Freitag, 24. August 2018

Entfremdung beiderseits.

 
Historisch betrachtet erscheint diese Verkehrung als der nothwendige Durchgangspunkt, um die Schöpfung des Reichthums als solchen, d. h. der rücksichtslosen Productivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit, welche allein die materielle Basis einer freien menschlichen Gesellschaft bilden können, auf Kosten der Mehrzahl zu erzwingen. Es muß durch diese gegensätzliche Form durchgangen werden, ganz wie der Mensch seine Geisteskräfte zu- nächst sich als unabhängige Mächte gegenüber religiös gestalten muß. Es ist der Entfremdungsproceß seiner eignen Arbeit. 

Insofern steht hier der Arbeiter von vorn herein höher als der Capitalist, als der letztre in jenem Entfremdungs- proceß wurzelt und in ihm seine absolute Befriedigung findet, während der Arbeiter als sein Opfer von vorn herein dagegen in einem rebellischen Verhältniß steht und ihn als Knechtungsproceß empfindet. 

So weit der Productionsproceß zu gleich wirklicher Arbeitsproceß ist und der Capitalist als Aufseher und Leiter desselben eine Function in der wirklichen Production zu verrichten hat, bekömmt seine Thätigkeit in der That einen spezifischen, mannigfaltigen Inhalt. Aber der Arbeitsproceß selbst erscheint nur als Mittel des Verwert- hungsprocesses, ganz wie der Gebrauchswerth des Products nur als Träger seines Tauschwerths. 

Die Selbstverwerthung des Capitals – die Schöpfung von Mehrwerth – ist also der bestimmende, beherrschen- de und übergreifende Zweck des Capitalisten, der absolute Trieb und Inhalt seines Thuns, in der That nur der rationalisirte Trieb und Zweck des Schatzbildners – ein durchaus armseliger und abstrakter Inhalt, der den Ka- pitalisten von einer andren Seite ganz ebenso sehr unter der Knechtschaft des Capitalverhältnisses erscheinen läßt, wenn auch von andrer Seite her, auf dem entgegengesetzten Pol, als den Arbeiter. 
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Ökonomisches Manuskript 1863-1865,
MEGA II/4.1, S. 65 



Nota. - Der Gedanke, dass der Kapitalist tiefer in der Entfremdung steckt als der Arbeiter, sofern nämlich jener in aufrührerischem Widerspruch zu einer Situation steht, in der der Kapitalist vielmehr seine Befriedigung fin- det, entspricht einer Darstellung Hegels im 'Herr-und-Knecht'-Kapitel der Phänomenologie des Geistes und hat viele Exegeten zum Schreiben angeregt. 

Die wissenschaftliche Darstellung von der Realität der Ausbeutung wäre ohne Sinn und Zweck ohne die Mög- lichkeit eines Bewusstseins von der Ausbeutung. Die Möglichkeit eines solchen Bewusstsein beruht keineswegs auf der 'konkreten Erfahrung des Arbeiters in der Fabrik': Dort verkleistert ihm die Verdinglichung die Augen ebenso wie dem Kapitalisten. Die Lücke, die sich in seiner Entfremdung auftut, ist vielmehr der Unwille gegen seine Klassenlage. Aus diesem Unwillen, der ein Politikum ist, wird unter günstigen Bedingungen (und bei wissenschaftlicher Aufklärung) vielleicht eine Einsicht in die Verdoppelung des Produktionsprozesses zu Arbeits- und Verwertungsprozess; doch ganz sicher nicht andersrum.
JE




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