Freitag, 30. Dezember 2016

Wert ist Anteil am Gesamtarbeitstag.



Obgleich die Form der Arbeit als Lohnarbeit entscheidend [ist] für die Gestalt des ganzen Prozesses und für die spezifische Weise der Produktion selbst, ist nicht die Lohnarbeit wertbestimmend. In der Wertbestimmung handelt es sich um die gesellschaftliche Arbeitszeit überhaupt, das Quantum Arbeit, worüber die Gesellschaft überhaupt zu verfügen hat und dessen relative Absorption durch die verschiednen Podukte gewissermaßen deren respektives gesellschaftliches Gewicht bestimmt. 

Die bestimmte Form, worin sich die gesellschaftliche Arbeitszeit im Wert der Waren als bestimmend durch- setzt, hängt allerdings mit der Form der Arbeit als Lohnarbeit und der entsprechenden Produktionsmittel als Kapital insofern zusammen, als nur auf dieser Basis die Warenproduktion zur allgemeinen Form der Produk- tion wird.
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Das Kapital III, MEW 25, S. 889



Nota. - Wert ist der Anteil des Produkts an der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit. Das ist unabhängig von der Form, unter der die Arbeit ausgeführt wird. Im Begriff der gesellschaftlichen Arbeitszeit ('Gesamtarbeitstag') entfällt alle Formbestimmung: Wert und Gebrauchswert sind hier dasselbe.

Der Anteil des Produkts an der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit (= die Anerkennung des seinem Ge- brauchswert entprechenden Bedürfnisses als gesellschaftlich gültig) hängt allerdings ab von der Verteilung der Produktionsmittel. Insofern spielt es dann doch eine Rolle, ob die Arbeit typischerweise als Lohnarbeit geleistet wird oder nicht; will sagen, spielt das Klassenverhältnis eine Rolle.
JE






Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE.

Donnerstag, 29. Dezember 2016

Das fixe Kapital und das System der Arbeitsteilung.



Das Charakteristische dieser Art der Ökonomie des konstanten Kapitals, die aus der fortschreitenden Entwick- lung der Industrie hervorgeht, ist, dass hier das Steigen der Profitrate in einem Industriezweig geschuldet wird der Entwicklung der Produktivkraft in einem andern. Was hier dem Kapitalisten zugute kommt, ist wieder ein Geewinn, der das Produkt der gesellschaftlichen Arbeit ist, wenn auch nicht das Produkt der direkt von ihm selbst exploitierten Arbeiter.

Jene Entwicklung der Produktivkräfte führt sich in letzte Instanz immer zurück auf den gesellschaftlichen Charakter der in Tätigkeit gesetzten Arbeit; auf die Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft; auf die Entwicklung der geistigen Arbeit, namentlich der Naturwissenschaft. Was der Kapitalist hier benutzt, sind die Vorteile des gesamten Systems der Arbeitsteilung. Es ist die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit in ihrer auswärtigen Abteilung, in der Abteilung, die ihm Produktionsmittel liefert, wodurch hier der Wert des vom Kapitalisten angewandten konstanten Kapitls relativ gesenkt, also die Profitrate erhöht wird.

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Das Kapital III, MEW 25, S. 92



Nota. - Die Rede ist hier von dem Teil des konstanten Kapitals, der in Produktionsmitteln besteht (der andere Teil wären die Rohstoffe); dem, was M. andernorts das fixe Kapital nennt. Im fixen Kapital ist allerdings der ganze Stand der technischen Kultur, nämlich die ganze Arbeitsteilung vergegenständlicht. Wenn auch der Tauschwert der Produkte letzten Endes nur im jeweiligen Produktionspreis der Arbeitskraft besteht: der Gebrauchswert der Produktion wird bestimmt vom Stand der Technologie, und zu der gehört der Bildungsgrad des Arbeitsvermö- gens.
JE



 

Mittwoch, 28. Dezember 2016

Gesellschaftliche Geltung und Verteilung der Arbeit.


 

Der Charakter 1. des Produkts als Ware, und 2. der Ware als Produkt des Kapitals, schließt schon sämtliche Zirkulationsverhältnisse ein, d. h. einen bestimmten gesellschaftlichen Prozess, den die Produkte durchmachen müssen und worin die sie bestimmte gesellschaftliche Charaktere annehmen; er schließt ein [ein] ebenso bestimmtes Verhältnis der Produktionsagenten, von [dem] die Verwertung ihres Produkts und seine Rückverwandlung, sei es in Lebensmittel, sei es in Produktionsmittel, bestimmt ist. 

Aber auch abgesehen hiervon, ergibt sich aus den beiden obigen Charakteren des Produkts als Ware, oder Ware als kapitalistisch produzierter Ware, die ganze Wertbestimmung und die Regelung der Gesamtproduktion durch den Wert. In dieser spezifischen Form des Werts gilt die Arbeit einerseits nur als gesellschaftliche Arbeit; andererseits ist die Verteilung dieser gesellschaftlichen Arbeit und die wechselseitige Ergänzung, der Stoffwechsel ihrer Produkte, die Unterordnung unteer und Einschiebung in das gesellschaftliche Triebwerk, dem zufälligen, sich wechselseitig aufhebendenTreiben der einzelnen kapitalistischen Produzenten überlassen.

Da diese sich nur als Warenbesitzer gegenübertreten und jeder seine Ware so hoch als möglich zu verkaufen sucht (auch scheinbar in der Produktion selbst nur durch seine Willkür geleitet ist), setzt sich das innere Gesetz nur durch vermittelst ihrer Konkurrenz, ihres wechselseitigen Drucks aufeinander, wodurch sich die Abweichungen gegenseitig aufheben. Nur als inneres Gesetzt, den einzelnen Agenten gegenüber als blindes Naturgesetz, wirkt hier das Gesetz des Werts und setzt das gesellschaftliche Gleichgewischt der Produktion inmitten ihrer zufälligen Fluktuationen durch.
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Das Kapital III, MEW 25, S. 887 



Nota. - Das Wertgesetz gilt "spezifisch", nämlich unter der Voraussetzung, dass sich die Gesellschaft bereits zu einem kapitalistischen System ausgebildet hat - nach der "ursprünglichen Akkumulation". Wer diesem Gedanken nicht folgen mag, muss sich nur an M.s obige Formulierung halten; da steht es deutlich genug.

Es ist die faktische Anerkennung durch das wirkliche Handeln der Austauschenden, das die Geltung ausmacht; und die nennt Marx ein 'Gesetz' - sofern es nämlich den Kokurrenten nicht als ihre eignes Handeln vorkommt, sondern als unerklärlicher Zufall.

Das wirkliche Handeln der Austauschenden findet unter sachlichen Bedingungen statt, die in ihm zur Geltung kommen. Und die sind gegeben in der Verteilung: "...kann gesagt werden, dass das Kapital... selbst schon eine Verteilung voraussetzt: die Expropriation der Arbeiter von ihren Arbeitsbedingungen, die Konzentration dieser Bedingungen in den Händen einer Minorität von Individuen..." (ebd., S. 886) Die Teilung der Arbeit setzt die Ver teilung der Arbeitsmittel schon voraus - und bedingt wiederum die Ver teilung der Arbeitszeit: nämlich die Bestimmung darüber, welche, d. h. wessen Bedürfnisse gesellschaftlich wieviel gelten sollen.

Keine Chance für den 'naturalistischen Wertbegriff'...
JE






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Dienstag, 27. Dezember 2016

Das Gesetz, der Zufall und der Durchschnitt.


pixabay

Wir hatten in Buch II [des Kapital] diese Zirkulationssphäre natürlich nur darzustellen in bezug auf die Form- bestimmungen, die sie erzeugt, die Fortentwicklung des Kapitals nachzuweisen, die in ihr vorgeht. In der Wirklichkeit aber ist diese Sphäre die Sphäre der Konkurrenz, die, jeden einzelnen Fall betrachtet, vom Zufall beherrscht wird; wo also das innere Gesetz, das in diesen Zufällen sich durchsetzt und sie reguliert, nur sicht- bar wird, sobald diese Zufälle in großen Massen zusammengefasst werden, wo es also den einzelnen Agenten der Produktion selbst unsichtbar und unverständlich bleibt.
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Das Kapital III, MEW 25, S. 836






Montag, 26. Dezember 2016

Wie das Kapital auf eigne Füße kam.


The Swamp Thing emerging

I. Das Geheimnis der ursprüngliche Akkumulation

Man hat gesehn, wie Geld in Kapital verwandelt, durch Kapital Mehrwert und aus Mehrtwert mehr Kapital gemacht wird. Indes setzt die Akkumulation des Kapitals den Mehrwert, der Mehrwert die kapitalistische Pro- duktion, diese aber das Vorhandensein größerer Massen von Kapital und Arbeitskraft in den Händen von Warenproduzenten voraus. 


Diese ganze Bewegung scheint sich also in einem fehlerhaften Kreislauf herumzudrehn, aus dem wir nur hin- auskommen, indem wir eine der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende "ursprüngliche" Akkumulation ("previous accumulation" bei Adam Smith) unterstellen, eine Akkumulation, welche nicht das Resultat der kapi- talistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt. ... /

Das Kapitalverhältnis setzt die Scheidung zwischen den Arbeitern und dem Eigentum an den Verwirklichungs- bedingungen der Arbeit voraus. Sobald die kapitalistische Produktion einmal auf eignen Füßen steht, erhält sie nicht nur diese Scheidung, sondern reproduziert sie auf stets wachsenden Stufenleiter. 

Der Prozess, der das Kapitalverhältnis schafft, kann also nichts andres sein, als der Scheidungsprozess des Ar- beiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen, ein Prozess, der einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsbedingungen in Kapital verwandelt, andrerseit die unmittelbaren Produzenten in Lohnarbeiter. Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als der historische Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel. Er erscheint als "ursprüngleich", weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der ihm ent- sprechenden Produktionsweise bildet.
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Das Kapital III, MEW 25, S. 741f.



Samstag, 24. Dezember 2016

Die Quintessenz der Kritik.



Der wirkliche Reichthum manifestirt sich vielmehr – und dieß enthüllt die grosse Industrie – im ungeheuren Mißverhältniß zwischen der angewandten Arbeitszeit und ihrem Product, wie ebenso im qualitativen Mißver- hältniß zwischen der auf eine reine Abstraction reducirten Arbeit und der Gewalt des Productionsprocesses den sie bewacht.

Die Arbeit erscheint nicht mehr so sehr in den Productionsprocess eingeschlossen, als sich der Mensch viel- mehr als Wächter und Regulator zum Productionsprocess selbst verhält. (Was von der Maschinerie gilt, ebenso von der Combination der menschlichen Thätigkeit und der Entwicklung des menschlichen Verkehrs.) Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modificirten Naturgegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich ein- schiebt; sondern den Naturprocess, den er in einen industriellen umwandelt, schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er sich bemeistert. Er tritt neben den Productionsprocess, statt sein Haupt- agent zu sein. 


In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Productivkraft, sein Verständniß der Natur, und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper – in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der grosse Grundpfeiler der Production und des Reichthums erscheint. Der Diebstahl an fremder Arbeitszeit, worauf der jetzige Reichthum beruht, erscheint miserable Grundlage gegen diese neuentwickelte, durch die grosse Industrie selbst geschaffne. 

Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die grosse Quelle des Reichthums zu sein, hört und muß aufhören die Arbeitszeit sein Maaß zu sein und daher der Tauschwerth [das Maaß] des Gebrauchswerths. Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen / Reichthums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der Wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwerth ruhnde Production zusammen, und der unmittelbare materielle Productionsprocess erhält selbst die Form der Nothdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift. 

Die freie Entwicklung der Individualitäten, und daher nicht das Reduciren der nothwendigen Arbeitszeit um Surplusarbeit zu setzen, sondern überhaupt die Reduction der nothwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc Ausbildung der Individuen durch die für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht. 

Das Capital ist selbst der processirende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu re- duciren strebt, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maaß und Quelle des Reichthums sezt. Es vermindert die Arbeitszeit daher in der Form der nothwendigen, um sie zu vermehren in der Form der über- flüssigen; sezt daher die überflüssige in wachsendem Maaß als Bedingung – question de vie et de mort – für die nothwendige. 

Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur, wie der gesellschaftlichen Combination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichthums unabhängig (relativ) zu machen von der auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite will es diese so geschaffnen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit, und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Werth als Werth zu erhalten. 
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Grundrisse, 
MEGA II/1.2  S. 581f. [MEW 42, S. 600f.]     



Nota. - Das ist radikaler als was er später in Kapital III schreiben wird . Dort meint er, ein Rudiment von not- wendiger Arbeit und also ein Reich von Notwendigkeiten werde als Bedingung des Reichs der Freiheit stets erhalten bleiben. Hier aber tritt der Mensch neben den Prokuktionsprozess, zu dem er sich nur noch als Wächter und Regulator verhält. Und natürlich muss dann die Arbeitszeit aufhören, als einziges Maß und Quelle des Reichtums zu gelten.
JE








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Reich der Notwendigkeit und Reich der Freiheit.


 
Der wirkliche Reichthum der Gesellschaft, und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktions- processes hängt also nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht. 

Das Reich der Freiheit beginnt in der That erst da, wo das Arbeiten, das durch Noth und äußere Zweckmäßig- keit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduciren, so muß es der Civilisirte, und er muß es in allen Gesell-/schaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. 

Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnothwendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die associirten Producenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur ratio- nell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht be- herrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. 

Aber es bleibt dies immer ein Reich der Nothwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftent- wicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Noth- wendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung. 
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Das Kapital III, MEGA II/15,  S. 794f. [MEW 25, S. 828f.]






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Freitag, 23. Dezember 2016

Die Kritik und der Schein vom System.


Tinguely, Méta.Harmonie II

Wieso aber überhaupt eine begriffliche Darstellung, wieso nicht bloß historischer Bericht, "wie alles gekommen ist"; wieso eine Darstellung, "als ob" die Begriffe sich selber "setzen und entgegesetzen"? 

Das ist nichts anderes als die Frage: "wieso aber überhaupt eine Kritik?" 

Die Kritik ist nämlich immner nur die Frage nach der Rechtfertigung, nämlich der Rechtfertigung dessen, was ist, durch den Schein, durch die "transzendentale Dialektik" der Kategorienwirtschaft, in der das "Sein" eben immer erscheint als notwendig, also vernünftig; nämlich in der Logik, im Vernunftgeetz selbst begründet.

Denn wenn dem tatsächlich so wäre, dass "die bürgerliche Ökonomie" - sowohl ihr realer Prozess als such dessen ideale Darstellung in der Wissenschaft - ein organisches System darstellt, in dem 'jedes Gesetzte zugleich Voraussetzung aller andern' Gesetzten ist; oder genauer: wenn der reale Prozess der bürgerlichen Produktion sich wirklich in dem Sinn darstellen ließe, als ob dort 'alles seine richtige Ordnung hat', Eines alles andre und alles Andre ein jedes Einzelne begründet... -, dann rechtfertigt es sich ipso facto: "Rechtfertigen" ist ableiten aus idealen Gründen (hier deutlich: die Abkunft der 'Kategorien' aus dem Zwecken, d. h. der 'Theorie' aus 'dem Prak- tischen'); also wenn die klassische Nationalökonomie es wirklich vollbracht hätte, die Realität des bürgerlichen Produktionsprozesses als ein geschlossenes System logischer Wechselbestimmungen, als ein kohärentes Gebäu- de einander gegenseitig tragender Kategorien darzustellen, dann... wäre dem reellen System der bürgerlichen Produktionsweise nicht mehr aus Gründen beizukommen. Es wäre also nicht zu kritisieren. Es wäre lediglich zu "verwerfen" - aus 'Motiven', 'Interessen', 'Begierden'; nur "abzulehnen" aus Privatbeweggründen, seien diese auch "kollektiv" und "massenhaft" privat; nicht aber aufzulösen aus gültigen, nämlich allgemeinen Gründen.

Langer Rede kurzer Sin: Der Zweck der wissenschaftlich Kritik der politischen Ökonomie ist die Zersetzung des ideologischen Scheins, in dem die bürgerliche Produktionsweise als gerechtfertigt gilt; nämlich - das ist der Kern - die Darstellung des bürgerliche Appropriationsgesetzes als Äaquivalententausch - nachdem freilich faktisch die Expropriation der Produzenten reell schon vorausgesetzt ist; aber eben nicht in der idealen Repräsentation, allgemeinen Vorstellung.

Und Träger dieses Scheins - des Äquivalententauschs - ist das Axiom der bürgerlichen Welt- und Lebensan- schauung von "dem Menschen" als Arbeiter!

27. 9. 87

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Max Scheler und Max Weber über den außerökonomischen Ursprung des Kapitals.


Max Scheler

Max Scheler* hat ja ganz Recht, wenn er - vermeintlich gegen Marx, aber tatsächlich nur gegen die "ökonomische Geschcihtstheorei", wie er sie nennt - darauf hinweist, dass der Grund für die Erhaltung - "Reproduktion" - des Kapitalismus nicht notwendigerwiese derselbe sein muss wie der Grund für seine Entstehung: denn genau das ist ja die Kernaussage der Kritik dr Politischen Ökonomie: dass zwar das "Wertgesetz" die permanente Selbsterneue- rung des Kapitalverhältnisses begründet; dass jedoch das Kapitalverhältnis selbst auf der - "ursprünglichen Akku- mulation" begründet ist.

(Nach M. Scheler: auf der historische Herausbildung des "Vitaltypus" des Bourgeois, obwohl dieser doch bloß die Bürgerlichkeit begründet hat; das Unternehmertum entsteht aber, wie Scheler selbser hervorhebt, vielmehr aus individuellen Aufsteigern (Law, condottieri, Seefahrer) aus der Roture in die Aristokratie, oder gar der aristokrati- schen Chevaliers d'industrie (Orléans-égalité)! Das waren die, die das Kapital akkumulierten: durch clearing of estates und Anhäufen von Geld; aber die es dann "arbeiten" ließen, das waren die Bourgeois, die schon lange auf ihre Stunde gewartet hatten!)

- Und dann, gleich darauf, nämlich in "Die Zukunft des Kapitalismus",** macht Scheler selbst denselben Fehler, nämlich a tergo: Er meint, weil "der Bourgois" der "Grund" für die Entstehung des Kapitalismus gewesen sei, so müsse er auch - nicht das Kapital! - der Grund für dessen Repoduktion sein.


Und ergo das vermeintliche (erhoffte) Aus sterben des "Vitaltypus Bourgeois" hinreichender Grund für das Absterben des Kapitalismus sein! Eine "phänomenologische" Zusammenbruchstheorie sozusagen!

*) "Der Bourgeois" in Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze, Bd. II, Leipzig 1915 (geschrieben 1914)

**) a.a.O. (noch vor 1914)

19. 11. 88 


Übrigens liegt bei Max Weber dasselbe Problem vor wie bei Scheler: dass die 'Erklärung' des Kapitals aus dem Wertgesetz ja die Existenz des Kapitals schon voraussetze... (Sie haben beide den Sinn des Ka- pitels "Ursprüngliche Akkumulation" nicht begriffen; vielleicht ha- ben sie die Originalausgabe von 1867 benutzt, wo jener bewusste Nebensatz fehlt!); dass also ein außerökonomischer Entstehungsgrund für 'das Kapitalverhältnis 'gefunden werden müsse...

(Statt des "Vitaltyps Bourgeois" - und seiner erbbiologischen Definition - nimmt Weber den "Phänotyp" Bour- geois: der Bourgeois, wie er (sich) "erscheint": eben als "protestantische Ethik"!

3. 8. 89


Nachtrag.

Es sei nicht verschwiegen, dass der zum Katholizismus (und zum Sozialismus) konvertierte Jude Scheler seinen Vitaltypus Bourgeois auf die Dauer durch die Juden vertreten sah. Da die Juden aus erbbiologischen Gründen weniger zeugungsfreudig seien als andere Ethnien, werde der Bourgeois und mit ihm der Kapitalismus auf natürlichem Weg aussterben. - So hat er es wirklich geschrieben, Sie können es nachlesen!



Dienstag, 20. Dezember 2016

Friedrich Engels war nicht schuld.


 
Den Hintergrund für den stalinistischen "naturalistischen" Wertbegriff* bildet der Mythos von der "Politischen Ökonomie" als einer ubiquitären, 'nomothetischen' Universalwissenschaft mit einem bestimmten, identischen, 'an sich selber' zeitlosen (d. h. nur in der 'Erscheinung' sich entwickelnden) Gegenstand. Und als Beleg dafür kommt in ihren Lehrbüchern sicher wie das Amen in der Kirche stets dieselbe eine und einzige "Stelle" bei... Engels im Anti-Dühring:  "Die politische Ökonomie, im weitesten Sinne, ist die Wissenschaft von den Gesetzen, welche die Produktion und den Austausch des materiellen Lebensunterhalts in der menschlichen Gesellschaft beherrschen." Herrn Eugen Dührings Umwälzung..., MEW 20, S. 136.

Das wird mit viel Krakeel von den Autoren der Lehrbücher als regelrechter wissenschaftlicher Begriff ausposaunt: "In seiner Definition der politischen Ökonomie als Wissenschaft im weiteren Sinn..." Lehrbuch der Politischen Öko- nomie I, Moskaus 1970, S. 38: "Die politische Ükonomie, mit der wir uns heute befassen, ist, um mit Friedrich Engels' Worten zu reden, die politische Ökonomie im weiteren Sinne des Wortes..." (S. 39).


Bei Engels folgt allerdings stehenden Fußes: "Die Bedingungen, unter denen die Menschen produzieren und austauschen, wechseln von Land zu Land, und in jedem Land von Generation zu Generation. Die politische Ökonomie kann also nicht dieselbe sein für alle Länder und für alle geschichtlichen Epochen." a.a.O., S. 136

Das Lehrbuch beeilt sich zu krähen: "Friedrich Engels bezeichnete diese Wissenschaft als politische Ökonomie im engeren Sinne..." a.a.O., S. 38

Engels weiter: "Die politische Ökonomie ist also wesentlich eine historische Wissenschaft. Sie behandelt einen geschichtlichen, d. h. ein stets wechselnden Stoff. Sie untersucht zunächst die einzelnen Gesetze jeder einzelnen Entwicklungsstufe der Produktion und des Austausches und wird erst am Schluss dieser Untersuchung die wenigen für Produktion und Austausch überhaupt geltenden, ganz allgemeinen Gesetze aufstellen." a.a.O., S. 137 

Aber prompt setzt das Lehrbuch nach unde verbessert noch seinen Kronzeugen Engels: "Die politische Öko- nomie im weiteren Sinne des Wortes ist nicht die Summe der politischen Ökonomien im engeren Sinne. Sie ist eine einheitliche Wissenschaft mit einem einheitliche Gegenstand und einheitlicher Methode." a.a.O. S. 39. (Na- türlich erfahren wir nicht, welcher "Gegenstand" und welche "Methode"; etwa die "wenigen... überhaupt gelten- den, ganz allgemeinen Gesetze"?!)

Engels: "Die Feuerländer bringen es nicht zu Massenproduktion und zum Welthandel, ebensowenig wie zur Wechselreiterei oder einem Börsenkrach. Wer die politische Ökonomie Feuerlands unter dieselben Gesetze bringen wollte mit der des heutigen Englands, würde damit augenscheinlich nichts zutage fördern als den allerbanalsten Gemeinplatz." a.a.O., S. 136f.

Also die "einheitliche Methode" am "einheitlichen Gegenstand" ist... "der allerbanalste Gemeinsplatz"?! -  I wo: "Das musst du dialektisch sehn!"

Aber was Engels mit seiner unglücklichen Gelegenheitsformulierung von der "politischen Ökonomie im weitesten Sinne" sagen wollte, macht er ein paar Sätze weiter unten ganz deutlich: "Die politische Ökonomie als die Wissenschaft von den Bedingungen und Formen, unter denen die verschiednen menschlichen Gesellschaften produziert und ausgetauscht [!], und unter denen sich demgemäß jedesmal die Produkte ausgetauscht [!] haben - die politische Ökonomie in dieser Ausdehnung soll jedoch erst geschaffen werden. Was wir von ökonomischer Wissenschaft bis jetzt besitzen, beschränkt sich fast ausschließlich auf die Genesis und Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise: sie beginnt mit der Kritik der Reste der feudalen Produktions- und Austauschformen..., entwickelt dann die Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer entsprechenden Austauschformen nach der positiven Seite hin, d. h. nach der Seite, wonach sie die allgemeinen Gesellschaftszwecke fördern [A. Smith], und schließt ab mit der sozialistischen Kritik der kapitalistischen Produktionsweise, d. h. mit der Darstellung ihrer Gesetze nach der negativen Seite hin [Sismondi vs. Ricardo], mit dem Nachweis, dass diese Produktionsweise durch ihre eigne Entwicklung dem Punkt zutreibt, wo sie sich selbst unmöglich macht. Diese Kritik [K. Marx] weist nach..." a.a.O., S. 138f.

"Um diese Kritik der bürgerlichen Ökonomie vollständig durchzuführen, genügte nicht die Bekanntschaft mit der kapitalistischen Produktion, dem Austausch und der Verteilung. Die ihr vorangegangenen oder noch neben ihr, in weniger entwickelten Ländern bestehenden Formen mussten ebenfalls, wenigstens in den Hauptzügen, untersucht und zur Vergleichung gezogen werden. Eine solche Untersuchung und Vergleichung ist bis jetzt im ganzen und großen nur von Marx angestellt worden." a.a.O., S. 139

Was man also schonmal festhalten kann: Engels jedenfalls war der Meinung, daß Marx eine solche "politische Ökonomie im weitesten Sinne" nicht "geschaffen" habe; sondern vielmehr die Kritik der bürgerlichen Ökonomie als deren Abschluss - und insoweit hat er 'Das Kapital' völlig richtig verstanden; denn er fügt ja ausdrücklich hinzu, dass K. M. da, wo er auf vorkapitalistische Formen eingeht, diese nicht als solche (oder "immanent") darstelle, sondern lediglich zwecks Vergleichung mit der bürgerlichen 'Form': nämlich um jene "deutlich" darstzustellen.

Was hingegen Engels als "politische Ökonomie im weitesten Sinne" vorschwebt, ist offenbar eine 'allgemeine Wirtschaftsgeschichte vom meterialistischen Standpunkt aus' - von der Marx in den Grundrissen beiläufig bemerkt. dass 'wir' sie 'auch nocht' bewerkstelligen werden, dass sie aber an sich für seinen Zweck überflüssig sei (MEW 42, wo?). - Man fragt sich freilich, welches Erkenntnisinteresse eine solche Arbeit haben würde; eine bloße historische Faktensammlung, eine Art verbesserter Gülich? Abgesehen davon, dass man nicht erkennt, wozu eine solche Fleißarbeit gut sein soll, ist es nicht gerechtfertigt, eine bloße historische Faktensammlung eine "Wissenschaft" zu nennen: ebenn darum, weil sie nicht imstande ist, ihren Gegenstand zu identifizieren. Eine Wissenschaft ist stets entweder pragmatisch - und läuft dann doch wieder 'nur' auf kommnistische Kritik der historischen Resultate hinaus; oder sie ist "theoretisch" - und kommt dann über die von Engels treffend so genannten "allerbanalsten Gemeinplätze" nicht hinaus - die zudem gar nicht 'faktischer', sondern methodologischer Natur sind, wie die völlig zu Recht "unterdrückte" Einleitung von 1857 beweist...

In jedem Fall war es aber eine terminologische Schluderei, die sich gerade noch aus dem Eifer der Polemik entschuldigen lässt, eine solche historische Wissenschaft vom 'Wirtschaften' als "politische" Ökonomie zu bezeichnen. Das hätte dem altphilologisch nicht ganz ungebildeten Freddy ins Auge springen müssen, dass jedem Athener Bürgr jene terminologische Verbindung von πολις und οιϰος als Gipfel der Paradoxie hätte erscheinen müssen! Sowas ähnliches wie "das Öffentlich-Private"! Es ist ihm in der Hitze des Gefechts auch gar nich aufgefallen, dass er ausdrücklich auf allen historischen Stufen "Austausch" als Bedingung der Verteilung voraussetzt!

Denn das bedeutet ja, dass er überall und allezeit sowohl gesellschaftliche Produktion als auch Privateigentum unterstellt! Nun hat er es aber in der wirklich stattgehabten Geschichte entweder mit dem einen oder mit dem andern zu tun - und die singuläre Eigenart der kapitalistischen Gesellschaft ist doch gerade, dass allein hier beides zusammenkommt, indem auf dem Boden des privaten Eigentums die Produktion - technisch und ökonomisch - einen gesellschaftlichen Charakter angenommen hat.

Denn wo gemeinschaftlich organisierte Prodution stattfindet, werden die Produkte eben nicht getauscht - im "self-sustaining" indischen Dorf. Es ist auch nicht wahr, dass hier unmittelbar "die Arbeiten getauscht" würden: das ist eine idealistische Augenwischerei; hier werden "die Arbeiten" verteilt, und ebenso werden die Produkte verteilt.

Wo indessen nicht gemeinschaftlich, sondern privat-isoliert produziert und hernach ausgetauscht wird - nämlich der Überschuss, das, was man entbehren kann, und eben nicht das "Nötige" -, da ist es Unfug, von politischer Ökonomie zu reden. Politisch, nämlich "das Gemeinwesen betreffend", ist die οιϰονομια, wo der Reichtum der einzelnen eo ipso Reichtum des Gemeinwesens darstellt, der Reichtum der Privaten zugleich allgemeiner Reichtum ist; und das kann nur sein, wo es zu Reichtum im Allgemeinen, "Reichtum überhaupt", "Reichtum schlechthin" gekommen ist. Und das ist eben das Geld. Das Geld ist "das reale Gemeinwesen" - in der bürgerlichen Gesellschaft.

Wo es in den vorbürgerlichen Gesellschaften auftritt, da als "reales (bürgerliches) Gemeinwesen in processu" - was empirisch immer zugleich die Zerstörung des vorhandenen Gemeinwesens bedeutet, sofern es eben noch nicht auf dem Austausch beruht.

Also Gegenstand einer solchen historischen "Politischen Ökonomie" kann nur die wirkliche Geschichte sein, wie sich das Geld in den gewesenen Gesellschaftsformationen an Stelle der traditionellen - gentilizischen, feudalen, "asiatischen" - politischen Gemeinschaften zum "realen Gemeinwesen" der... bürgerlichen Gesellschaft konstituiert hat. Also Gegenstand einer historischen Politischen Ökonomie könnte nur sein: die Bildung des Kapitalverhältnisses auf dem Boden der traditionellen Gesellschaften, aus den vorkapitalistischen Verhältnissen heraus. 

Aber genau das gehörte zur Arbeit der Kritik der Politischen Ökonomie, und ganau diese Arbeit hat Marx auch besorgt; cf. "Formen"-Kapitel. Nur so nämlich konnte er ja auf die Bruch-Stelle in der Entwicklungsgeschichte "des Kapitals" stoßen: den Punkt, wo eben nicht "das Geld" als automatisches Subjekt 'zu Kapital wird'; sondern durch den (Gewalt)-Akt  der Trennung des Arbeitsvermögens von den Arbeitsmitteln zu Kapital gemacht worden ist - die "sogenannte ursprüngliche Akkumulation".

*

Und nach allem kann es uns nun auch nicht mehr wundern, dass in besagtem Lehrbuch der politischen Ökonomie die "sogenannte ursprüngliche Akkumulation" gar nicht vorkommt...

*) Den Begriff hat Preobraschenki gegen Bucharin geprägt.

13. 12. 89








Sonntag, 18. Dezember 2016

Theorie und Modell.


Epigenom, Methylierung
 
Obwohl man ohne eine Theorie der Entwicklung die gegebenen Wirklichkeit nicht verstehen kann, gibt eine solche Theorie doch nur an, worauf man achten muss, wenn man die sich entfaltende Welt der Kapitalproduktion begreifen will. Der logische Endpunt* der Kapitalentwicklung als Prozess der Wertexpansion muss nicht Wirk- lichkeit werden; doch gibt die Theorie zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine Orientierungshilfe für die nähere, konkretere Analyse der tatsächlichen Bewegung der Kapitalproduktion. 
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Paul Mattick, Marx und Keynes, Frankfurt/M. 1971, S. 108


Das ist alles richtig. Aber heißt das nun, die Kritik der Politischen Ökonomie sei doch eine positive (wenn auch abstrakte...) Lehre von den 'wahren Gesetzen' der geschichtlichen Entwicklung - statt ein System der Kritik?!

Mitnichten. Denn was Mattick an dieser Stelle hinzuzufügen vergisst, ist, dass man stets einen... Grund haben muss, um "begreifen" zu wollen: Denn sie Abstraktion, die die Darstellung der mannigfaltigen Facta als begriff- liches Modell erst ermöglicht, ist ja unmittebar auch schon Reflexion gewesen - auf das, was interessiert;  "das, worauf man achten muss", war der logische Ausgangspunkt des ganzen Modells, welches dies erst zur Darstellung bringt.

25. 5. 86 

*) Er meint den Fall der Profitrate.






Samstag, 17. Dezember 2016

In seiner Wirklichkeit ist Kapital kein Verhältnis, sondern eine Gesellschaftsklasse.



In seiner Wirklichkeit "besteht" das Kapital nicht aus Gegenständen - Arbeits- und Lebensmitteln -, sondern aus Kapitalisten. Die Arbeits- und Lebensmittel sind "in Wirklichekiet" oder "an sich selbst" nur... Arbeits- und Lebensmittel. Kapital werden sie allein dadurch, dass sie... Kapitalisten gehören: von einer Klasse monoplisiert werden, welche sie gegen "bloßes Arbeitsvermögen" austauscht. 

Und die "Existenz"dieses "bloßen Arbeitsvermögens" als prinzipiell zum Austausch bestimmt, als Ware, ist darin vorausgesetzt: als Existenz einer Klasse, die nur leben kann, indem sie - nicht ihre 'Arbeit' sondern - ihr lebendiges Vermögen gegen Lebensmittel eintauscht. 

*

Das ist die Quintessenz der Kritik.

10. 8. 88


Nachtrag.

Ein Verhältnis lässt sich nur als Begriff darstellen. Aber das Kapital ist nicht nur ein Begriff. Es ist eine historische Realität.





Freitag, 16. Dezember 2016

Eine idiographische Geisteswissenschaft.



Der Gegensatz zwischen der Kritik der Politischen Ökonomie und der Politischen Ökonomie selbst lässt sich ausdrücken als der Gegensatz zwischen einer "nomothetischen" und einer "idiographischen" Wissenschaft. Nämlich so, dass die Politische Ökonomie glaubt, die Naturgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung zur Dar- stellung zu bringen - vgl. Mirabeaus Rede am Grab von Dr. Quesnay -, wohingegen Marx ganz ausdrücklich nur die "Bewegungsgesetze" dieser besondern Gesellschaftsformation, dieser historischen Individualgestalt "analysiert": und  zwar gerade nicht als die immanenten Bewegungsgesetze "der Sachen selbst", sondern sie "versteht" als die typischen Handlungsweisen - "Verkehrsformen" - der austauschenden Individuen.

Und diese 'Handlungsweisen' werden folgerichtig eben nicht aus ihren 'Ursachen' "begriffen", sondern aus ihren Zwecken verstanden. Die Kritik der Politischen Ökonomie ist die verstehende Deutung einer besonderen historischen Ge- stalt: Sie handelt nicht von "Gesetzen", die in ihr kausal wirken, sondern von den Zwecken ("Werten"!!!), die in ihr als bestimmend gelten; sofern sie also mit "Gesetzen" zu tun hat, ist sie nicht nomo"thetisch", sondern allenfalls nomographisch.

Also ob man die Distinktion Diltheys oder Windelbands zugrundlegt, ist hier ganz wurscht. Freilich, dass es sich bei der "klassischen" Ökonomie um einer Geisteswissenschaft handelt, die sich als eine Natur wissenschaft missversteht - diese kritische Einsicht lässt sich mit Windelbands Begriffen klarer fassen.

22. 7. 88


 

Donnerstag, 15. Dezember 2016

Das heuristische Modell.


Antikythera-Mechanismus

Keineswegs ist das "wesentliche Neue" an der Dialektik, wenn sie rationell aufgefasst wird, dass sie - entgegen einer "statischen" formalen Logik - "das Dynamische" denkbar mache: Das tut sie nur in ihrer hegelisch mysti- fizierten Form, in welcher sie freilich das "Dynamische" gerade auch wieder aufhebt - und eben damit nicht denkbar macht...

denn tatsächlich ist das System der "Wechselbestimmung der Begriffe" ein System des Gleichgewichts, nicht der Entwicklung: Eines hält das Andere, und das Andere hält das Eine: Da ist gar kein Grund, oder wie Wittgenstein sagt, das ganze Haus trägt das Fundament.


"Das Dynamische" wird hingegen durch das dialektische "Modell" - um es geradeheraus zu sagen - in der Tat dargestgellt, nämlich per Negation: 'Ursprung' und 'Zusammenbruch' als die bestimmten Grenzen seiner Geltung.

Und der Moment seiner positiven Geltung ist dann gleichermaßen eine Art Grenzbestimmung: der "Punkt", wo sein noch-nicht-Gelten und sein schon-nicht-mehr-Gelten sich bestimmt die Waage halten; und dies macht vollends deutlich den transitorischen, nämlich rein instrumentalen, nämlich heuristischen Charakter des 'Modells': Mittel der Sinn-"Bestimmung" - aber Bestimmung hier nicht als Setzung, sondern lediglich als deren Darstellung; die Setzung selbst des Sinns ist "praktisch"; nicht diskursiv-vermittelt...

26. 6. 87



Nachtrag.

Das Kapital hat 3 Bände. Der erste stellt in einem abstrakten Modell dar, wie sich das Kapital im Produktions- prozess 'selbst setzt' - unter historisch gegebenen Bedingung, die außerhalb seiner liegen, aber im 1. Band doch dargestellt werden: die "sogenannte ursprüngliche Akkumulation". Der 2. Band stellt dar, wie sich das Kapital im Zirkulationsprozess 'als solches bestimmt': den Mehr wert realisiert. Der 3. Band stellt dar - wiederum in einem abstrakten Modell, unter Auslassung störender Kontingenzen - den "Gesamtprozess der kapitalistischen Produk- tion" als die Einheit von Produktions- und Zirkulationsprozess; und stellt dar seine historische Schranke: den Fall der Profitrate.

Zwischen den Polen 'ursprüngliche Akkumulation' und 'Fall der Profitrate' funktioniert das Modell. Beide Pole sind nicht begrifflicher, sondern faktischer Art und können im Modell daher nicht dargestellt werden. Das gilt nicht nur für die "ursprüngliche Akkumulation", sondern ebenso für den 'Fall der Profitrate' - für die sogar doppelt: Erstens, indem sich im Wertzuwachs des Fixen Kapitals der Gebrauch swert, der im Modell materialiter gar nicht vorkommt, als selber formbestimmend geltend macht; und zweitens, indem die Entscheidung, ob das abstrakte (=aus dem Begriff abgeleitete) 'Gesetz' überhaupt je aktuell wirksam wird, von Fakten abhängt, die vom 'gesetzgebenden' Modell überhaupt nicht vorhersehbar sind.

Darauf will ich hinaus: Die Kritik der Politischen Ökonomie ist - ein historisches Fach, und das macht die Kritik gerade aus: Die Politische Ökonomie selber verstand sich als seine nomothetische Disziplin: Vorangegangene Wirt- schaftsweisen wären historischen Verirrungen geschuldet; mit dem Markt setze sich endlich die wahre Art des Wirtschaftens durch, die ökonomischen Gesetze kämen zu freier Entfaltung. Dr. Quesnay, Smith und Ricardo bau- ten an Modellen.

Marx greift die Prämisse auf, zunächst gar nicht kritisch, sondern in der Absicht, das 'Modell' zu vervollständi- gen. Doch immerhin: Er betrachtet das Modell nicht als aus den Gesetzen hervorgegangen, sondern umgekehrt die Gesetze als dem Modell zugehörig. Er behandelt das Modell als ein Idion; als Eine historische Begebenheit,* und was er an 'Gesetzen' antrifft, entschlüsselt er als das wirkliche Handeln lebender Menschen unter den Be- dingungen dieser Begebenheit. Nicht, wie die Politische Ökonomie tat, nomothetisch, sondern idiographisch, wie es der Geschichtswissenschaftler tut. Er benutzt das Modell als eine heuristische Figur: apagogisch, um zu prü- fen, was es taugt. Es taugt nicht zum Verstehen, aber es taugt zum Verschleiern.

*) Das Modell kennt keine Zeit. Es gibt ein funktionales Nacheinander, aber keine Dauer. Es geschieht alles mit einem Mal. Das Modell ist nicht wirklich, es kann nur vorgestellt werden.








Mittwoch, 14. Dezember 2016

Apagogische Dialektik II.



Kapital kann also nicht aus der Zirkulation entspringen, und es kann ebensowenig aus der Zirkulation nicht entspringen. Es muss zugleich in ihr und nicht in ihr entspringen. 
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Das Kapital I, MEW 23, S. 180 


Das ist ein di-lemma: ein Wegweiser, der zugleich in zwei direkt entgegengesetzte Richtungen zeigt. Oder eine a-porie - eine Kluft, wo es 'keine Brücke' gibt?

Man muss die Reflexionsebene wechseln: Vielleicht findet sich bei höherer Abstraktion ein Gesichtspunkt, unter dem sich beide Aussagen vereinigen lassen. Auf dem gegenwärtigen Gesichtspunkt erscheinen Produk- tion und Zirkulation als zwei getrennte Bereiche: Die einzelne Ware befindet sich zuerst in dem einen und dann in dem andern. Betrachten wir aber den Gesamtprozess, dann handelt es sich nicht um eine Reihe von 'Schrit- ten', sondern um einen Fluss, in jedem zu betrachtenden Moment geschieht alles gleichzeitig und auf einmal: In der Wirklichkeit des Zeitverlaufs ist die bürgerliche Gesellschaft Produktions- und Zirkulationprozess zugleich. Auf diesem Standpunkt kann das Kapital aus der Zirkulation entspringen und nicht aus ihr entspringen.

So kann auch einer räsonnieren, der von Hegelscher Dialektik imprägniert ist: 'Auflösung des Widerspruchs in einer höheren Einheit'. Allerdings muss er, wenn er das System der bürgerlichen Gesellschaft betrachtet, still- schweigend von der spiritualistischen ('idealistischen', sagt Marx) Prämisse Abstand genommen haben, dass dieser Aufstieg in eine höhere Einheit von den Begriffen selbst besorgt würde. Es ist 'der Ökonom', der Kritiker der Politischen Ökonomie, der sich auf einen höheren Standpunkt begibt - und den ökonomischen Dogmatikern vorwirft, es nicht zu tun.


Marx hat, wie er beabsichtigte, die Dialektik der "Mystifikationen" entkleidet, die sie unter Hegels Hand erfahren hatte; befreit von dem Zusatz, durch den jener verschleiern wollte, dass das Original... bei Fichte geklaut war. Bei Fichte sind es nicht die Vorstellungen (die 'Begriffe' schon gar nicht), die sich vorwärtsbe- wegen, sondern es ist immer der Vorstellende, der handelt; und es ist 'der Philosoph', der seinen Vorgang reflektierend begleitet - und dabei von einer Abstraktionsebene zur nächsten aufsteigen muss.

Ursprünglich, bei Fichte, war Dialektik kritisch. Unter Hegel wurde sie dogmatisch. Bei Marx wird sie wieder kritisch.






Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE.

Dienstag, 13. Dezember 2016

Marx' apagogisches Verfahren.


Luca Giordano, Apoll häutet Marsyas

Wie also wird der regulirende Preis des Arbeitslohns bestimmt, der Preis um den seine Marktpreise oscilliren? 

Wir wollen sagen durch Nachfrage und Zufuhr von Arbeitskraft. Aber von welcher Nachfrage der Arbeitskraft handelt es sich? Von der Nachfrage des Kapitals. Die Nachfrage nach Arbeit ist also gleich der Zufuhr von Kapital. Um von Zufuhr von Kapital zu sprechen, müssen wir vor allem wissen, was Kapital ist. 

Woraus besteht das Kapital? Nehmen wir seine einfachste Erscheinung: Aus Geld und Waaren. Aber Geld ist bloß eine Form der Waare. Also aus Waaren. Aber der Werth der Waaren ist nach der Voraussetzung in erster Instanz bestimmt durch den Preis der sie producirenden Arbeit, den Arbeitslohn. Der Arbeitslohn wird hier vorausgesetzt und behandelt als konstituirendes Element des Preises der Waaren. 

Dieser Preis soll nun bestimmt werden, durch das Verhältniß der angebotnen Arbeit zum Kapital. Der Preis des Kapitals selbst ist gleich dem Preis der Waaren, woraus es besteht. Die Nachfrage des Kapitals nach Arbeit ist gleich der Zufuhr des Kapitals. Und die Zufuhr des Kapitals ist gleich der Zufuhr einer Waarensumme von gegebnem Preis, und dieser Preis ist in erster Instanz regulirt durch den Preis der Arbeit, und der Preis der Arbeit ist seinerseits wieder gleich dem Theil des Waarenpreises, woraus das variable Kapital besteht, das an den Arbeiter im Austausch für seine Arbeit abgetreten wird; und der Preis der Waaren, woraus dies variable Kapital besteht, ist selbst wieder in erster Reihe bestimmt durch den Preis der Arbeit; denn er ist bestimmt durch die Preise von Arbeitslohn, Profit und Rente. Um den Arbeitslohn zu bestimmen, können wir also nicht das Kapital voraussetzen, da der Werth des Kapitals selbst durch den Arbeitslohn mit bestimmt ist. /

Außerdem nützt uns das Hereinbringen der Konkurrenz nichts. Die Konkurrenz macht die Marktpreise der Arbeit steigen oder fallen. Aber gesetzt, Nachfrage und Zufuhr von Arbeit decken sich. Wodurch wird dann der Arbeitslohn bestimmt? Durch die Konkurrenz. Aber es ist eben vorausgesetzt, daß die Konkurrenz aufhört zu bestimmen, daß sie durch das Gleichgewicht ihrer beiden entgegenstrebenden Kräfte ihre Wirkung aufhebt. Wir wollen ja gerade den natürlichen Preis des Arbeitslohns finden, d. h. den Preis der Arbeit, der nicht von der Konkurrenz regulirt wird, sondern sie umgekehrt regulirt. 

Es bleibt nichts übrig als den nothwendigen Preis der Arbeit durch die nothwendigen Lebensmittel des Arbeiters zu bestimmen. Aber diese Lebensmittel sind Waaren, die einen Preis haben. Der Preis der Arbeit ist also durch den Preis der nothwendigen Lebensmittel bestimmt, und der Preis der Lebensmittel ist, wie der aller andern Waaren, in erster Linie durch den Preis der Arbeit bestimmt. Also ist der durch den Preis der Lebensmittel bestimmte Preis der Arbeit durch den Preis der Arbeit bestimmt. Der Preis der Arbeit ist durch sich selbst bestimmt. In andren Worten, wir wissen nicht, wodurch der Preis der Arbeit bestimmt ist. 

Die Arbeit hat hier überhaupt einen Preis, weil sie als Waare  betrachtet wird. Um also von dem Preis der Arbeit zu sprechen, müssen wir wissen, was Preis überhaupt ist. Aber was Preis überhaupt ist, erfahren wir auf diesem Wege erst recht nicht. 
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Das Kapital III, MEGA II/15,  S. 836f. [MEW 25, S. 871f.]


 

Kritik ist immer ad hominem.



Apagogik ist die naturgemäße Form der Kritik. 'Kritik' heißt: ein Gebäude ("System") von Aussagen auf seine Tragfähigkeit prüfen: seine Gründe aufsuchen und darüber urteilen, ob sie zureichend sind. Und das geht nun einmal nicht anders, als dass man es ausprobiert: d. h. die 'Gründe' zunächst einmal als solche voraussetzt und dann, Stein für Stein, darauf aufbaut. Dass die Gründe nicht reichen, um das Gebäude zu tragen, kann nur so bewiesen werden, dass man vorführt, wie es während des Bauens zusammenbricht: Es ist 'praktische' Demon- stration.

Kritik trägt darum immer - und zwar weil sie Überprüfung von etwas schon-Gesetztem ist; als Re-Kostruktion, kein 'positiver' Neu-Bau - den Charakter eines argumentum ad hominem: hat negativen Charakter; denn ihre Kon- klusionen (nämlich soweit sie sachlich 'positiv' sind) gelten immer nur für denjenigen, der die Voraussetzung gemacht hatte, die jetzt zum Hinfall gebracht wurde. 

(Seine sachlichen Ausssagen - das "Gebäude" - könnten ja dennoch "richtig" sein - nämlich aufgrund andrer Voraussetzungen; freilich nicht aufgrund dieser.)

13. 2. 88


Nachtrag. Eine theoretische Demonstration beweist positiv: Sie baut Stein für Stein auf. Führt sie zum Ziel, hat sie ihre These bewiesen, nämlich allgemein. Das apagogische Verfahen ist eine praktische Demonstation: Sie beweist nur negativ - lediglich in Hinblick auf das Besondere, das sie widerlegt.




Montag, 12. Dezember 2016

Apagogische Dialektik, oder: Freiheit ist Verschwendung.


Picasso, Bacchanal

Reichtum ist: die Zeit zu haben, etwas völlig Zweckloses zu tun, und darum ist "Reichtum" der Schlüsselbegriff der Kritik der Politischen Ökonomie - im Gegensatz zu "Wert" und "Arbeit": nicht die Verausgabung von Kraft, sondern Verschwendung: das ist Reichtum, Luxus, Freiheit... 

Dabei wäre also die Kritik eine Inquiry into the Very Nature of the Wealth Of Nations, weil nämlich der Begriff Reichtum als Leerformel übernommen wird: Es wird gewissermaßen "konzediert", dass es einen wissenschaft- lich identifizierbaren Bereich namens 'die Ökonomie' gebe, dessen Inhalt 'Erzeugung und Verteilung des Reich- tums' sei - "was immer man auch einstweilen darunter verstehen wolle..."  

Der apagogische Charakter der Darlegung sieht so aus:

1. Es gibt ein identifizierbares Reich 'des Ökonomischen';

2. dessen Inhalt ist: Wesen und Ursache (=Produktion) des 'Reichtums'; 

3. Reichtum ist Tauschwert und Tauschwert ist Arbeit.

Das sind die dogmatischen Pfeiler der Politischen Ökonomie. Und die konzediert M. am Eingang seiner Dar- stellung (tatsächlich am Eingang seiner Untersuchung selbst), und dann widerlegt er die Bestimmung des Reich- tums als "Wert"="Arbeit" durch eine consecutio ad absurdum: Er "reitet das Argument zu Tode", indem er die Konsequenzen in den Widerspruch zu den Prämissen treibt: Das ist die Standardform apagogischer Beweisführung: eine Demonstration "ex concessis", aber keineswegs so, dass der Gegner auf Argumente festgelegt wird, die er mir zugeben muss, sondern so, dass ich ihm seine Prämissen einräume, und vorführe. dass auf diesem "Grund" kein Gebäude zu errichten ist.

Konkret: dass der Reichtum nicht (Wert=) Arbeit ist, sondern im Gegenteil der Überfluss im Gegensatz zur Arbeit (welche 'notwendige', 'naturbestimmte' Tätigkeit ist, nicht 'freie'='selbstbestimmende').

Es liegt aber in der Natur des apagogischen Beweises, dass er zwar in concreto widerlegt, aber nicht - wo er positiv ist - seinen eigenen 'Standpunkt' (positio) 'begründet'; abstrakt ist: rein formal, "lemmatisch".

Also: Es zeigt sich, dass der 'Inhalt' des 'Reichtums' nicht, wie bei Smith/Ricardo, "Arbeit" ist, sondern 'Frei- heit'; aber wo also "Bestimmung nach Naturgesetzen aufhört, da hört auch alle Erklärung auf, und es bleibt nichts übrig, als Verteidigung, d.i. Abtreibung der Einwürfe derer, die tiefer in das Wesen der Dinge geschaut zu haben vorgeben, und darum die Freiheit dreust vor unmöglich erklären." Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten, B/A 121

So Vilfredo Pareto: "Le Capital n'st, par rapport au reste de l'oeuvre de Marx, qu'un appendice destiné à débla- yer le terrain des objections qu'on pourrait faire à la doctrine [communiste] en se fondant sur l'économie politi- que." (zit. nach Alain Barrère, Histoire de la pensée économique et analyse contemporaines, Paris 1974, S. 433)

[ Wobei zu beachten, dass M. am Beginn seiner kritischen Arbeit - teste Grundrisse bis "ursprüngliche Akkumu- lation" - die Prämissen - "Kategorien" - der Politischen Ökonomie nicht "zum Schein", sondern allen Ernstes eingeräumt hat: Er hat sich daran gemacht, "das Kapital" aus "dem Wert" [="der Arbeit"] zu "erklären" - und es ist ihm nicht gelungen - weil er auf das Faktum der Unfreiheit = 'Notdurft' = "urspüngliche Akkumulation" gesto- ßen ist!]

- Freileich: Wenn der 'Reichtum' nun nicht mehr positiv bestimmt ist, nicht (mehr) "konkret" erscheint, geht es auch nicht an, ihn als besonderen Bereich der "menschlichen Lebenstätigkeit" aufzufassen. Er ist dann aufgelöst ins Allgemeine: 'Setzen der Freiheit', und ergo verliert "die Ökonomie" ihren Status als besondere Wissenschaft - und wird zur Propädeutik der Geschichtswissenschaft (welche die einzige ist, die "wir kennen", cf. Deutsche Ideologie) - insofern in ihr die "Anatomie der bürgerliche Gesellschaft" erscheint; sofern diese nämlich 'naturwüchsiges' Pro- dukt der 'Notdurft' ist; während die jedoch zugleich 'als' Produkt der Freiheit 'gelten' soll, d.h. "praktisch": es werden soll.

23. 11. 88 


Nachtrag. Eine theoretische Wissenschaft 'Politische Ökonomie' gibt es seither tatsächlich nicht mehr. Was jeweils als 'Volkswirtschaftslehre' o. ä. firmiert, ist eine Art Wirtschaftspolitologie; eine technische Disziplin, die mehr oder minder mathematisierte Modelle entwirft, die es den Regierungen erlauben sollen, auf den Wirt- schaftsverlauf gezielten Einfluss zu nehmen. Bisher hat noch jede die in sie gesetzten Erwartungen enttäuscht.
JE

 
 

Sonntag, 11. Dezember 2016

Die Metakritik der Politischen Ökonomie.


M. C. Escher, Wasserfall

Selbstverständlich kann man die Kritik der Politischen Ökonomie ihrerseits widerum als eine theoretische Wissenschaft auffassen... 

...keine 'Objekt'-Wissenschaft, sondern eine 'Meta'-Wissenschaft.

Als solche... ist sie eo ipso Kritik, und wenn die Kritik 'radikal' ist..., dan geht sie jener 'Realwissenschaft' auf den Grund. 


Und der Grund einer Wissenschaft ist niemals 'immanent', sondern liegt außerhalb derselben, liegt "vor" ihr - denn sonst läge er ihr nicht "zu Grunde": Nicht die Wissenschaft selber begründet ihre Voraussetzuungen, sondern die Voraussetzungen - die von woanders her stammen - begründen eine Wissenschaft. Dieser 'Grund' ist immer intentio, "Absicht"; er wird immer nicht "gewusst", sondern "gemeint": Er wird postuliert.

Die 'Wissenschaft von einer Wissenschaft' geht jener, wenn sie radikal ist, auf den Grund: verfolgt einen vorliegenden theoretischen Diskurs "rückwärts" bis hin zu dem ihm logisch 'zu Grunde liegenden' Postulat.

Die Setzhung des Postulats, der theoretischen Absicht, geschieht "aus Freiheit". Sie ist also praktisch. Und dar- um ist die Meta-Wissenschaft, qua Kritik, eine praktische Disziplin; handelt nicht von dem, was ist, sondern von dem, was 'gilt': was ein soll.

Der Grund-Satz der Politischen Ökonomie, ihre postulierte logische Voraussetzung als positive, als Real wis- senschaft, ist der bei den Physiokraten noch unverhohlen ausgesprochene Satz: 'Die Ökonomie' ist ein in sich selbst begründetes geschlossenes System: ist ein vollkommener Kreislauf. Seiner wissenschaftlichen Naivität entkleidet lautet dieser Satz: 'Die Ökonomie' soll sein ein in sich selbst begründeter Kreislauf; oder: sie gilt uns als...; sie soll dargestellt werden als... 

Also die Absicht, die der Theorie zu Grunde liegt, ist die, 'die Ökonomie' als in sich selber begründet darzu- stellen; sie soll als begründet gelten; oder: so, wie sie ist, soll sie gelten. Oder kurz, so wie es ist, soll es sein. Bezie- hungsweise, die bürgerliche Gesellschaft ist gerechtfertigt.

Inhalt der Kritik der Politischen Ökonomie ist: darzustellen, dass die - bei Ricardo schon nicht einmal mehr ausgesprochene, stillschweigend, "selbstverständlich", enthymemisch vorausgesetzte - Auffassung der 'Ökono- mie' als ein logisch wie historisch geschlossenes System auf der Absicht beruht, die bürgerliche Gesellschaft zu rechtfertigen. 

Aber sofern die Kritik der Politischen Ökonomie selber Wissenschaft ist, ist sie ihrerseits 'begründet' - in einem logischen Postulat, in einer praktischen Absicht. Und dieses logische Postulat heißt: Die Geschichte soll gelten als der Sprung aus der Notwendigkeit in die Freiheit. Und das ist nur die logische Formulierung der praktischen Absicht: Wer ein Mensch ist, soll frei sein.

Diese theoretische Darstellung der 'Kritik' ist ihrerseits Meta-Theorie.

Die theoretische Darstellung der Kritik der Politischen Ökonomie aus ihrem logischen Grund heraus; die Darstellung ihres logischen Grundes als ein Postulat, als praktische Absicht - ist die Metakritik der Politischen Ökonomie. Und "es zeigt sich", dass die Metakritik der Politischen Ökonomie "übereinstimmt" mir, "nichts anderes ist" als - die Wissenschaftslehre.

29. 11. 89