Freitag, 31. August 2018

Stoff und Form.

Giuseppe Sanmartino

Im Arbeitsproceß tritt der Arbeiter als Arbeiter in ein normales, durch die Natur und den Zweck der Arbeit selbst bestimmtes thätiges Verhältniß zu den Productionsmitteln. Er eignet und behandelt sie als blosses Mittel und Material seiner Arbeit. Die selbstständige, an sich  fest- / haltende und ihren eignen Kopf habende Exi- stenz dieser Productionsmittel, ihre Trennung von der Arbeit, wird jezt thatsächlich aufgehoben. Die gegenständ- lichen Bedingungen der Arbeit treten in ihrer normalen Einheit mit der Arbeit, als blosse Materie und Organe ihres schöpferischen Wirkens auf. 

Das Fell, das der Arbeiter gerbt, behandelt er als blosen Gegen- stand seiner productiven Thätigkeit, nicht als Capital. Er gerbt nicht dem Capitalisten die Haut. So weit der Productionsproceß blos Arbeitsproceß ist, verzehrt der Arbeiter in diesem Prozeß die Productionsmittel als blosse Lebensmittel der Arbeit. So weit aber der Productions- proceß zugleich Verwerthungsproceß ist, verzehrt der Capitalist in ihm das Arbeitsvermögen des Arbeiters oder eignet sich die lebendige Arbeit als Lebensblut des Capitals an. Das Rohmaterial, überhaupt der Arbeitsgege- nstand, dient nur dazu, fremde Arbeit einzusaugen und das Arbeitsinstrument dient nur als Conductor, Leiter für diesen Einsaugungsprozeß

Indem das lebendige Arbeitsvermögen den gegenständlichen Bestandtheilen des Capitals einverleibt ist, wird dieß zu einem belebten Ungeheuer, und fängt an zu wirken „als hätt' es Lieb' im Leibe“. Da die Arbeit blos in einer bestimmten nützlichen Form Werth schafft und da jede besondre nützliche Art Arbeit Material und Mittel von spezifischem Gebrauchswerth erheischt, Spindel und Baumwolle u. s. w. für die Spinnarbeit, Amboß, Ham- mer und Eisen für die Schmiedearbeit u. s. w., kann die Arbeit nur eingesaugt werden, soweit das Capital die Gestalt der für bestimmte Arbeitsprocesse erheischten spezifi- schen Productionsmittel annimmt und nur in dieser Gestalt kann es leben- dige Arbeit einsaugen. 

Hier sieht man also, warum dem Capitalisten, dem Arbeiter und dem politischen Oekonomen, der den Arbeits- proceß nur als vom Capital angeeigneten Arbeitsproceß zu denken fähig ist, die stofflichen Elemente des Arbeits- processes wegen ihrer stofflichen Eigenschaften als Capital gelten und warum er unfähig ist, ihre stoffliche Exi- stenz als blosser Factoren des Arbeitsproceßes los zu lösen von der mit ihnen verquickten gesellschaftlichen Eigen- schaft, die sie zu Capital macht. Er kann das nicht, weil wirklich derselbe identische Arbeitsproceß, dem die Pro- ductionsmittel durch ihre stofflichen Eigenschaften als blosse Lebensmittel der Arbeit dienen, dieselben Produc- tionsmittel in blosse Einsaugungsmittel der Arbeit verwandelt. 
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Ökonomisches Manuskript 1863-1865,
MEGA II/4.1, S. 80
f.   



Nota. - Das Anschauliche, Historische, Qualitative - all das ist Stoff, an dem diese oder jene Form erscheint. Die Form macht den Stoff für menschliche Zwecke nützlich oder unnütz, doch ohne Stoff gibt es sie nicht. Es gibt keinen Stoff ohne Form (Was nicht erscheint, ist kein Stoff), doch welche Form das ist, bedarf noch weiterer Be- stimmung; aber der Stoff ist, was und wie er ist. Die gesellschaftliche Eigenschaft ist gegenüber seiner stofflichen Existenz die formale Bestimmung. Beide von einander zu unterscheiden ist ein dialektisches Kunststück, das nur dem reflektierenden Analytiker gelingt - wenn er will. Und im konkreten Fall ist das eine politische Bedingung.
JE

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