Mittwoch, 27. Juni 2018

Deutschprofessorale Begriffswirtschaft III.

Ai Weiwei

Aber Herr Wagner will uns oder sich selbst weismachen, daß er, statt 2 Namen den selben Gehalt zu geben, vielmehr von der Bestimmung „Gut“ zu einer davon unterschiednen, weiterentwickelten Bestimmung „Wert“ fortgeschritten ist, und dies geschieht einfach dadurch, daß er „Dingen der Außenwelt“ „beziehungsweise“ das Wort „Güter“ unterschiebt, ein Prozeß, der wieder dadurch „verdunkelt“ wird, daß er „den Gütern“ „bezie- hungsweise“ die „Dinge der Außenwelt“ unterschiebt. Seine eigne Konfusion erreicht so den sichern Effekt, seine Leser konfus zu machen. Er hätte diese schöne „Ableitung“ auch umkehren können wie folgt: Indem der Mensch die Dinge der Außenwelt, welche Befriedigungsmittel seiner Bedürfnisse sind, als solche Befriedigungs- mittel von den übrigen Dingen der Außenwelt unterscheidet und daher auszeichnetwürdigt er sie, legt er ihnen Wert bei oder gibt ihnen das Attribut „Wert“; man kann dies auch so ausdrücken, daß er ihnen das Attribut „Gut“ als Charaktermal beilegt oder sie als „Gut“ achtet <367> oder schätzt. 

Dadurch wird den „Werten“, beziehungsweise den Dingen der Außenwelt der Begriff „Gut“ beigelegt. Und so ist aus dem Begriff „Wert“ der Begriff „Gut“ im allgemeinen „abgeleitet“. Es handelt sich bei allen derartigen Ab- leitungen nur darum, von der Aufgabe, deren Lösung man nicht gewachsen ist, abzuleiten.  Aber Herr Wagner geht im selben Atem vom „Wert“ der Güter in aller Geschwindigkeit zum „Messen“ dieses Werts über. Der Inhalt bleibt absolut derselbe, wäre das Wort Wert überhaupt nicht hineingeschmuggelt worden. 

Es könnte gesagt werden: Indem der Mensch gewisse Dinge der Außenwelt, die etc. zu „Gütern“ stempelt, wird er nach und nach diese „Güter“ untereinander vergleichen und, entsprechend der Hierarchie seiner Bedürfnisse, in eine gewisse Rangordnung bringen, d.h. wenn man es so nennen will, sie „messen“.  Von der Entwicklung der wirklichen Maße dieser Güter, i.e. der Entwicklung ihrer Größenmaße, darf Wagner hier beileibe nicht sprechen, da dies den Leser zu lebhaft daran erinnern würde, wie wenig es sich hier um das handelt, was sonst unter „Wertmessen“ verstanden wird. 

{Daß das Auszeichnen von (Hinweisen auf) Dingen der Außenwelt, die Befriedigungsmittel menschlicher Be- dürfnisse sind, als „Güter“ auch benamst werden kann: diesen Dingen „Wert beilegen“, konnte Wagner nicht nur wie Rau aus dem „deutschen Sprachgebrauch“ nachweisen, sondern: Da ist das lateinische Wort dignitas = Wür- de, Würdigkeit, Rang etc., welches Dingen beigelegt auch „Wert“ bedeutet; dignitas ist abgeleitet von dignus und dies von dic, point out show, auszeichnen, zeigen. dignus meint also pointed out; daher auch digitus, der Finger, womit man zeigt ein Ding, darauf hinweist; griechisch: δεικ-νυμι, δακ-τυλο (Finger); got[isch]: ga-tecta (dico); deutsch: zeigen; und wir könnten noch zu viel weiteren „Ableitungen“ kommen, in Betracht, daß δεκνυμι oder δεικνω (sichtbar machen, zum Vorschein bringen, hinweisen) mit δχομαι den Grundstamm δεκ (hinhalten, nehmen) gemein hat.}

So viel Banalität, tautologischer Wirrwarr, Wortklauberei, Erschleichungsmanöver bringt Herr Wagner in nicht ganz 7 Zeilen fertig. Kein Wunder, daß dieser Dunkelmann (vir obscurus) nach diesem Kunststück mit großem Selbstgefühl fortfährt: „Der vielfach streitige und durch manche oft nur scheinbar tiefsinnige Untersuchungen noch verdunkelte Wertbegriff entwickelt sich einfach“ (indeed) {rather „verwickelt“ sich}, „wenn man, wie bisher ge- schehen“ {nämlich von Wagner} „vom Bedürfnis <368> und der wirtschaftlichen Natur des Menschen ausgeht und zum Gutsbegriff gelangt und an diesen den Wertbegriff - anknüpft“ (p. 46).  Man hat hier die Begriffs wirtschaft, deren angebliche Entwicklung beim vir obscurus herausläuft auf das „Anknüpfen“ und gewissermaßen aufs „Aufknüp- fen“. 

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Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Ökonomie”, MEW 19, S. 366ff. 
 




 

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