Dienstag, 26. Juni 2018

Deutschprofessorale Begriffswirtschaft II.

flix-brix

Bei Herrn Wagner wird diese „Deduktion“ aber noch schöner, weil er es mit „dem“ Menschen, nicht mit „den“ Menschen zu tun hat. Diese sehr einfache „Deduktion“ drückt Herr Wagner so aus: „Es ist ein natürliches Stre- ben des Menschen“ (lies: des deutschen Ökonomieprofessors), „das Verhältnis“, wonach Dinge der Außenwelt als Befriedigungsmittel menschlicher Bedürfnisse nicht nur sind, sondern als solche sprachlich anerkannt sind und daher auch dienen.
 

Es ist „das natürliche Bestreben“ eines deutschen Ökonomieprofessors, die ökonomische Kategorie „Wert“ aus einem „Begriff“ abzuleiten, und das erreicht er dadurch, daß, was in der politischen Ökonomie vulgo „Ge- brauchswert“ heißt, „nach deutschem Sprachgebrauch“ in „Wert“ schlechthin umgetauft wird. 

Und sobald der „Wert“ schlechthin gefunden ist, dient er hinwiederum wieder dazu, „Gebrauchswert“ aus dem „Wert schlechthin“ abzuleiten.  Man hat dazu nur das „Gebrauchs“fragment, das man fallen ließ, wieder vor den „Wert“ schlechthin zu setzen. Ist in der Tat Rau (siehe p. 88), der uns schlicht sagt, daß es „nötig ist“ (für die deutschen Professoralschulmeister) „festzusetzen, was unter Wert schlechthin gemeint sei“, und der naiv hinzu- setzt: „und es ist dem deutschen Sprachgebrauch gemäß, hierzu - den Gebrauchswert zu wählen.  {In der Chemie heißt chemischer Wert eines Elements die Anzahl, worin eins seiner Atome sich mit Atomen andrer Elemente verbin- den kann. Aber auch das Verbindungsgewicht der Atome hieß Äquivalenz, Gleichwert verschiedner Elemente etc. etc. Also muß man erst den Begriff „Wert schlechthin“ bestimmen etc. etc.} 

Bezieht sich der Mensch auf Dinge als „Befriedigungsmittel seiner Bedürfnisse“, so bezieht er sich auf sie als „Güter“, teste Wagner. Er legt ihnen das Attribut „Gut“ bei; der Inhalt dieser Operation wird in keiner Art dadurch verändert, daß Herr Wagner dies umtauft in „Wert beilegen“. Sein eignes faules Bewußtsein kommt sofort „zum Verständnis“ in dem nächstfolgenden Satz: „Dies geschieht durch die Schätzung (Wertschätzung), wodurch den Gütern, beziehungs- weise den Dingen der Außenwelt Wert beigelegt und derselbe gemessen wird.“

Wir wollen kein Wort darüber verlieren, daß Herr Wagner den Wert ableitet aus der Wertschätzung (er selbst fügt dem Wort Schätzung, um die <365> Sache „zum deutlichen Bewußtsein und Verständnis zu bringen“, in Parenthese „Wertschätzung“ zu). „Der Mensch“ hat das „natürliche Bestreben“, dies zu tun, die Güter als „Wer- te“ zu „schätzen“, und gestattet so Herrn Wagner, die von ihm versprochne Leistung des „Wert begriffs im all- gemeinen“ abzuleiten. Wagner schmuggelt nicht umsonst dem Wort „Gütern“ „beziehungsweise“ die „Dinge der Außenwelt“ unter. Er ging davon aus: Der Mensch „verhält“ sich zu „Dingen der Außenwelt“, die Befriedi- gungsmittel seiner Bedürfnisse sind, als zu „Gütern“.

Er schätzt diese Dinge also eben dadurch, daß er sich zu ihnen als „Gütern“ verhält. Und wir haben für diese „Schätzung“ bereits frühere „Umschreibung“ gehabt, dahin lautend z. B.: „Der Mensch steht mit der ihn um- gebenden Außenwelt als bedürftiges Wesen in fortdauernder Berührung und erkennt, daß in jener viele Bedingungen seines Lebens und Wohlbefindens liegen“ (p. 8). Dies heißt doch weiter nichts, als daß er „die Dinge der Außenwelt schätzt“, sofern sie sein „bedürftiges Wesen“ befriedigen, Befriedigungsmittel seiner Bedürfnisse sind, und darum, wie wir vorher hörten, sich zu ihnen als „Gütern“ verhält. Nun kann man, namentlich, wenn man das „natürliche“ Professoral-„Bestreben“ fühlt, den Begriff des Werts im allgemeinen abzuleiten, dies: „den Dingen der Außenwelt“ das Attribut „Güter“ beilegen, auch benamsen, ihnen „Wert beilegen“.

Man hätte auch sagen können: Indem der Mensch sich zu den seine Bedürfnisse befriedigenden Dingen der Außenwelt als „Gütern“ verhält, „preist“ er sie, legt ihnen also „Preis“ bei, und damit wäre denn die Ableitung des Begriffs des „Preises schlechthin“ durch die Verfahrensart „des“ Menschen dem Professor germanicus ready cut geliefert. Alles, was der Professor selbst nicht tun kann, läßt er „den“ Menschen tun, der aber in der Tat selbst wieder nichts ist, als der Professoralmensch, der die Welt begriffen zu haben meint, wenn er sie unter abstrakten Rubriken rangiert.

Sofern aber den Dingen der Außenwelt „Wert beilegen“ hier nur eine andere Redensart ist für den Ausdruck, ihnen das Attribut „Güter“ beilegen, so ist damit beileibe nicht, wie das Wagner erschleichen will, den „Gütern“ selbst „Wert“ beigelegt als eine von ihrem „Gutsein“ verschiedne Bestimmung. Es ist nur dem Wort „Gut“ das Wort „Wert“ untergeschoben. {Es könnte, wie wir sehen, auch das Wort „Preis“ untergeschoben werden. Es könnte auch das Wort „Schatz“ untergeschoben werden; denn indem „der“ Mensch gewisse „Dinge der Außen- welt“ zu „Gütern“ stempelt, 366 „schätzt“ er sie und verhält sich daher zu ihnen als einem „Schatz“. Man sieht daher, wie die 3 ökonomischen Kategorien Wert, Preis, Schatz von Herrn Wagner auf einen Schlag aus „dem natürlichen Streben des Menschen“, dem Professor seine vernagelte Begriffs(Vorstellungs)welt zu liefern, hervorgezaubert werden konnten.}

Aber Herr Wagner hat den dunklen Trieb, seinem Labyrinth von Tautologie zu entschlüpfen und ein „weiteres etwas“ oder „etwas weiteres“ zu erschleichen. Daher die Phrase; „wodurch den Gütern, beziehungsweise den Dingen der Außenwelt Wert beigelegt etc. wird“.  Da Herr Wagner das Stempeln von „Dingen der Außenwelt“ zu Gütern, d.h. das Auszeichnen und Fixieren derselben (in der Vorstellung) als Befriedigungsmittel menschlicher Bedürfnisse, ditto benamst hat: diesen „Dingen Wert beilegen“, so kann er dies ebensowenig nennen: „den Gütern“ selbst Wert beilegen, als er sagen könnte, dem „Wert“ der Dinge der Außenwelt Wert beilegen.  

Aber der salto mortale wird gemacht in dem Wort „Gütern, beziehungsweise den Dingen der Außenwelt Wert beilegen“.  Wagner hätte sagen müssen: das Stempeln gewisser Dinge der Außenwelt zu „Gütern“ kann auch genannt werden: diesen Dingen „Wert beilegen“, und dies ist die Wagnersche Ableitung des „Wertbegriffs“ schlechthin oder im allgemeinen. Der Inhalt wird nicht verändert durch diese Änderung des sprachlichen Ausdrucks. Es ist stets nur das Auszeichnen oder Fixieren in der Vorstellung der Dinge der Außenwelt, welche Befriedigungsmittel menschlicher Bedürfnisse sind; in der Tat also nur die Erkennung und Anerkennung gewisser Dinge der Außenwelt als Befriedigungsmittel von Bedürfnissen „des“ Menschen (der jedoch als solcher in der Tat am „Begriffsbedürfnis“ leidet).  
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Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Ökonomie”, MEW 19, S. 364ff. 



Nota. - Einen eigenen theoretischen Wert haben diese Absätze nicht. Sie klingen wie eine Parodie, aber es ist die Selbstparodie des deutschen Professors, der meint, die Dinge der Welt verstehen zu können, indem er mit dem Besteck vordefinierter Begriffe durch sie hindurchfährt. Woher hat er die Begriffe? Mal aus dem "Sprachge- brauch", mal aus der Etymologie, mal aus dem Mixbecher.

Ein Schlaumeier wird sagen: Eben! Er schnitzt seine Begriffe nicht ordentlich, "entwickelt" sie nicht dialektisch, "leitet" sie nicht "ab", usw. Mit der Hegel'schen Methode hatte Marx es in den Grundrissen aber selbst versucht, doch als er den 'Mehr'wert aus dem Begriff vom 'Wert' ableiten wollte, kam er nicht vom Fleck. Er musste in die Realgeschichte zurückgreifen und einen ganz neuen Anlauf nehmen. Hegel war gewiss klüger als Adolph Wagner. Aber grundsätzlich verfolgten sie dieselbe deutschprofessorale Wolff-Baumgarten'sche Methode: aus Begriffen eine Welt zusammensetzen.

Begriffe taugen als Seziermesser der Kritik, nicht aber als Bausteine im Lego-Kasten.
JE



 

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