Samstag, 5. November 2016
Das Subjekt setzt sich selbst.
Nachtrag
*Der Regressus geht nicht "in infinitum": Er endet nämlich in dem Punkt, in dem Apriori und Aposteriori identisch sind, bzw. Sein und Geltung, "das Sinnliche" und "das Intelligible": der "Tathandlung", Actus purus (gewissermaßen), und das ist 'nichts als' die "erste geschichtliche Tat" bei Marx, jene, die "den Menschen" zu einem solchen macht im Unterschied zum Tier: die Erzeuguung des ersten neuen, des ersten Kultur-Bedürfnisses, d. h. der Kultur selbst: das, was in den Pariser Manuskripten - höchst äquivok - "generatio aequivoca"*gennant wird.
Also in dieser "ursprünglichen" Handlung ist es nun wurscht, ob sie als "sinnlich" oder "ideal" vorgestellt ist, weil sie selbst überhaupt die Voraussetzhung, Bedingung dieser logischen Unterscheidung ist. "Was Handeln sey, lässt sich nur anschauen, nicht aus Begriffen entwickeln und durch Begriffe mittheilen; aber das in dieser Anschauung liegende wird begriffen durch den Gegensatz des blossen Seyns. Handeln ist kein Seyn, und Seyn ist kein Handeln; eine andere Bestimmung gibt es durch den blossen Begriff nicht; für das wahre Wesen muss man sich an die Anschauung wenden." Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 461.
"Der Begriff des Handelns, der nur durch diese intellectuelle Anschauung des selbsttätigen Ich möglich wird, ist der einzige, der beide Welten, die für uns da sind, vereinigt, die sinnliche und die intelligible. Was meinem Handeln entgegensteht, - etwas entgegensetzen muss ich ihm, denn ich bin endlich - ist die sinnliche, was durch mein Handeln entstehen soll, ist die intelligible Welt." ebd., S. 457.
Was bei Marx als "erste historische Tat" historisch, d. h. empirisch dargestellt ist, war bei Fichte logisch als "Tathandlung" dargestellt worden. Der verschwimmende Ausdruch "intellektuelle Anschauung" bezeichnet in seiner Paradoxie sehr treffend, dass eine weitere Bestimmung jener "Handlung", sei es nach der empirischen, sei es nach der logsichen Seite hin, in einem Brei der Ununterscheidbarkeit verschwimmen muss. Die "Tathandlung" ist der Indifferenzpunkt.
Darum auch Marx so unpräzise: An der Stelle in der Deutschen Ideologie heißt es nämlich zuerst, die "Produktion der Lebensmittel"* sei die "erste geschichtliche Tat", ein paar Zeilen weiter ist es jedoch 'erst' die Produktion der "Bedürfnisse". Das heißt, der Versuch, den "Indifferenzpunkt" empirisch weiter zu individualisieren, zu isolieren aus dem Wust mannigfaltiger Einzelheit, verläuft sich wie Rinnsale im Sand, wenn nicht der Begriff schon da ist, der im letzten Augenblick halt! ruft und noch einen Zipfel Faktizität erwischt, bevor die Anschauung sich in der Nacht der Mannigfaltigkeit verliert, in der alle Fakten grau werden - und dazu sie selber blind; weil nämlich die "erste geschichtliche Tat" nicht selber ein Fakt gewesen ist, nicht emprisich, nicht als solche, sondern nur als Bedeutung, die aposteriori, "historisch", aus der Erfahrung wirklicher Geschichtge entstanden ist und ex post festum dieser 'zu Grunde' gelegt wird: an diesen Anfang gedacht, absichtsvoll projiziert wird.
So dass die historischen Begebenheiten eben immer erst im nachhineinen zu etwas werden, was "sie selber" noch gar nicht waren...
*) MEW EB I, S. 545 [Das ist - aus dem Gedächtnis - falsch zitiert: Es heißt dort: Werkzeug.]
aus e. Notizbuch, 15. 11. 1986
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