Mittwoch, 16. November 2016

Der dialektische Schein.


Pankration

Marx hat die Hegel'sche Dialektik, wie er sagte, "vom Kopf auf die Füße" gestellt: Während bei Hegel das 'Ganze' von seinem inneren (begrifflichen) Widerspruch in Bewegung  - These-Antithese-Synthese - gehalten wird, ist es bei Marx das verstehende Subjekt, das seine Vorstellungen nur durch Entgegensetzen bestimmen kann. Also nicht die Geschichte selbst 'verfährt dialektisch', sondern der kritische Wissenschaftler muss dialek- tisch verfahren, wenn er sie reale Entwicklungsdynamik durchschauen will. 

Die reale Entwicklungsdynamik wird dominiert nicht von logischen Widersprüchen, sondern von realen Anta- gonismen, und die lösen sich nicht "synthetisch" in einer Höheren Einheit, sondern praktisch durch Kampf, Sieg und Niederlage.

7) Kein Realsubjekt, keine Realdialektik

— Zwischen dem Arbeitsvermögen als transzendentalem Begriff und seinem Gegensetz: dem ‘Arbeits- mitttel‘,  (bzw. ’Kapital’) waltet allerdings eine ’Dialektik’: nämlich Wechselbestimmung durch Entgegen- setzung; aber eben nur zwischen den Begriffen, wo sie auch hingehört;

— zwischen den empirisch gegebnen Proletariern und den ebenso empirisch gegebnen Kapitalisten herrscht keine ‘Dialektik’, nicht einmal begrifflich: denn selbst begrifflich sind erstere lediglich  O b j e k t e  der letzteren, ‘Leiden’ ohne ‚Tätigkeit‘,  Rezeptivität ohne Spontaneität;

— und schließlich zwischen der ‘Arbeiterklasse‘ als politischem Begriff, praktischem Postulat — nämlich immer unter der Voraussetzung, daß sie wirklich als solche handelt — und der Kapitalistenklasse (nicht: “dem Kapital”!) herrscht keine ‘Dialektik’ (=Wechselbestimmung), sondern — ggf. — ein  r e a l e r   A n t a g o n i s m u s,  alias “Klassenkampf”: endend nicht in der ‘Synthese’, “Aufhebung” beider in eine “höhere Kategorie”, sondern…  S i e g  der einen über die andre…

Was sich in der Vorstellung nun wieder so ausdrücken läßt, daß ‘das Arbeitsvermögen’ mit ‚dem Arbeits- mittel‘ wieder ‘vereinigt’ wird (“Aufhebung der Teilung der Arbeit durch ihre Vollendung“), wobei man allerdings die (“idealistische”) Vorstellung fernzuhalten hat, als ob das, was durch die Wechselbestimmung der  B e g r i f f e  als logische Notwendigkeit erscheint, in der wirklichen Geschichte der empirischen Individuen eine real wirkende  K r a f t (“Entwicklungsgesetz”) wäre.

Denn in dem wissenschaftlichen Modell, das die ‘Kritik der politischen Ökonomie’ vom Gesamtprozeß der kapitalistischen Reproduktion entwirft, nämlich wo die ‘Kritik’ selber  T h e o r i e  ist, die das tatsächliche Geschehen ‘erkennen’ will; also in der ökonomischen Theorie geht die kapitalistisch Produktionsweise  n i c h t  an der Aktion der Verkäufer von Arbeitskraft zugrunde, sondern… am Fall der Profitrate! Und dies allerdings ‘notwendig‘, d.h. mit realer Kausalität; aber der kapitalistische  Z u s a m m e n b r u c h,  den die Theorie als empirisch unausweichlich darstellt,* ist ganz und gar nicht das “Aufgehen in die höhere Kate- gorie” (=”Kommunismus”); sondern kann, als rein negativ bestimmt, sehr wohl als “Untergang in der Bar- barei” stattfinden.

Das ‘Aufheben’ der durch den Kapitalismus herbeigeführten Verallgemeinerung der Bedürfnisse und Univer- salisierung des Verkehrs in eine ‘höhere‘ Form muß ein besonderer empirischer  A k t  sein (der weder fak- tisch noch logisch durch den “automatischen Zusammenbruch” bedingt ist, jedenfalls nicht notwendig), näm- lich die “proletarische Revolution”, eine  p r a k t i s c h e  Kategorie: eine ‘Idee’ insofern, als sie als Vorstel- lung konstitutiv ist bei der Bildung der Proletarier zur Klasse ‘für  sich für sich‘…; und die ‘Arbeiterklasse muß nach dieser ‘Idee’  h a n d e l n,  um zu  ’s e i n’.

*) Zugleich zählt Marx aber alle Faktoren auf, die im tatsächlichen Verlauf der kapitalistischen Reproduktion dem Fall der Profitrate tagtäglich entgegenwirken – Kapitalvernichtung durch Krisen und Kriege, Kapitalent- wertung durch technische  Revolution… Sie alle können die Tendenz zum Sinken der Profitrate nicht aufhe- ben; aber sie können das Sinken der Profitrate im gegebenen Moment verhindern. So dass das Sinken der Profitrate einmal eintreten muss; man kann nur nicht wissen, wann, und vielleicht… werden wir es nie erleben. 

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