Donnerstag, 28. Juni 2018

Tausch- und Gebrauchswert I.

 
...und derselbe Wagner rangiert mich (p. 49, Note) unter die Leute, nach denen der „Gebrauchswert“ ganz „aus der Wissenschaft“ „entfernt“ werden soll. Alles das sind „Faseleien“. De prime abord gehe ich nicht aus von „Begriffen“, also auch nicht vom „Wertbegriff“, und habe diesen daher auch in <369> keiner Weise „einzutei- len“. Wovon ich ausgehe, ist die einfachste gesellschaftliche Form, worin sich das Arbeitsprodukt in der jetzigen Gesellschaft darstellt, und dies ist die „Ware“.

Sie analysiere ich, und zwar zunächst in der Form, worin sie erscheint. Hier finde ich nun, daß sie einer- seits in ihrer Naturalform ein Gebrauchsding, alias Gebrauchswert ist; andrerseits Träger von Tauschwert, und unter diesem Gesichtspunkt selbst „Tauschwert“. Weitere Analyse des letzteren zeigt mir, daß der Tauschwert nur eine „Er- scheinungsform“, selbständige Darstellungsweise des in der Ware enthaltnen Werts ist, und dann gehe ich an die Analyse des letzteren.

Es heißt daher ausdrücklich, p. 36, 2. Ausg.: „Wenn es im Eingang dieses Kapitels in der gang und gäben Manier hieß: Die Ware ist Gebrauchswert und Tauschwert, so war dies, genau gesprochen, falsch. Die Ware ist Gebrauchswert oder Gebrauchsgegenstand und ‚Wert‘.  Sie stellt sich dar als dies Doppelte was sie ist, sobald ihr Wert eine eigne, von ihrer Naturalform verschiedne Erscheinungsform besitzt, die des Tausch- werts“ etc. Ich teile also nicht den Wert in Gebrauchswert und Tauschwert als Gegensätze, worin sich das Abstrakte, „der Wert“, spaltet, sondern die konkrete gesellschaftliche Gestalt des Arbeitsprodukts; „Ware“ ist einerseits Gebrauchswert und andrerseits „Wert“, nicht Tauschwert, da die bloße Erscheinungsform nicht ihr eigner Inhalt ist.

Zweitens: Nur ein vir obscurus, der kein Wort des „Kapitals“ verstanden hat, kann schließen: Weil Marx in einer Note zur ersten Ausgabe des „Kapitals“ allen deutschen Professoralkohl über „Gebrauchswert“ im all- gemeinen verwirft und Leser, die etwas über wirkliche Gebrauchswerte wissen wollen, auf „Anleitungen zur Warenkunde“ verweist, - daher spielt der Gebrauchswert bei ihm keine Rolle. Er spielt natürlich nicht die Rolle seines Gegenteils, des „Wertes“, der nichts mit ihm gemein hat, als daß „Wert“ im Namen „Gebrauchswert“ vorkommt. Er hätte ebensogut sagen können, daß der „Tauschwert“ bei mir beiseite gesetzt wird, weil er nur Erscheinungsform des Wertes, aber nicht der „Wert“ ist, da für mich der „Wert“ einer Ware weder ihr Gebrauchswert ist, noch ihr Tauschwert. 


Wenn man die „Ware“- das einfachste ökonomische Konkretum - zu analysieren hat, hat man alle Beziehungen fernzuhalten, die mit dem vorliegenden Objekt der Analyse nichts zu schaffen haben. Was aber von der Ware, soweit sie Gebrauchswert, zu sagen ist, habe ich daher in wenigen Zeilen gesagt, andrerseits aber die charakteri- stische Form hervorgehoben, in der hier der Gebrauchswert - das Arbeitsprodukt - erscheint; nämlich: <370> „Ein Ding kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu produzieren, muß er nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaft- lichen Gebrauchswert“ (p. 15). {Dies die Wurzel des Rodbertusschen „gesellschaftlichen Gebrauchswerts“.}

Damit besitzt der Gebrauchswert - als Gebrauchswert der „Ware“ - selbst einen historisch-spezifischen Cha- rakter. Im primitiven Gemeinwesen, worin z.B. die Lebensmittel gemeinschaftlich produziert und verteilt wer- den unter den Gemeindegenossen, befriedigt das gemeinsame Produkt direkt die Lebensbedürfnisse jedes Ge- meindegenossen, jedes Produzenten, der gesellschaftliche Charakter des Produkts, des Gebrauchswerts, liegt hier in seinem (gemeinsamen) gemeinschaftlichen Charakter. {Herr Rodbertus dahingegen verwandelt den „gesellschaft- lichen Gebrauchswert“ der Ware in den „gesellschaftlichen Gebrauchswert“ schlechthin, faselt daher.}

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Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Ökonomie”, MEW 19, S. 366ff. 
 

 


Nota. - Das sollte der Klärung dienen; tatsächlich hat es später der Mystifikation gedient. -

'Wert ist Inhalt, Tauschwert ist seine Form': Zu Marxens Zeit war Hegel ein toter Hund, er konnte nicht ahnen, dass ihn später Generationen von Epigonen ihrer Begriffsanknüpfungsmethode neuen Typs dienstbar machen würden; in pragmatischer Absicht: Um glaubhaft zu machen (denkbar ward es nie), dass in ihrem Realexistieren- den 'das Wertgesetz' gälte und eine 'sozialistische Marktwirtschaft' begründe, wurde der Wert zu einem an-sich-Seienden verklärt ("naturalistischer Wertbegriff" hat E. Preobraschenski das genannt). Dem hat Marx mit obiger Formulierung Vorschub geleistet.

Der Wert ist Inhalt des Tauschwerts; nämlich soweit der Tauschwert im gesellschaftliche Verkehr erscheint, aber verdinglicht zu Geld im Preis. Erst die Kritik deckt auf, dass im Tauschwert enthalten ist das 'Quantum der gesellschaftlich notwendigen Arbeit'. Diesen Kern der Politischen Ökonomie hat die Kritik ja gerade nicht verworfen, sondern spezifiziert: Arbeit ist selber 'Maß und Substanz' des Werts - nämlich auch des Werts der Arbeitskraft. Die Arbeit selbst ist wert, hat aber keinen Wert.

Im kritischen Denken wenig geübte Leser mögen es sich so vorstellen, dass 'der Wert' zuerst 'an sich' ist und dann 'als Tauschwert erscheint'. Dabei gibt es logisch gar kein Zuerst/Danach - aber Logik ist das, was bei Be- griffen zählt. In der historischen Entwicklung ist es aber so, dass in dem wachsenden Umfang, wie die Menschen dazu übergehen, ihre Erzeugnisse auszutauschen, sich qua Durchschnitt die Arbeit zum allgemeinen Maß au- sbildet.
JE 

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