Montag, 10. August 2015

Vergegenständlichung als Entfremdung.



Der fact, daß mit der Entwicklung der Productivkräfte der Arbeit die gegenständlichen Bedingungen der Arbeit, die vergegenständlichte Arbeit wachsen muß im Verhältniß zur lebendigen Arbeit – es ist dieß eigentlich ein tautologischer Satz, denn was heißt wachsende Productivkraft der Arbeit anders, als daß weniger unmittelbare Arbeit erheischt ist, um ein größres Product zu schaffen und daß also der gesellschaftliche Reichthum sich mehr und mehr ausdrückt in den von der Arbeit selbst geschaffnen Bedingungen der Arbeit – erscheint vom Standpunkt des Capitals so, nicht daß das eine Moment der gesellschaftlichen Thätigkeit – die gegenständliche Arbeit – zum immer gewaltigern Leib des andren Moments, der subjektiven, lebendigen Arbeit wird, sondern daß – und dieß ist wichtig für die Lohnarbeit – die objectiven Bedingungen der Arbeit eine immer colossalere Selbstständigkeit, die sich durch ihren very extent darstellt, gegen die lebendige Arbeit annehmen, und der gesellschaftliche Reichthum in gewaltigern Portionen als fremde und beherrschende Macht der Arbeit gegenübertritt. 

Der Ton wird gelegt nicht auf das Vergegenständlichtsein, sondern das Entfremdet-, Entäussert-, Veräussertsein – das Nicht-dem-Arbeiter-, sondern den personificirten Productionsbedingungen-, i. e. dem-Capital-Zugehören der ungeheuren [ver]gegenständlichten Macht, die die gesellschaftliche Arbeit selbst sich als eins ihrer Momente gegenübergestellt hat. Soweit auf dem Standpunkt des Capitals und der Lohnarbeit die Erzeugung dieses gegenständlichen Leibes der Thätigkeit im Gegensatz zum unmittelbaren Arbeitsvermögen geschieht – dieser Process der Vergegenständlichung in fact als Process der Entäusserung vom Standpunkt der Arbeit aus oder der Aneignung fremder Arbeit vom Standpunkt des Capitals aus erscheint – ist diese Verdrehung und Verkehrung eine wirkliche, keine blos gemeinte, blos in der Vorstellung der Arbeiter und Capitalisten existirende. 

Aber offenbar ist dieser Verkehrungsprocess blos historische Nothwendigkeit, blos Nothwendigkeit für die Entwicklung der Productivkräfte von einem bestimmten historischen Ausgangspunkt aus, oder Basis aus, aber keineswegs eine absolute Nothwendigkeit der Production; vielmehr eine verschwindende und das Resultat und der Zweck (immanente) dieses Processes ist diese Basis selbst aufzuheben, wie diese Form des Processes.
  
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Grundrisse, MEGA II/1.2, S. 698   [MEW 42, S. 721f.]


Nota. - Dies war stets die Lieblingsspielwiese der hegelisierenden Marx-Interpretation: Vergegenständlichuung, Verdinglichung, Entfremdung; ein scheinbar vertrautes Terrain der bloß-ideologischen Kritik, orientiert am 'Herr-und-Knecht'-Kapitel der Phänomenologie der Geistes, wo ganz im Dunkeln bleibt, was den Knecht bewogen haben mag, sich zu unterwerfen und den Andern zu seinem Herrn zu machen. Es bleibt nur die mystifizierte Vorstellung von der Selbstbewegung des Begriffs, um da einen Sinn hineinzufinden.

Doch nicht so bei Marx. Bei ihm produzieren wirkliche Menschen sachliche Gegenstände, und sie tun das unter historisch vorgegebenen Bedingungen - und nur unter diesen Bedingungen. Die dialektische Form der Darstellung hat den Sinn, aus dem Strom der Erscheinungen die tätigen Subjekte hervortreten zu lassen, und nicht, sie im Gegenteil in einen selbsttragenden Prozess zu versenken. 


Und vor allem: Es geht hier nicht um Formbestimmung des (hier: fixen) Kapitals, sondern um seine absolute Größe; seinen "very extent" und seine krasse Disproportion gegen die lebendige Arbeit. 
JE 


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