Dienstag, 18. Dezember 2018

Stücklohn (Akkord).



Diese verschiednen Formen des Arbeitslohns gehn das allgemeine Verhältnis nichts an. Es ist übrigens auf der Hand liegend, daß beim Stücklohn die- selbe Frage eintritt: Woher kommt der Mehrwert? 

Offenbar, daß das Stück nicht ganz bezahlt wird; daß mehr Arbeit in dem Stück absorbiert ist als für es in Geld bezahlt wird. Also das ganze Phänomen nur dadurch zu erklären (alle andren Erklärungsweisen setzen es schließ- lich immer wieder voraus), daß der Arbeiter nicht seine Arbeit verkauft als Ware — und das ist sie, sobald sie vergegenständlicht ist, in welchem Gebrauchswert immer, also stets als Resultat des /Arbeitsprozesses, also meist, bevor die Arbeit gezahlt wird —, sondern sein Arbeitsvermögen, bevor es gearbeitet hat und sich als Arbeit verwirklicht hat. 

Das Resultat — daß der vorausgesetzte Wert oder die Geldsumme, die der Käufer in die Zirkulation warf, nicht nur reproduziert ist, sondern sich verwertet hat, in einer bestimmten Proportion gewachsen, zu dem Wert ein Mehrwert hinzugekommen ist —, dies Resultat wird nur in dem unmittelbaren Produktionsprozeß verwirklicht, denn erst hier wird aus dem Arbeitsvermögen wirkliche Arbeit, vergegenständlicht sich die Arbeit in einer Wa- re. Dies Resultat ist, daß der Käufer mehr vergegenständlichte Arbeit in der Form von Ware zurückerhält, als er in der Form von Geld vorgeschossen hat. Während des Arbeitsprozesses selbst ist dieser Mehrwert — dieses Surplus vergegenständlichter Arbeitszeit erst entsprungen, die er später wieder in Zirkulation wirft, indem er die neue Ware verkauft. 

Aber dieser zweite Akt, in dem der Mehrwert wirklich entspringt und das Kapital in der Tat produktives Kapi- tal wird, kann nur eintreten infolge des ersten Akts und ist nur eine Konsequenz des spezifischen Gebrauchs- werts der Ware, die im ersten Akt zu ihrem Wert gegen Geld ausgetauscht wird. 

Der erste Akt findet aber nur statt unter gewissen historischen Bedingungen. Der Arbeiter muß frei sein, um über sein Arbeitsvermögen als sein Eigentum verfügen zu können, also weder Sklave, Leibeigner, Höriger. Andrerseits muß er ebensowohl die Bedingungen, sein Arbeitsvermögen verwirklichen zu können, verloren haben. Also weder zu eignem Gebrauch wirtschaftender Bauer oder Handwerker sein, überhaupt er muß auf- gehört haben, Eigentümer zu sein. Es ist unterstellt, daß er als Nichteigentümer arbeitet und die Bedingungen seiner Arbeit ihm als fremdes Eigentum gegenüberstehn. 

In diesen Bedingungen liegt also auch, daß die Erde ihm als fremdes Eigentum gegenübersteht; daß er ausge- schlossen ist vom Gebrauch der Natur und ihrer Produktionen. Es ist dies der Punkt, worin das Grundeigen- tum als eine notwendige Voraussetzung der Lohnarbeit und daher des Kapitals erscheint. Im übrigen ist es bei der Betrachtung des Kapitals als solchem nicht weiter zu berücksichtigen, indem die der kapitalistischen Form der Produktion entsprechende Form des Grundeigentums selbst ein historisches Produkt der kapitalistischen Produktionsweise ist. 

In dem Dasein des Arbeitsvermögens als Ware, angeboten vom Arbeiter selbst — liegt also ein ganzer Umkreis von historischen Bedingungen, unter denen allein die Arbeit Lohnarbeit, daher das Geld Kapital werden kann. Es handelt sich dabei natürlich darum, daß die Produktion im allgemeinen auf dieser Grundlage beruht, die Lohnarbeit und ihre Verwendung durch Kapital nicht als sporadische Erscheinung auf der Oberfläche der Gesellschaft vorkommt, sondern daß dies herrschendes Verhältnis.
______________________________________________________________________
Ökonomisches Manuskript von 1861-63, in Marx-Engels-Werke Band 43, Berlin 1990, S. 103f.
 



Nota. - Unmittelbar bevor Marx mit dem Begriff, d. h. mit dem "herrschenden Verhältnis" argumentiert, hatte er freilich vorgerechneet, wie auch im Stücklohn letztlich die Arbeitszeit als Maßstab gilt; nämlich im Durchschnitt. Stücklohn kommt nur zur Anwendung, wenn der bestimmte Arbeiter - die bestimmte Gruppe von Arbeitern - in ihrem Durchschnitt den allgemeinen Durchschnitt unterbieten.
JE



 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen