Mittwoch, 16. September 2015

Materialistische Geschichtsauffassung.


Ludwig Feuerbach

Marx hat als Junghegelianer begonnen. Die hatten Hegel gerade soweit kritisiert, als sie die Kritik anstelle der Hegel'sch Idee zum Subjekt machten. Feuerbach hatte darin einen blassen Widerschein der christlichen Religion erkannt, Hegels Idee war eine sophistische Version Gottes: einer tröstlichen Projektion, die die Menschen von sich selbst in den Himmel geworfen hatten. Kritik hieß Atheismus. Konsequenter Atheismus ist Materialismus: nämlich das Traumbild Gottes vom Himmel holen und den Menschen auf Erden an seine Stelle setzen. "Wir waren alle momentan Feuerbachianer", schrieb Engels später.

Doch der Mensch bleibt bei Feuerbach ein Abstraktum, er teilt die Schwäche alles bisherigen Materialismus': Er bleibt rein objektiv, und so kommt der Mensch bei ihm nur als ein Leidender, nur passiv vor. "Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich mensch- liche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv. Daher die tätige Seite abstrakt im Gegensatz zu dem Materialismus von dem Idealismus - der natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt - entwickelt."* 

Dass er die wirkliche, sinnliche Tätigkeit nicht kannte, kann man wohl von Hegel sagen. Von Marx muss man sagen, dass er die Transzendentalphilosophie in ihrer Fichte'schen Radikalität nicht kannte.** Fichte hingegen kennt überhaupt kein 'Sein' vor oder neben der Tätigkeit, und reale Tätigkeit ist für ihn Voraussetzung der idealen - und er versteht darunter nicht allein, aber auch nicht zuletzt die Produktion der materiellen Lebensbedingun- gen.

Marx geht es jedenfalls nicht mehr, wie bei den früheren Materialisten, um das Wesen der Dinge, sondern um das Verständnis der Geschichte. Materialistisch ist seine Geschichtsauffassung in dem Sinn, dass sie nichts in Erwägung zieht, als was wirkliche Menschen wirklich tun. Wer sich auf den transzendentalen Standpunkt ge- stellt hat, kann nicht anders verfahren. Und wer so verfährt, muss sich, wenn er nicht auf halbem Wege stehen bleiben will, auf den transzendentalen Standpunkt begeben.

*) 1. Feuerbachthese, MEW 3, S. 5

**) Die neue Darstellung in der WL nova methodo hat er allerdings auch nicht kennen können, sie wurde erst in unsern Tagen veröffentlicht. Sie ist allerdings nur im Vortrag nond der alten verschieden, nicht in der Sache.

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