Montag, 23. Juli 2018
Das Kapitalverhältnis existiert als System.
|91| Die Ware, als die elementarische Form des bürgerlichen Reichtums, war unser Ausgangspunkt, die Voraus- setzung für die Entstehung des Kapitals. Andrerseits erscheinen Waren jetzt als das Produkt des Kapitals. Dieser Zirkellauf unsrer Darstellung entspricht sowohl der historischen Entwicklung des Kapitals, für welche ein Warenaus- tausch, Warenhandel eine der Entstehungsbedingungen bildet, die sich selbst aber auf der Grundlage verschiede- ner Produktionsstufen bildet, denen allen gemein ist, dass in ihnen die kapitalistische Produktion noch gar nicht oder nur noch sporadisch existiert.
Andrerseits ist der entwickelte Warenaustausch und die Form der Ware als allgemein notwendige gesellschaftliche Form des Produkts selbst erst das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise. Betrachten wir andrerseits die Ge- sellschaften entwickelter kapitalistischer Produktion, so erscheint in ihnen die Ware sowohl als die beständige ele- mentarische <Existenzbedingung> Voraussetzung des Kapitals wie andrerseits als das unmittelbare Resultat des kapitalistischen Produktionsprozesses.
Ware und Geld sind beide elementarische Voraussetzungen des Kapitals, entwickeln sich aber erst zu Kapital unter gewissen Bedingungen. Kapitalbildung kann nicht stattfinden, ausser auf Grundlage der Warenzirkulation (welche Geldzirkulation einschliesst), also auf einer schon gegebenen, zu einem gewissen Umfang gediehenen Stufe des Handels, während umgekehrt Warenproduktion und Warenzirkulation zu ihrem Dasein keineswegs die kapitalistische Produktionsweise voraussetzen, vielmehr, wie ich früher schon auseinandergesetzt, auch „vorbürgerlichen Gesellschaftsformen angehört“.
Sie sind historische Voraussetzung der kapitalistischen Produktionsweise. Andrerseits aber wird die Ware erst die allgemeine Form des Produkts, muss alles Produkt die Form der Ware annehmen, ergreifen Kauf und Verkauf nicht nur den Ueberfluss der Produktion, sondern ihre Substanz selbst, und treten die verschiedenen Produktionsbe- dingungen selbst umfassend als Waren auf, die aus der Zirkulation in den Produktionsprozess eingehn, nur auf Grundlage der kapitalistischen Produktion. Wenn die Ware daher einerseits als Voraussetzung der Kapitalbil- dung, erscheint |92| andrerseits die Ware, soweit sie allgemeine elementarische Form des Produkts ist, wesentlich als das Produkt und Resultat des kapitalistischen Produktionsprozesses. Produkte nehmen auf früheren Produktions- stufen teilweise die Form der Ware an. Das Kapital dagegen produziert sein Produkt notwendig als Ware. Im Mass der Entwicklung der kapitalistischen Produktion, id est des Kapitals, realisieren sich daher auch die allge- meinen über die Ware entwickelten Gesetze, z.B. die den Wert betreffenden, in der verschiedenen Form der Geldzirkulation. Es zeigt sich hier, wie selbst früheren Produktionsepochen angehörige ökonomische Katego- rien auf Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise einen spezifisch verschiedenen, historischen Charak- ter erhalten.
Die Verwandlung des Geldes, das selbst nur verwandelte Form der Ware, in Kapital findet nur statt, sobald das Arbeitsvermögen in eine Ware für den Arbeiter selbst verwandelt ist, die Kategorie des Warenhandels sich also einer früher von ihr ausgeschlossenen oder nur sporadisch in ihr eingeschlossenen Sphäre schon bemächtigt hat. Nur sobald die arbeitende Bevölkerung aufgehört hat, entweder selbst zu den objektiven Arbeitsbedingun- gen noch zu gehören oder selbst noch als Warenproduzent auf den Markt zu treten, statt des Produkts ihrer Arbeit vielmehr ihre Arbeit selbst oder genauer ihr Arbeitsvermögen verkauft, wird die Produktion ihrem gan- zen Umfang, ihrer ganzen Tiefe und Breite nach Warenproduktion, verwandelt sich alles Produkt in Ware und treten die gegenständlichen Bedingungen jeder einzelnen Produktionssphäre selbst als Ware in sie ein.
Nur auf Grundlage der kapitalistischen Produktion wird die Ware in der Tat die allgemeine elementarische Form des Reichtums. Hat sich das Kapital z.B. noch nicht der Agrikultur bemächtigt, so wird ein grosser Teil des Produkts noch unmittelbar als Subsistenzmittel, nicht als Ware produziert werden; ein grosser Teil der Arbeiterbevöl- kerung wird noch nicht in Lohnarbeiter und ein grosser Teil der Arbeitsbedingungen noch nicht in Kapital verwandelt sein. Es ist hierin eingeschlossen, dass die entwickelte Teilung der Arbeit, wie sie zufällig im Innern der Gesellschaft erscheint, und die kapitalistische Teilung der Arbeit im Innern des Ateliers, einander wechsel- seitig bedingen und produzieren. Denn Ware als notwendige Form des Produkts und daher die Entäusserung des Produkts als notwendige Form seiner Aneignung, unterstellt völlig entwickelte Teilung der gesellschaftlichen Arbeit, während andrerseits nur auf Grundlage der kapitalistischen Produktion, also auch der kapitalistischen Teilung der Arbeit im Innern des Ateliers, alles Produkt notwendig |93| die Form der Ware annimmt und alle Produzenten daher notwendig Warenproduzenten sind. Mit der kapitalistischen Produktion ist daher auch erst allgemein der Gebrauchswert durch den Tauschwert vermittelt.
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aus Karl Marx, Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses, Archiv sozialistischer Literatur 17, Neue Kritik, Frankfurt a.M. 1968, S. 91ff.
Nota. - Das Kapitalverhältnis kam nicht zustande, indem soundsoviel Individuen unter soundsoviel spezifischen Bedingungen in Austausch traten und schließlich so viele wurden, dass sie der Beobachter in zwei Klassen un- terscheiden musste. Sondern dadurch, dass sich eine Klasse von Nichtbesitzenden ausbildete, weil die zuvor schon politisch als Klasse ausgebildeten Besitzenden sie von ihren Produktionsmiteln getrennt und vom Grund und Boden vertrieben hatten. Diejenige Gesellschaft, in der dieser Zustand herrscht, betrachtet die Kritik der po- litischen Ökonomie als Ganze. Mehr oder minder historisch mitgeschleppte kuriose Sonderfälle stiften Verwir- rungen, erlauben dem Kritiker aber auch, sein analytisches Instrumentarium zu verfeinern. Dass dieses oder jenes gegen die Regeln verstößt, liegt nur daran, dass unsere Geschichte nicht von einem Schöpfer gemacht wird, der, wie Leibniz vermutete, "in mathematischen Formeln denkt", sondern von Menschen, die sich im Zweifelsfall nicht nach der Logik richten, sondern danach, wer der Stärkere ist.
JE
Nota - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog.
JE
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