Samstag, 15. September 2018
Unterschied der Lohnarbeit zur Sklaverei.
Bei dem Sklaven erscheint das Minimum des Salairs als eine von seiner eignen Arbeit unabhängige, constante Grösse. Bei dem freien Arbeiter stellt sich dieser Werth seines Arbeitsvermögens und der ihm entsprechende Durchschnittsarbeitslohn nicht in dieser prädestinirten, von seiner eignen Arbeit unabhängigen, durch seine blos physischen Bedürfnisse bestimmten Grenze dar. Es ist hier der Durchschnitt für die Klasse mehr oder minder constant, wie der Werth aller Waaren; aber er existirt nicht in dieser unmittelbaren Realität für den Einzelnen Arbeiter, dessen Lohn über oder unter diesem Minimum stehn mag. Der Preiß der Arbeit sinkt bald unter, bald steigt er über den Werth des Arbeitsvermögens.
Ferner Spielraum (within narrow limits) für die Individualität des Arbeiters, wodurch Lohnverschiedenheit theils in verschiednen Arbeitszweigen, theils in demselben Arbeitszweig, je nach Arbeitsamkeit, Geschick, Kraft etc des Ar- beiters, und zwar ist diese Verschiedenheit zum Theil bestimmt durch das Maaß seiner eignen persönlichen Lei- stung. So erscheint Lohngrösse wechselnd als Resultat seiner eignen Arbeit und ihrer individuellen Qualität.
Dieß namentlich entwickelt, wo Stücklohn gezahlt. Obgleich dieser, wie gezeigt, am allgemeinen Verhältniß zwischen Capital und Arbeit, zwischen Surplusarbeit und nothwendiger Arbeit nichts ändert, so drückt sich dadurch doch das Verhältniß für den einzelnen Arbeiter verschieden aus und zwar nach Maaß seiner persön- lichen Leistung. Bei dem Sklaven können besondre Kraft oder Geschicklichkeit den Kaufwerth seiner Person erhöhen, aber das geht ihn selbst nichts an. Anders bei dem freien Arbeiter, der Selbsteigner seines Arbeitsver- mögens ist.
Der höhre Werth dieses Arbeitsvermögens muß ihm selbst bezahlt werden und drückt sich in höhrem Lohn aus. Es herrschen also grosse Lohnverschiedenheiten vor, je nachdem die besondre Arbeit höher entwickeltes, grössere Productionskosten erheischendes Arbeitsvermögen erheischt oder nicht und damit ist einerseits der individuellen Verschiedenheit Spielraum eröffnet, andrerseits Sporn gegeben zur Entwicklung des eignen Ar- beitsvermögens. So sicher es auch ist, daß die Masse der Arbeit aus mehr oder minder unskilled labour bestehn muß und daher auch die Masse des Arbeitslohns durch den Werth des einfachen Arbeitsvermögens be-/stimmt sein muß, so bleibt es einzelnen Individuen möglich durch besondre Energie, Talent etc in höhre Arbeitssphäre sich aufzuschwingen, ganz wie die abstrakte Möglichkeit bleibt, daß dieser oder jener Arbeiter selbst Capitalist und Exploiter fremder Arbeit wird.
Der Sklave gehört einem bestimmten Master; der Arbeiter muß sich zwar an das Capital verkaufen, aber nicht an einen bestimmten Capitalisten und so hat er innerhalb bestimmter Sphäre die Wahl, an wen er sich verkau- fen will, und kann seinen master wechseln. Alle diese veränderten Beziehungen machen die Thätigkeit des frei- en Arbeiters intensiver, continuirlicher, beweglicher und geschickter als die des Sklaven, abgesehn davon, daß sie ihn selbst zu einer ganz andren historischen Action befähigen.
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Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 102f.
Nota. - Lohnsklaverei war ein Kampfwort der Arbeiterbewegung, aber damit war nur gemeint, dass der "freie" Arbeiter im Widerspruch zu den Phrasen der bürgerlichen Demokratie seine formale Freiheit reell gar nicht betätigen kann, solange er auf Gnade und Ungnade den Launen des Arbeitsmarkts ausgeliefert ist. Anders als der Sklave ist er eben kein Eigentum seines Herrn, das dieser sich zu erhalten wünscht.
Das Ms. 63-65 entstand während des amerikanischen Bürgerkriegs, die Sklaverei war selbst auf dem Weltmarkt noch Realität. Doch nicht die Sklaverei bildet historisch gesehen den Gegensatz zur Lohnarbeit, sondern der seinen Boden selbst bearbeitende freie oder hörige Bauer. Seine Vertreibung von Grund und Boden bedingte das Lohnsystem.
JE
Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE
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