Freitag, 25. November 2016

Die Unbestimmtheit der Zwecke, oder: Nicht die Lösungen sind durch Freiheit möglich, sondern die Probleme.



Wenngleich es "normal" ist, dass Dächer zweifach geneigt, dass Äxte mit einem Stiel versehen sind, dass der Schwepunkt eines Pfeils auf einem Drittel seiner Länge liegt, so ist es weder "normal" noch "anormal", dass es Häuser, Äxte, Pfeile gibt, sondern "willkürlich". Unstreitig wird dabei jedesmal die Rationalität des Realen ge- nutzt. Aber damit sie in solch brauchbarer Weise hervortreten kann, bedarf sie einer "absoluten Setzung" des Hauses, der Axt und des Pfeils. Sicher, es mag "obligatorische Lösungen" geben, aber zugleich gilt, dass es für den Menschen keine absoluten Probleme gibt. 

Damit berühren wir wiederum einen wesentlichen Punkt der technischen Schöpfung: Der Mensch steht nicht einigen ein für allemal festgelegten Problemen gegenüber, zu denen er im Laufe der Zeitalter "obligatorische" oder immer bessere Lösungen liefert; es gibt keinen Fixpunkt der menschlichen "Bedürfnisse". Der tiefe Gra- ben, der die Lebensbedürfnisse der Menschen als einer biologischen Art von den Bedürfnissen der Menschen als geschichtlichen Wesen scheidet, wird von der menschlichen Imagination gezogen, und die Hacke, die sie dazu braucht, ist die Technik.
________________________________________________________________________ 
Cornelius Castoriadis, Durchs Labyrinth; Seele, Vernunft, Gesellschaft. Frankfurt/M., 1981, S. 204f.


Nota. - Da ließe sich manches zu sagen; vor allem dies: Mit der 'Rationalität des Realen' hat er dem Objektivis- mus mehr zugestandem, als ihm zukommt. Bei der Bewältigung der Probleme, die sie sich stellen, bedienen sich die Menschen der technischen Mittel, die sich bewährt haben, und das ist eben: die durch unsere Gattungsge- schichte angestammte pp. Vernunft, die sich im Lauf der Jahrhunderttausende in unserer Technik niedergeschla- gen hat: der Ökonomie von Ursachen und Wirkungen. Nicht die Realität ist rational, sondern das Verfahren, durch das wir sie uns aneignen.
JE


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen