Die permanente Revolution.

Paris 1871

Ansprache der Zentralbehörde an den Bund
März 1850

1850 als Rundschreiben verbreitet

in Karl Marx u. Friedrich Engels, Werke, Bd.7, Berlin/DDR. S.244-254.

Brüder! 

In den beiden Revolutionsjahren 1848/49 hat sich der Bund in doppelter Weise bewährt; einmal dadurch, daß seine Mitglieder an allen Orten energisch in die Bewegung eingriffen, daß sie in der Presse, auf den Barrikaden und Schlachtfeldern voranstanden in den Reihen der allein entschieden revolutionären Klasse des Proletariats. Der Bund hat sich ferner dadurch bewährt, daß seine Auffassung der Bewegung, wie sie in den Rundschreiben der Kongresse und der Zentralbehörde von 1847 und im Kommunistischen Manifeste niedergelegt war, als die einzig richtige sich erwiesen hat, daß die in jenen Aktenstücken ausgesprochenen Erwartungen sich vollständig erfüllten und die früher vom Bunde nur im geheimen propagierte Auffassung der heutigen Gesellschaftszustände jetzt im Munde der Völker ist und auf den Märkten öffentlich gepredigt wird. 

Zu gleicher Zeit wurde die frühere feste Organisation des Bundes bedeutend gelockert. Ein großer Teil der Mitglieder, in der revolutionären Bewegung direkt beteiligt, glaubte die Zeit der geheimen Gesellschaften vorüber und das öffentliche Wirken allein hinreichend. Die einzelnen Kreise und Gemeinden ließen ihre Verbindungen mit der Zentralbehörde erschlaffen und allmählich einschläfern. Während also die demokra- tische Partei, die Partei der Kleinbürgerschaft, sich in Deutschland immer mehr organisierte, verlor die Arbei- terpartei ihren einzigen festen Halt, blieb höchstens in einzelnen Lokalitäten zu lokalen Zwecken organisiert und geriet dadurch in der allgemeinen Bewegung vollständig unter die Herrschaft und Leitung der kleinbürgerlichen Demokraten. Diesem Zustande muß ein Ende gemacht, die Selbständigkeit der Ar- beiter muß hergestellt werden. Die Zentralbehörde begriff diese Notwendigkeit und schickte deshalb schon im Winter 1848/49 einen Emissär, Joseph Moll, zur Reorganisation des Bundes nach Deutschland. Die Mission Molls blieb indes ohne nachhaltige Wirkung, teils weil die deutschen Arbeiter damals noch nicht Erfahrungen genug gemacht hatten, teils weil die Insurrektion vom vorigen Mai sie unterbrochen. Moll selbst griff zur Muskete, trat in die badisch-pfälzische Armee und fiel am 29. Juni in dem Treffen an der Murg. Der Bund verlor in ihm eines seiner ältesten, tätigsten und zuverlässigsten Mitglieder, das bei allen Kongressen und Zentralbehörden tätig gewesen war und schon früher eine Reihe von Missionsreisen mit großem Erfolg ausgeführt hatte. Nach der Niederlage der revolutionären Parteien Deutschlands und Frankreichs im Juli 1849 haben sich fast alle Mitglieder der Zentralbehörde in London wieder zusam- mengefunden, sich mit neuen revolutionären Kräften ergänzt und mit erneutem Eifer die Reorganisation des Bundes betrieben.

Die Reorganisation kann nur durch einen Emissär erfolgen, und die Zentralbehörde hält für höchst wichtig, daß der Emissär gerade in diesem Augenblicke abgeht, wo eine neue Revolution bevorsteht, wo die Arbei- terpartei also möglichst organisiert, möglichst einstimmig und möglichst selbständig auftreten muß, wenn sie nicht wieder wie 1848 von der Bourgeoisie exploitiert und ins Schlepptau genommen werden soll.

Wir sagten Euch, Brüder, schon im Jahre 1848, daß die deutschen liberalen Bourgeois bald zur Herrschaft kommen und ihre neuerrungene Macht sofort gegen die Arbeiter kehren würden. Ihr habt gesehen, wie dies in Erfüllung gegangen ist. In der Tat waren es die Bourgeois, die nach der Märzbewegung 1848 sofort Be- sitz von der Staatsgewalt ergriffen und diese Macht dazu benutzten, die Arbeiter, ihre Bundesgenossen im Kampfe, sogleich in die frühere unterdrückte Stellung zurückzudrängen. Konnte die Bourgeoisie dies nicht durchführen, ohne sich mit der im März beseitigten feudalen Partei zu verbinden, ohne schließlich sogar dieser feudalen absolutistischen Partei die Herrschaft wieder abzutreten, so hat sie sich doch Bedingungen gesichert, die ihr auf die Dauer durch die Finanzverlegenheiten der Regierung die Herrschaft in die Hände spielen und alle ihre Interessen sicherstellen würden, wäre es möglich, daß die revolutionäre Bewegung schon jetzt in eine sogenannte friedliche Entwicklung verliefe. Die Bourgeoisie würde sogar, um ihre Herrschaft zu sichern, nicht einmal nötig haben, sich durch Gewaltmaßregeln gegen das Volk verhaßt zu machen. da alle diese Gewaltschritte schon durch die feudale Kontrerevolution vollführt sind. Die Ent- wicklung wird aber diesen friedlichen Gang nicht nehmen. Die Revolution, welche sie beschleunigen wird, steht im Gegenteil nahe bevor, sei es, daß sie hervorgerufen wird durch eine selbständige Erhebung des französischen Proletariats oder durch die Invasion der Heiligen Allianz gegen das revolutionäre Babel.


Und die Rolle, die die deutschen liberalen Bourgeois 1848 gegenüber dem Volke gespielt haben, diese so verräterische Rolle, wird in der bevorstehenden Revolution übernommen von den demokratischen Klein- bürgern, die jetzt in der Opposition dieselbe Stellung einnehmen wie die liberalen Bourgeois vor 1848. Diese Partei, die demokratische, die den Arbeitern weit gefährlicher ist als die frühere liberale, besteht aus drei Elementen.

I. Aus den fortgeschrittensten Teilen der großen Bourgeoisie, die den sofortigen vollständigen Sturz des Feudalismus und Absolutismus als Ziel verfolgen. Diese Fraktion wird vertreten durch die ehemaligen Berliner Vereinbarer, durch die Steuerverweigerer.

II. Aus den demokratisch-konstitutionellen Kleinbürgern, deren Hauptzweck während der bisherigen Bewegung die Herstellung eines mehr oder minder demokratischen Bundesstaats war, wie er von ihren Vertretern, der Linken der Frankfurter Versammlung und später dem Stuttgarter Parlament, und von ihnen selbst in der Reichsverfassungskampagne angestrebt wurde.

III. Aus den republikanischen Kleinbürgern, deren Ideal eine deutsche Föderativrepublik nach Art der Schweiz ist und die sich jetzt rot und sozial-demokratisch nennen, weil sie den frommen Wunsch hegen, den Druck des großen Kapitals auf das kleine, des großen Bourgeois auf den Kleinbürger abzuschaffen. Die Vertreter dieser Fraktion waren die Mitglieder der demokratischen Kongresse und Komitees, die Leiter der demokratischen Vereine, die Redakteure der demokratischen Zeitungen.

Alle diese Fraktionen nennen sich jetzt nach ihrer Niederlage Republikaner oder Rote, grade wie sich jetzt in Frankreich die republikanischen Kleinbürger Sozialisten nennen. Wo, wie in Württemberg, Bayern etc., sie noch Gelegenheit finden, ihre Zwecke auf konstitutionellem Wege zu verfolgen, ergreifen sie die Gele- genheit, ihre alten Phrasen beizubehalten und durch die Tat zu beweisen. daß sie sich nicht im mindesten geändert haben. Es versteht sich übrigens, daß der veränderte Name dieser Partei gegenüber den Arbeitern nicht das mindeste ändert, sondern bloß beweist, daß sie nun gegen die mit dem Absolutismus vereinigte Bourgeoisie Front machen und sich aufs Proletariat stützen muß.

Die kleinbürgerlich-demokratische Partei in Deutschland ist sehr mächtig, sie umfaßt nicht nur die große Mehrheit der bürgerlichen Einwohner der Städte, die kleinen industriellen Kaufleute und die Gewerksmei- ster, sie zählt in ihrem Gefolge die Bauern und das Landproletariat, solange dies noch nicht in dem selbst- ständigen Proletariat der Städte eine Stütze gefunden hat.

Das Verhältnis der revolutionären Arbeiterpartei zur kleinbürgerlichen Demokratie ist dies: Sie geht mit ihr zusammen gegen die Fraktion, deren Sturz sie bezweckt; sie tritt ihnen gegenüber in allem, wodurch sie sich für sich selbst festsetzen wollen.

Die demokratischen Kleinbürger, weit entfernt, für die revolutionären Proletarier die ganze Gesellschaft umwälzen zu wollen, erstreben eine Änderung der gesellschaftlichen Zustände, wodurch ihnen die beste- hende Gesellschaft möglichst erträglich und bequem gemacht wird. Sie verlangen daher vor allem Vermin- derung der Staatsausgaben durch Beschränkung der Bürokratie und Verlegung der Hauptsteuer auf die großen Grundbesitzer und Bourgeois. Sie verlangen ferner die Beseitigung des Drucks des großen Kapitals auf das kleine durch öffentliche Kreditinstitute und Gesetze gegen den Wucher, wodurch es ihnen und den Bauern möglich wird, Vorschüsse von dem Staat statt von den Kapitalisten zu günstigen Bedingungen zu erhalten; ferner Durchführung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse auf dem Lande durch vollständige Beseitigung des Feudalismus. Um dieses alles durchzuführen, bedürfen sie einer demokratischen, sei es konstitutionellen oder republikanischen, Staatsverfassung, die ihnen und ihren Bundesgenossen, den Bau- ern, die Majorität gibt, und einer demokratischen Gemeindeverfassung, die die direkte Kontrolle über das Gemeindeeigentum und eine Reihe von Funktionen in ihre Hand gibt, die jetzt von den Bürokraten aus- geübt werden.

Der Herrschaft und raschen Vermehrung des Kapitals soll ferner teils durch Beschränkung des Erbrechts, teils durch Überweisung möglichst vieler Arbeiten an den Staat entgegengearbeitet werden. Was die Arbei- ter angeht, so steht vor allem fest, daß sie Lohnarbeiter bleiben sollen wie bisher, nur wünschen die demo- kratischen Kleinbürger den Arbeitern besseren Lohn und eine gesichertere Existenz und hoffen dies durch teilweise Beschäftigung von seiten des Staates und durch Wohltätigkeitsmaßregeln zu erreichen, kurz, sie hoffen die Arbeiter durch mehr oder minder versteckte Almosen zu bestechen und ihre revolutionäre Kraft durch momentane Erträglichmachung ihrer Lage zu brechen. Die hier zusammengefaßten Forderungen der kleinbürgerlichen Demokratie werden nicht von allen Fraktionen derselben zugleich vertreten und schwe- ben in ihrer Gesamtheit den wenigsten Leuten derselben als bestimmtes Ziel vor. Je weiter einzelne Leute oder Fraktionen unter ihnen gehen, desto mehr werden sie von diesen Forderungen zu den ihrigen machen, und die wenigen, die in Vorstehendem ihr eigenes Programm sehen, würden glauben, damit aber auch das Äußerste aufgestellt zu haben, was von der Revolution zu verlangen ist. Diese Forderungen können der Partei des Proletariats aber keineswegs genügen. Während die demokratischen Kleinbürger die Revolution möglichst rasch und unter Durchführung höchstens der obigen Ansprüche zum Abschlusse bringen wollen, ist es unser Interesse und unsere Aufgabe, die Revolution permanent zu machen, so lange, bis alle mehr oder weniger besitzenden Klassen von der Herrschaft verdrängt sind, die Staatsgewalt vom Proletariat er- obert und die Assoziation der Proletarier nicht nur in einem Lande, sondern in allen herrschenden Ländern der ganzen Welt so weit vorgeschritten ist, daß die Konkurrenz der Proletarier in diesen Ländern aufgehört hat und daß wenigstens die entscheidenden produktiven Kräfte in den Händen der Proletarier konzentriert sind. Es kann sich für uns nicht um Veränderung des Privateigentums handeln, sondern nur um seine Ver- nichtung, nicht um Vertuschung der Klassengegensätze, sondern um Aufhebung der Klassen, nicht um Verbesserung der bestehenden Gesellschaft, sondern um Gründung einer neuen.

Daß die kleinbürgerliche Demokratie während der weiteren Entwicklung der Revolution für einen Augen- blick den überwiegenden Einfluß in Deutschland erhalten wird, unterliegt keinem Zweifel. Es fragt sich also, was die Stellung des Proletariats und speziell des Bundes ihr gegenüber sein wird

1. Im gegenwärtigen Augenblicke, wo die demokratischen Kleinbürger überall unterdrückt sind, predigen sie dem Proletariat im allgemeinen Einigung und Versöhnung, sie bieten ihm die Hand und streben nach der Herstellung einer großen Oppositionspartei, die alle Schattierungen in der demokratischen Partei um- faßt, das heißt, sie streben danach, die Arbeiter in eine Parteiorganisation zu verwickeln, in der die allge- mein sozial-demokratischen Phrasen vorherrschend sind, hinter welchen ihre besonderen Interessen sich verstecken und in der die bestimmten Forderungen des Proletariats um des liebe Friedens willen nicht vor- gebracht werden dürfen. Eine solche Vereinigung würde allein zu ihrem Vorteile und ganz zum Nachteile des Proletariats ausfallen. Das Proletariat würde seine ganze selbständige, mühsam erkaufte Stellung ver- lieren und wieder zum Anhängsel der offiziellen bürgerlichen Demokratie herabsinken. Diese Vereinigung muß also auf das entschiedenste zurückgewiesen werden. Statt sich abermals dazu herabzulassen, den bür- gerlichen Demokraten als beifallklatschender Chor zu dienen, müssen die Arbeiter, vor allem der Bund, dahin wirken, neben den offiziellen Demokraten eine selbständige geheime und öffentliche Organisation der Arbeiterpartei herzustellen und jede Gemeinde zum Mittelpunkt und Kern von Arbeitervereinen zu machen, in denen die Stellung und Interessen des Proletariats unabhängig von bürgerlichen Einflüssen diskutiert werden. Wie wenig es den bür- gerlichen Demokraten mit einer Allianz ernst ist, in der die Pro- letarier ihnen mit gleicher Macht und gleichen Rechten zur Seite stehen, zeigen zum Beispiel die Breslauer Demokraten, die in ihrem Organ, der Neuen Oder-Zeitung, die selbständig organisierten Arbeiter, die sie Sozialisten titulieren, aufs wütendste verfolgen. Für den Fall eines Kampfes gegen einen gemeinsamen Gegner braucht es keiner besonderen Vereinigung. Sobald ein solcher Gegner direkt zu bekämpfen ist, fallen die Interessen beider Parteien für den Moment zusammen. und wie bisher wird sich auch in Zukunft diese nur für den Augenblick berechnete Verbindung von selbst herstellen. Es versteht sich, daß bei den bevorstehenden blutigen Konflikten, wie bei allen früheren, die Arbeiter durch ihren Mut, ihre Entschie- denheit und Aufopferung hauptsächlich den Sieg werden zu erkämpfen haben. 

Wie bisher werden auch in diesem Kampfe die Kleinbürger in Masse sich solange wie möglich zaudernd, unschlüssig und untätig verhalten, um dann, sobald der Sieg entschieden ist, ihn für sich in Beschlag zu nehmen, die Arbeiter zur Ruhe und Heimkehr an ihre Arbeit aufzufordern, sogenannte Exzesse zu verhüten und das Proletariat von den Früchten des Sieges auszuschließen. Es liegt nicht in der Macht der Arbeiter, den kleinbürgerlichen Demokraten dies zu verwehren, aber es liegt in ihrer Macht, ihnen das Aufkommen gegenüber dem bewaffneten Proletariat zu erschweren und ihnen solche Bedingungen zu diktieren, daß die Herrschaft der bürgerlichen Demokraten von vornherein den Keim des Unterganges in sich trägt und ihre spätere Verdrängung durch die Herrschaft des Proletariats bedeutend erleichtert wird. Die Arbeiter müssen vor allen Dingen während des Konfliktes und unmittelbar nach dem Kampfe, soviel nur irgend möglich, der bürgerlichen Abwiegelung entgegenwirken und die Demokraten zur Ausführung ihrer jetzigen terrori- stischen Phrasen zwingen. Sie müssen dahin arbeiten, daß die unmittelbare revolutionäre Aufregung nicht sogleich nach dem Siege wieder unterdrückt wird. Sie müssen sie im Gegenteil solange wie möglich auf- rechterhalten. Weit entfernt, den sogenannten Exzessen, den Exempeln der Volksrache an verhaßten Indivi- duen oder öffentlichen Gebäuden, an die sich nur gehässige Erinnerungen knüpfen, entgegenzutreten, muß man diese Exempel nicht nur dulden, sondern ihre Leitung selbst in die Hand nehmen. 

Während des Kampfes und nach dem Kampf müssen die Arbeiter neben den Forderungen der bürgerlichen Demokraten ihre eigenen Forderungen bei jeder Gelegenheit aufstellen. Sie müssen Garantien für die Arbe- iter verlangen, sobald die demokratischen Bürger sich anschicken, die Regierung in die Hand zu nehmen. Sie müssen sich diese Garantien nötigenfalls erzwingen und überhaupt dafür sorgen, das die neuen Regierer sich zu allen nur möglichen Konzessionen und Versprechungen verpflichten – das sicherste Mittel, sie zu kompromittieren. Sie müssen überhaupt den Siegesrausch und die Begeisterung für den neuen Zustand, der nach jedem siegreichen Straßenkampf eintritt, in jeder Weise durch ruhige und kaltblütige Auffassung der Zustände und durch unverhohlenes Mißtrauen gegen die neue Regierung so sehr wie möglich zurückhalten. Sie müssen neben den neuen offiziellen Regierungen zugleich eigene revolutionäre Arbeiterregierungen, sei es in der Form von Gemeindevorständen, Gemeinderäten, sei es durch Arbeiterklubs oder Arbeiterko- mitees, errichten, so daß die bürgerlichen demokratischen Regierungen nicht nur sogleich den Rückhalt an den Arbeitern verlieren, sondern sich von vornherein von Behörden überwacht und bedroht sehen, hinter denen die ganze Masse der Arbeiter steht. Mit einem Worte: Vom ersten Augenblicke des Sieges an muß sich das Mißtrauen nicht mehr gegen die besiegte reaktionäre Partei, sondern gegen ihre bisherigen Bun- desgenossen, gegen die Partei richten, die den gemeinsamen Sieg allein exploitieren will.

2. Um aber dieser Partei, deren Verrat an den Arbeitern mit der ersten Stunde des Sieges anfangen wird, energisch und drohend entgegentreten zu können, müssen die Arbeiter bewaffnet und organisiert sein. Die Bewaffnung des ganzen Proletariats mit Flinten, Büchsen, Geschützen und Munition muß sofort durchge- setzt, der Wiederbelebung der alten, gegen die Arbeiter gerichteten Bürgerwehr muß entgegengetreten werden. Wo dies letztere aber nicht durchzusetzen ist, müssen die Arbeiter versuchen, sich selbständig als proletarische Garde, mit selbstgewählten Chefs und eigenem selbstgewählten Generalstabe zu organisieren und unter den Befehl, nicht der Staatsgewalt, sondern der von den Arbeitern durchgesetzten revolutionären Gemeinderäte zu treten. Wo Arbeiter für Staatsrechnung beschäftigt werden, müssen sie ihre Bewaffnung und Organisation in ein besonderes Korps mit selbstgewählten Chefs oder als Teil der proletarischen Garde durchsetzen. Die Waffen und die Munition dürfen unter keinem Vorwand aus den Händen gegeben, jeder Entwaffnungsversuch muß nötigenfalls mit Gewalt vereitelt werden. Vernichtung des Einflusses der bür- gerlichen Demokraten auf die Arbeiter, sofortige selbständige und bewaffnete Organisation der Arbeiter und Durchsetzung möglichst erschwerender und kompromittierender Bedingungen für die augenblickliche unvermeidliche Herrschaft der bürgerlichen Demokratie, das sind die Hauptpunkte, die das Proletariat und somit der Bund während und nach dem bevorstehenden Aufstand im Auge zu behalten hat.

3. Sobald die neuen Regierungen sich einigermaßen befestigt haben, wird ihr Kampf gegen die Arbeiter sofort beginnen. Um hier den demokratischen Kleinbürgern mit Macht entgegentreten zu können, ist es vor allem nötig, daß die Arbeiter in Klubs selbständig organisiert und zentralisiert sind. Die Zentralbehörde wird sich, sobald dies irgend möglich ist, nach dem Sturze der bestehenden Regierungen nach Deutschland begeben, sofort einen Kongreß berufen und diesem die nötigen Vorlagen wegen der Zentralisation der Ar- beiterklubs unter einer im Hauptsitze der Bewegung etablierten Direktion machen. Die rasche Organisa- tion, wenigstens einer provinziellen Verbindung der Arbeiterklubs ist einer der wichtigsten Punkte zur Stärkung und Entwicklung der Arbeiterpartei; die nächste Folge des Sturzes der bestehenden Regierungen wird die Wahl einer Nationalvertretung sein. Das Proletariat muß hier dafür sorgen:

I. daß durch keinerlei Schikanen von Lokalbehörden und Regierungskommissarien eine Anzahl Arbeiter unter irgendeinem Vorwand ausgeschlossen wird;


II. daß überall neben den bürgerlichen demokratischen Kandidaten Arbeiterkandidaten aufgestellt werden, die möglichst aus Bundesmitgliedern bestehen müssen und deren Wahl mit allen möglichen Mitteln zu be- treiben ist. Selbst da, wo gar keine Aussicht zu ihrer Durchführung vorhanden ist, müssen die Arbeiter ihre eigenen Kandidaten aufstellen, um ihre Selbständigkeit zu bewahren, ihre Kräfte zu zählen, ihre revolutio- näre Stellung und Parteistandpunkte vor die Öffentlichkeit zu bringen. Sie dürfen sich hierbei nicht durch die Redensarten der Demokraten bestechen lassen, wie z.B., dadurch spalte man die demokratische Partei und gebe der Reaktion die Möglichkeit zum Siege. Bei allen solchen Phrasen kommt es schließlich darauf hinaus, daß das Proletariat geprellt werden soll. Die Fortschritte, die die proletarische Partei durch ein sol- ches unabhängiges Auftreten machen muß, sind unendlich wichtiger als der Nachteil, den die Gegenwart einiger Reaktionäre in der Vertretung erzeugen könnte. Tritt die Demokratie von vornherein entschieden und terroristisch gegen die Reaktion auf, so ist deren Einfluß bei den Wahlen schon im voraus vernichtet.

Der erste Punkt, bei dem die bürgerlichen Demokraten mit den Arbeitern in Konflikt kommen werden, wird die Aufhebung des Feudalismus sein; wie in der ersten französischen Revolution werden die Kleinbürger die feudalen Ländereien den Bauern als freies Eigentum geben, das heißt das Landproletariat bestehenlas- sen und eine kleinbürgerliche Bauernklasse bilden wollen, die denselben Kreislauf der Verarmung und Ver- schuldung durch macht, worin jetzt der französische Bauer noch begriffen ist.

Die Arbeiter müssen diesem Plane im Interesse des Landproletariats und in ihrem eigenen Interesse entge- gentreten. Sie müssen verlangen, daß das konfiszierte Feudaleigentum Staatsgut bleibt und zu Arbeiterko- lonien verwandt wird, die das assoziierte Landproletariat mit allen Vorteilen des großen Ackerbaues bear- beitet und wodurch das Prinzip des gemeinsamen Eigentums sogleich eine feste Grundlage mitten in den wankenden bürgerlichen Eigentumsverhältnissen erlangt. Wie die Demokraten mit den Bauern, müssen sich die Arbeiter mit dem Landproletariat verbinden. Die Demokraten werden ferner entweder direkt auf die Föderativrepublik hinarbeiten oder wenigstens, wenn sie die eine und unteilbare Republik nicht umge- hen können, die Zentralregierung durch möglichste Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Gemeinden und Provinzen zu lähmen suchen. 

Die Arbeiter müssen diesem Plane gegenüber nicht nur auf die eine und unteilbare deutsche Republik, sondern auch in ihr auf die entschiedenste Zentralisation der Gewalt in die Hände der Staatsmacht hinwir- ken. Sie dürfen sich durch das demokratische Gerede von Freiheit der Gemeinden, von Selbstregierung usw. nicht irremachen lassen. In einem Lande wie Deutschland, wo noch so viele Reste des Mittelalters zu beseitigen sind, wo so vieler lokaler und provinzialer Eigensinn zu brechen ist, darf es unter keinen Um- ständen geduldet werden, daß jedes Dorf, jede Stadt, jede Provinz der revolutionären Tätigkeit, die in ihrer ganzen Kraft nur vom Zentrum ausgehen kann, ein neues Hindernis in den Weg lege. – Es darf nicht ge- duldet werden, daß der jetzige Zustand sich erneuere, wodurch die Deutschen um ein und denselben Fort- schritt in jeder Stadt, in jeder Provinz sich besonders schlagen müssen. Am allerwenigsten darf geduldet werden, daß eine Form des Eigentums, die noch hinter dem modernen Privateigentum steht und sich über- all notwendig in dies auflöst, das Gemeindeeigentum und die daraus hervorgehenden Streitigkeiten zwis- chen armen und reichen Gemeinden sowie das neben dem Staatsbürgerrecht bestehende Gemeindebürger- recht mit seinen Schikanen gegen die Arbeiter, sich durch eine sogenannte freie Gemeindeverfassung ver- ewige. Wie in Frankreich 1793 ist heute in Deutschland die Durchführung der strengsten Zentralisation die Aufgabe der wirklich revolutionären Partei.

Wir haben gesehn, wie die Demokraten bei der nächsten Bewegung zur Herrschaft kommen, wie sie genö- tigt sein werden, mehr oder weniger sozialistische Maßregeln vorzuschlagen. Man wird fragen, welche Maßregeln die Arbeiter dagegen vorschlagen sollen. Die Arbeiter können natürlich im Anfange der Bewe- gung noch keine direkt kommunistischen Maßregeln vorschlagen. Sie können aber:


1. die Demokraten dazu zwingen, nach möglichst vielen Seiten hin in die bisherige Gesellschaftsordnung einzugreifen, ihren regelmäßigen Gang zu stören und sich selbst zu kompromittieren sowie möglichst viele Produktivkräfte, Transportmittel, Fabriken, Eisenbahnen usw. in den Händen des Staates zu konzentrieren.

2. Sie müssen die Vorschläge der Demokraten, die jedenfalls nicht revolutionär, sondern bloß reformierend auftreten werden, auf die Spitze treiben und sie in direkte Angriffe auf das Privateigentum verwandeln, so zum Beispiel, wenn die Kleinbürger vorschlagen, die Eisenbahnen und Fabriken anzukaufen, so müssen die Arbeiter fordern, daß diese Eisenbahnen und Fabriken als Eigentum von Reaktionären vom Staate einfach und ohne Entschädigung konfisziert werden. Wenn die Demokraten die proportionelle Steuer vorschlagen, fordern die Arbeiter progressive; wenn die Demokraten selbst eine gemäßigte progressive beantragen, be- stehen die Arbeiter auf einer Steuer, deren Sätze so rasch steigen, daß das große Kapital dabei zugrunde geht; wenn die Demokraten die Regulierung der Staatsschulden verlangen, verlangen die Arbeiter den Staatsbankerott. Die Forderungen der Arbeiter werden sich also überall nach den Konzessionen und Maß- regeln der Demokraten richten müssen.

Wenn die deutschen Arbeiter nicht zur Herrschaft und Durchführung ihrer Klasseninteressen kommen können, ohne eine längere revolutionäre Entwicklung ganz durchzumachen, so haben sie diesmal wenig- stens die Gewißheit, daß der erste Akt dieses bevorstehenden revolutionären Schauspiels mit dem direkten Siege ihrer eigenen Klasse in Frankreich zusammenfällt und dadurch sehr beschleunigt wird.

Aber sie selbst müssen das meiste zu ihrem endlichen Siege dadurch tun, daß sie sich über ihre Klassenin- teressen aufklären, ihre selbständige Parteistellung sobald wie möglich einnehmen, sich durch die heuchle- rischen Phrasen der demokratischen Kleinbürger keinen Augenblick an der unabhängigen Organisation der Partei des Proletariats irremachen lassen. Ihr Schlachtruf muß sein: Die Revolution in Permanenz.
 
London, im März 1850
aus Marxist Internet Archive





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