Dienstag, 13. Dezember 2016

Marx' apagogisches Verfahren.


Luca Giordano, Apoll häutet Marsyas

Wie also wird der regulirende Preis des Arbeitslohns bestimmt, der Preis um den seine Marktpreise oscilliren? 

Wir wollen sagen durch Nachfrage und Zufuhr von Arbeitskraft. Aber von welcher Nachfrage der Arbeitskraft handelt es sich? Von der Nachfrage des Kapitals. Die Nachfrage nach Arbeit ist also gleich der Zufuhr von Kapital. Um von Zufuhr von Kapital zu sprechen, müssen wir vor allem wissen, was Kapital ist. 

Woraus besteht das Kapital? Nehmen wir seine einfachste Erscheinung: Aus Geld und Waaren. Aber Geld ist bloß eine Form der Waare. Also aus Waaren. Aber der Werth der Waaren ist nach der Voraussetzung in erster Instanz bestimmt durch den Preis der sie producirenden Arbeit, den Arbeitslohn. Der Arbeitslohn wird hier vorausgesetzt und behandelt als konstituirendes Element des Preises der Waaren. 

Dieser Preis soll nun bestimmt werden, durch das Verhältniß der angebotnen Arbeit zum Kapital. Der Preis des Kapitals selbst ist gleich dem Preis der Waaren, woraus es besteht. Die Nachfrage des Kapitals nach Arbeit ist gleich der Zufuhr des Kapitals. Und die Zufuhr des Kapitals ist gleich der Zufuhr einer Waarensumme von gegebnem Preis, und dieser Preis ist in erster Instanz regulirt durch den Preis der Arbeit, und der Preis der Arbeit ist seinerseits wieder gleich dem Theil des Waarenpreises, woraus das variable Kapital besteht, das an den Arbeiter im Austausch für seine Arbeit abgetreten wird; und der Preis der Waaren, woraus dies variable Kapital besteht, ist selbst wieder in erster Reihe bestimmt durch den Preis der Arbeit; denn er ist bestimmt durch die Preise von Arbeitslohn, Profit und Rente. Um den Arbeitslohn zu bestimmen, können wir also nicht das Kapital voraussetzen, da der Werth des Kapitals selbst durch den Arbeitslohn mit bestimmt ist. /

Außerdem nützt uns das Hereinbringen der Konkurrenz nichts. Die Konkurrenz macht die Marktpreise der Arbeit steigen oder fallen. Aber gesetzt, Nachfrage und Zufuhr von Arbeit decken sich. Wodurch wird dann der Arbeitslohn bestimmt? Durch die Konkurrenz. Aber es ist eben vorausgesetzt, daß die Konkurrenz aufhört zu bestimmen, daß sie durch das Gleichgewicht ihrer beiden entgegenstrebenden Kräfte ihre Wirkung aufhebt. Wir wollen ja gerade den natürlichen Preis des Arbeitslohns finden, d. h. den Preis der Arbeit, der nicht von der Konkurrenz regulirt wird, sondern sie umgekehrt regulirt. 

Es bleibt nichts übrig als den nothwendigen Preis der Arbeit durch die nothwendigen Lebensmittel des Arbeiters zu bestimmen. Aber diese Lebensmittel sind Waaren, die einen Preis haben. Der Preis der Arbeit ist also durch den Preis der nothwendigen Lebensmittel bestimmt, und der Preis der Lebensmittel ist, wie der aller andern Waaren, in erster Linie durch den Preis der Arbeit bestimmt. Also ist der durch den Preis der Lebensmittel bestimmte Preis der Arbeit durch den Preis der Arbeit bestimmt. Der Preis der Arbeit ist durch sich selbst bestimmt. In andren Worten, wir wissen nicht, wodurch der Preis der Arbeit bestimmt ist. 

Die Arbeit hat hier überhaupt einen Preis, weil sie als Waare  betrachtet wird. Um also von dem Preis der Arbeit zu sprechen, müssen wir wissen, was Preis überhaupt ist. Aber was Preis überhaupt ist, erfahren wir auf diesem Wege erst recht nicht. 
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Das Kapital III, MEGA II/15,  S. 836f. [MEW 25, S. 871f.]


 

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