Freitag, 14. Dezember 2018

Notwendig und durchschnittlich.

wolfram

Es ist nur in einzelnen Fällen, daß der Kapitalist durch Einführung der Maschinerie direkte Herabsetzung des Ar- beitslohns bezweckte, obgleich dies stets der Fall, wenn er an die Stelle der geschickten Arbeit einfache und an die Stelle der Arbeit erwachsener Männer die Arbeit von Frauen und Kindern setzt. 

Der Wert der Ware ist durch die in ihr enthaltne gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt. Bei Einführung neuer Maschinerie, solange die Masse der Produktion noch auf Grundlage der alten Produktionsmittel fort- dauert, kann der Kapitalist die Ware unter ihrem gesellschaftlichen Wert verkaufen, obgleich er sie über ihrem individuellen Wert verkauft, d.h. über der Arbeitszeit, die er unter dem neuen Produktionsprozeß zu ihrer Her- stellung bedarf. Hier scheint also der Mehrwert für ihn aus dem Verkauf — der Übervorteilung der andren Wa- renbesitzer, dem Steigen des Preises der Ware über ihren Wert, herzustammen, nicht aus der Verminderung der notwendigen Arbeitszeit und der Verlängerung der Surplusarbeitszeit. 

Indes ist auch das nur Schein. Durch die ausnahmsweise Produktivkraft, die die Arbeit hier im Unterschied von der Durchschnittsarbeit in demselben Geschäftszweig erhalten, wird sie im Verhältnis zu derselben höhre Ar- beit, so daß z. B. eine Arbeitsstunde derselben gleich  5/4 Arbeitsstunden der Durchschnittsarbeit, einfache Ar- beit auf höherer Potenz. Der Kapitalist zahlt sie aber wie die Durchschnittsarbeit. Eine geringre Zahl Arbeits- stunden wird so gleich einer größeren Zahl Arbeitsstunden der Durchschnittsarbeit. Er bezahlt sie als Durch- schnittsarbeit und verkauft sie als das, was sie ist, höhere Arbeit, von der ein bestimmtes Quantum = einem höheren Quantum der Durchschnittsarbeit. Der Arbeiter braucht hier also nur geringre Zeit zu arbeiten, unter der Voraussetzung, als der Durchschnittsarbeiter, um denselben Wert zu produzieren. 

Er arbeitet also in der Tat geringere Arbeitszeit — als der Durchschnittsarbeiter — um das Äquivalent für seinen Arbeitslohn oder die zur Reproduktion seines Arbeitsvermögens nötigen Lebensmittel zu produzieren. Er gibt also eine größre Zahl Arbeitsstunden als Surplusarbeit dem Kapitalisten, und es ist nur diese relative Surplusarbeit, die dem letztern beim Verkauf den Überschuß des Preises der Ware über ihren Wert liefert. Er realisiert diese Surplusarbeitszeit, oder, was dasselbe, diesen Surpluswert nur im Verkauf, der also nicht aus dem Verkauf, sondern aus der Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit und daher der relativen Vermehrung der Surplusarbeitszeit herstammt. 

Selbst wenn der Kapitalist, der die neue Maschinerie einführt, höheren als den Durchschnittsarbeitslohn zahlte, rührte der von ihm realisierte Uberschuß über den normalen Mehrwert, den von den andren Kapitalisten in demselben Geschäftszweig realisierten Mehrwert, nur davon her, daß der Arbeitslohn nicht in demselben Ver- hältnis vermehrt wird, in welchem  / diese Arbeit über die Durchschnittsarbeit steigt, daß also stets eine relative Vermehrung der Surplusarbeitszeit stattfindet. Dieser Fall also auch subsumiert unter das allgemeine Gesetz, daß der Mehrwert = Surplusarbeit. 

Die Maschinerie — sobald sie kapitalistisch angewandt wird, sich nicht mehr in ihren Anfängen befindet, worin sie meist nichts als machtvolleres Handwerksinstrument ist — setzt die einfache Kooperation voraus, und zwar er- scheint diese, wie wir weiter sehn werden, als viel wichtigeres Moment in ihr wie in der auf Teilung der Arbeit beruhenden Manufaktur, wo sie sich nur im Prinzip der multiples geltend macht, i.e. nicht nur darin, daß die verschiednen Operationen unter verschiedne Arbeiter verteilt sind, sondern daß Verhältniszahlen stattfinden, worin bestimmte Anzahl von Arbeitern gruppenweis je den einzelnen Operationen zugeteilt, unter sie subsu- miert ist. Im mechanischen Atelier, der entwickeltsten Form der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie, ist es wesentlich, daß viele dasselbe tun. Es ist sogar sein Hauptprinzip. 

Die Anwendung der Maschinerie setzt ferner ursprünglich als Existenzbedingung die auf Teilung der Arbeit beruhnde Manufaktur voraus, indem die Maschinenfabrikation selbst — also die Existenz der Maschine — auf einem Atelier beruht, worin das Prinzip der Teilung der Arbeit vollständig durchgeführt. Erst auf weiterer Entwicklungsstufe findet Maschinenfabrikation selbst auf Grundlage der Maschinerie — durch mechanisches Atelier — statt. 

„In den Anfängen des mechanischen Ateliers bot eine Werkstatt dem Auge die Teilung der einzelnen Arbeiten in mannigfachen Abstufungen dar; die Feile, der Bohrer, die Drechselbank hatten ein jedes je nach dem Grad der Geschicklichkeit seine Arbeiter; aber die Fingerfertigkeit, mit der Arbeiter mit Feilen oder Bohrern umgin- gen, ist heute durch Maschinen zum Hobeln, zum Fräsen von Falzen in Holz und zum Bohren versetzt, wäh- rend die manuelle Arbeit der Eisen- und Kupferdreher von der maschinell betriebenen Drehbank übernommen wurde." (p.30, 31, Ure, 1.1, I.e.) 

Die in der Manufaktur entwickelte Teilung der Arbeit wiederholt sich einerseits im Innern des mechanischen Ateliers, obgleich in sehr vermindertem Maßstab; andrerseits, wie wir später sehn werden, wirft das mechani- sche Atelier die wesentlichsten Prinzipien der auf Teilung der Arbeit beruhenden Manufaktur über den Haufen. Endlich vermehrt die Anwendung der Maschinerie die Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft, die Ver- vielfältigung der besondren Geschäftszweige und unabhängigen Produktionssphären. 

Ihr Grundprinzip ist Ersetzung geschickter Arbeit durch einfache Arbeit; also auch Reduktion der Masse des Arbeitslohns auf den Durchschnittsarbeitslohn oder Reduktion der notwendigen Arbeit der Arbeiter auf das / Durchschnittsminimum und Reduktion der Produktionskosten des Arbeitsvermögens auf die Produktions- kosten des einfachen Arbeitsvermögens. 
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Ökonomisches Manuskript von 1861-63, in Marx-Engels-Werke Band 43, Berlin 1990, S. 315ff.




Nota. - Als gesellschaftlich notwendige Arbeit gilt der Durchschnitt. Wer über dem Durchschnitt liegt, macht Verlust, weil sein Produkt unverkäuflich geworden ist. Wer unter dem Durchschnitt bleibt, macht einen größeren als den durchschnittlichen Gewinn - und sei es nur, weil er mehr, nämlich billiger verkauft als die andern. Das ist der springende Punkt beim Durchschnitt: Er ändert sich, indem einige darunter bleiben; aber nicht, wenn andere darüber bleiben: Die fallen einfach aus. Das ist 'Gesetz'.
JE


 

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