Samstag, 1. Dezember 2018

Adam Smith über produktive und unproduktive Arbeit.


Wie wir A. Smith bisher in allem zwieschlächtig gefunden haben, so in der Bestimmung dessen, was er produk- tive Arbeit im Unterschied zu unproduktiver Arbeit nennt. Wir finden durcheinanderlaufend bei ihm zwei Bestim- mungen von dem, was er produktive Arbeit nennt, und wollen zuerst die erste, richtige Bestimmung betrach- ten.
[1. Produktive Arbeit im Sinn der kapitalistischen Produktion ist die Lohnarbeit, die Mehnüert produziert

Produktive Arbeit im Sinn der kapitalistischen Produktion ist die Lohnarbeit, die im Austausch gegen den va- riablen Teil des Kapitals (den in Salair ausgelegten Teil des Kapitals) nicht nur diesen Teil des Kapitals repro- duziert (oder den Wert ihres eignen Arbeitsvermögens), sondern außerdem Mehrwert für den Kapitalisten produziert. Nur dadurch wird Ware oder Geld in Kapital verwandelt, als Kapital produziert. Nur die Lohnar- beit ist produktiv, die Kapital produziert. (Dies ist dasselbe, daß sie die in ihr ausgelegte Wertsumme vergrö- ßert reproduziert oder mehr Arbeit zurückgibt, als sie erhält in der Form des Salairs. Also nur das Arbeitsver- mögen, dessen Verwertung größer ist als sein Wert.)

Die mere existence einer Kapitalistenklasse, also des Kapitals, beruht auf der Produktivität der Arbeit, aber nicht auf ihrer absoluten, sondern auf ihrer relativen Produktivität. Z.B.: Wäre ein Arbeitstag nur hinreichend, um den Arbeiter am Leben zu erhalten, d.h. sein Arbeitsvermögen zu reproduzieren, so wäre, absolut gespro- chen, die Arbeit produktiv, weil sie reproduktiv wäre, d.h. die von ihr konsumierten Werte (gleich dem / Wert ihres eignen Arbeitsvermögens) stets ersetzte. 

Allein, sie wäre nicht produktiv im kapitalistischen Sinn, weil sie keinen Mehrwert produzierte. (Sie produzierte in der Tat keinen neuen Wert, sondern ersetzte nur den alten; sie hätte ihn, den Wert, in der einen Form konsu- miert, um ihn in der andren zu reproduzieren. Und in diesem Sinn ist gesagt worden, daß ein Arbeiter produk- tiv ist, dessen Produktion gleich seiner eignen Konsumtion, und daß ein Arbeiter unproduktiv ist, der mehr konsumiert, als er reproduziert.) 

Diese Produktivität beruht auf der relativen Produktivität, daß der Arbeiter nicht nur einen alten Wert ersetzt, sondern einen neuen schafft; daß er mehr Arbeitszeit vergegenständlicht in seinem Produkt, als in dem Produkt vergegenständlicht ist, das ihn als Arbeiter am Leben erhält. Auf dieser Art produktiver Lohnarbeit beruht das Kapital, seine Existenz. {Aber gesetzt, es existiere kein Kapital, sondern der Arbeiter eignete sich selbst seine Surplusarbeit an, den Überschuß der Werte, die er geschaffen, über den Überschuß der Werte, die er konsu- miert. So wäre nur von dieser Arbeit zu sagen, daß sie wahrhaft produktiv ist, d.h. neue Werte schafft.} 

[2. Physiokraten und Merkantilisten über produktive Arbeit

Diese Auffassung der produktiven Arbeit folgt von selbst aus A. Smiths Auffassung vom Ursprung des Mehr- werts, also vom Wesen des Kapitals. Soweit er diese Auffassung geltend mächt, folgt er der einen bei den Phy- siokraten und selbst Merkantilisten eingeschlagnen Richtung, sie nur von falscher Vorstellungsweise befreiend, also ihren innren Kern herausarbeitend. 

Die Physiokraten, in ihrer falschen Auffassung, daß nur die Agrikulturarbeit produktiv sei, machten die rich- tige Ansicht geltend, daß nur die Arbeit, vom kapitalistischen Standpunkt aus, produktiv ist, die einen Mehrwert schafft, und zwar nicht für sich selbst, sondern für den Eigentümer der Produktionsbedingungen, die ein pro- duit net nicht für sich selbst, sondern für den Grundeigentümer schafft. 

Denn die surplus value oder Surplusarbeitszeit ist vergegenständlicht in einem surplus produce oder produit net. (Sie fassen dies wieder falsch; weil mehr Weizen z.B. übrigbleibt, als Arbeiter und Pächter aufessen; aber es bleibt auch mehr Tuch übrig als das, was Tuchmacher (Arbeiter und master) zu ihrer eignen Bekleidung bedür- fen.) Die surplus value wird selbst falsch aufgefaßt, weil sie /  falsche Vorstellung von der value haben und sie auf den Gebrauchswert der Arbeit, nicht auf Arbeitszeit, gesellschaftliche, qualitätslose Arbeit reduzieren. 

Nichtsdestoweniger bleibt die richtige Bestimmung, daß die Lohnarbeit nur produktiv ist, die mehr Wert schafft, als sie kostet. A.Smith befreit dies von der falschen Vorstellung, die bei den Physiokraten damit verbunden ist. Gehn wir von den Physiokraten auf die Merkantilisten zurück. Auch hier ist eine Seite, die, wenn auch ihnen bewußtlos, dieselbe Ansicht von der produktiven Arbeit enthält. Ihnen lag die Vorstellung zugrunde, daß die Arbeit nur produktiv in den Produktionszweigen, deren Produkte, nach dem Ausland geschickt, mehr Geld zu- rückbringen, als sie gekostet haben (oder als für sie ausgeführt werden mußte), die also ein Land befähigten, in besondrem Grad an den Produkten der neueröffneten Gold- und Silberminen zu partizipieren. 

Sie sahen, daß in diesen Ländern rasches Wachstum des Reichtums und der Mittelklasse stattfand. Worauf be- ruhte in der Tat dieser Einfluß des Goldes? Der Arbeitslohn stieg nicht im Verhältnis wie die Warenpreise; der Arbeitslohn sank also, und damit vermehrte sich die relative Surpiusarbeit, stieg die Rate des Profits, nicht weil der Arbeiter produktiver geworden, sondern weil der absolute Arbeitslohn (d. h. die Summe der Lebensmittel, die der Arbeiter erhält) herabgedrückt wurde, mit einem Wort, die Lage der Arbeiter sich verschlechterte. Die Arbeit wurde also in diesen Ländern in der Tat produktiver für ihre Anwender. Dies fact hing mit dem influx der edlen Metalle zusammen; und es war dies ein wenn auch nur dunkel geahntes Motiv, weshalb die Merkan- tilisten die in solchen Produktionszweigen angewandte Arbeit für allein produktiv erklärten. 

„Das auffallende Wachstum [der Bevölkerung], das in den 50 oder 60 letzten Jahren fast in ganz Europa stattfand, hat vielleicht seinen Hauptgrund in der angewachsenen Produktivität der amerikanischen Minen. Ein vermehr- ter Überfluß der Edelmetalle" {of course infolge des Sinkens ihres realen Werts} „hebt den Preis der Waren in größrem Verhältnis als den Preis der Arbeit; das drückt die Lage des Arbeiters herab und vermehrt zugleich die Profite seines Anwenders, der so mehr zirkulierendes Kapital zum Mieten von Arbeitern anwendet, und dies be- fördert das Wachstum der Bevölkerung... Malthus bemerkt, daß ,die Entdeckung der Minen von Amerika, wäh- rend sie den Preis des Korns 3 - 4mal, den der Arbeit nur 2mal hob ...' Der Preis der Waren für den Konsum im Inland (z.B. Korn) steigt nicht unmittelbar infolge eines Einströmens von Geld, aber da die Profitrate in der Agrikultur gegen die der Industrie fällt, wird Kapital von der erstem der letztern zugewandt: So wirft jedes Ka- pital einen höheren Profit ab als früher, und ein Ansteigen der Profite ist immer gleich einem Fallen / der Löh- ne." (JohnBarton, „Observations on the circvmstances which influence the condition of the labouring classes of society", London 1817, p. 29 sqq.

Also erstens hätte sich nach Barton in der 2ten Hälfte des 18ten Jahrhunderts dasselbe Phänomen wiederholt, das seit dem letzten [Drittel] des 16. Jahrhunderts und im 17. dem Merkantilsystem den Anstoß gab. Zweitens, da nur die exportierten Waren in Gold und Silber nach seinem gesunknen Wert sich messen, während die für home consumption noch fortfahren, in Gold und Silber nach seinem alten Wert gemessen zu werden (bis die Konkurrenz unter den Kapitalisten dies Messen in 2 verschiednen Maßen aufhebt), so erscheint die Arbeit in den ersten Produktionszweigen als unmittelbar produktiv, d.h. Mehrwert schaffend, dadurch, daß sie den Ar- beitslohn unter sein altes Niveau herabdrückt. 
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Theorien über den Mehrwert, MEW 26.1, Berlin (O) 1965, S. 122-125  



Nota. - Die durchgeführte Kritik zeigt nicht nur, wie sich die Begriffe - seit den Physiokraten - krumm und schief, aber aus theoretischen Systemwillen entwickeln; sondern im Keim sich bei den Merkantilisten aus rein zirkumstan- ziellem Vorstellungen ergeben haben. Es ist die Kritik, die aus tendenziös verwendeten Terminis Begriffe über- haupt erst fasst: 'So hätten die Begriffe bestimmt sein müssen, wenn die Politische Ökonomie wirklich ein System hätte werden sollen' - bis hin zu dem Punkt, wo das Faktums des Mehrwerts das "Wertgesetzt" ad absurdum führt. Das ist es, was Marx "Kritik durch Darstellung" [Brief an Ferdinand Lassalle, 11. März 1858. (MEW 29, S. 550)] nennt.
JE

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