wechselwirkung seiner objectiven und subjektiven Momente, erscheint als die Gesammtgestalt des Gebrauchswerths, d. h. die reale Gestalt des Capi- tals im Productionsproceß.
Der Productionsproceß des Capitals ist vor allem, seine reale Seite betrachtet – oder ihn als Proceß betrachtet, der durch nützliche Arbeit mit Gebrauchswerthen neue Gebrauchswerthe bildet – wirklicher Arbeitsproceß.
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Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 55f.
Nota. - Wieviel leichter würde das Verständnis, wenn Marx zwischen realer Formbestimmung auf der Gebrauchs- wertseite und idealer Formbestimmung auf der Tauschwertseite unterschieden hätte! Nur "einfachheitshalber", das hätte er ja anmerken können; denn natürlich ging es ihm darum, dass die 'ideale' Form des Tauschwerts im wirklichen Handeln der Menschen Realität hat. Dabei hätte er die Gelegenheit gehabt, zwischen toter, vergange- ner Bestimmtheit und lebendigem, aktualem Bestimmen zu unterscheiden.
Doch ist es besser, dass er sich die dialektische Grundoperation des Perspektivenwechsels in seiner Hegel'schen Verballhornung als Formenwechsel klargemacht hat, als garnicht; immerhin hat er unter der Asche die Glut wie- derentdeckt.
JE
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