Mittwoch, 20. Juni 2018

Wie die Menschen zur Theorie fanden.


Erstens: da im folgenden Satz die „äußeren Mittel zur Befriedigung seiner Bedürfnisse“ oder „äußeren Güter“ sich verwandeln in „Dinge der Außenwelt“, so erhält dadurch das erste eingeschachtelte Verhältnis folgende Gestalt: der Mensch steht im Verhältnis zu Dingen der Außenwelt als Mittel zur Befriedigung seiner Bedürfnisse. 

Aber die Menschen beginnen keineswegs damit, „in diesem theoretischen Verhältnis zu Dingen der Außenwelt zu stehen“.  Sie fangen, wie jedes Tier, damit an, zu essen, zu trinken etc., also nicht in einem Verhältnis zu „stehen“, sondern sich aktiv zu verhalten, sich gewisser Dinge der Außenwelt zu bemächtigen durch die Tat, und so ihr / Bedürfnis zu befriedigen. (Sie beginnen also mit der Produktion.) Durch die Wiederholung dieses Prozesses prägt sich die Eigenschaft dieser Dinge, ihre „Bedürfnisse zu befriedigen“, ihrem Hirn ein, die Menschen wie Tiere lernen auch „theoretisch“ die äußern Dinge, die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, vor allen andern unterscheiden. 

Auf gewissem Grad der Fortentwicklung, nachdem unterdes auch ihre Bedürfnisse und die Tätigkeiten, wodurch sie befriedigt werden, sich vermehrt und weiterentwickelt haben, werden sie auch bei der ganzen Klasse diese erfahrungsmäßig von der übrigen Außenwelt unterschiednen Dinge sprachlich taufen. Dies tritt notwendig ein, da sie im Produktionsprozeß—i.e. Aneignungsprozeß dieser Dinge—fortdauernd in einem werktätigen Umgang unter sich und mit diesen Dingen stehn und bald auch im Kampf mit andern um diese Dinge zu ringen haben. 

Aber diese sprachliche Bezeichnung drückt durchaus nur aus als Vorstellung, was wiederholte Bestätigung zur Erfahrung gemacht hat, nämlich daß den in einem gewissen gesellschaftlichen Zusammenhang bereits leben- den Menschen (dies der Sprache wegen notwendige Voraussetzung) gewisse äußere Dinge zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen. Die Menschen legen diesen Dingen nur einen besondern (generic) Namen bei, weil sie bereits wissen, daß dieselben zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, weil sie ihrer durch mehr oder minder oft wiederholte Tätigkeit habhaft zu werden und sie daher auch in ihrem Besitz zu erhalten suchen; sie nennen sie vielleicht „Gut“ oder sonst etwas, was ausdrückt, daß sie praktisch diese Dinge gebrauchen, daß diese Dinge ihnen nützlich, und geben dem Ding diesen Nützlichkeitscharakter als von ihm besessen, obgleich es einem Schaf schwerlich als eine seiner „nützlichen“ Eigenschaften vorkäme, daß es vom Menschen eßbar ist. 
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Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Ökonomie”, MEW 19, S. 362f.




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