Mittwoch, 13. Januar 2016

Kommen die Begriffe vor oder nach der Geschichte?


Las Sardanas se bailan con los pies.

Der gewöhnlichen Anschauung erscheinen [die] Vertheilungsverhältnisse als Naturverhältnisse, als Verhält-nisse, die aus der Natur aller gesellschaftlichen Produktion, aus den Gesetzen der menschlichen Produktion schlechthin entspringen. Es kann zwar nicht geleugnet werden, daß vorkapitalistische Gesellschaften andre Vertheilungsweisen zeigen, aber diese werden dann als unentwickelte, unvollkommene und verkleidete, nicht auf ihren reinsten Ausdruck und ihre höchste Gestalt reducirte, anders gefärbte Weisen jener naturgemäßen Vertheilungsverhältnisse gedeutet.

Das einzig Richtige in dieser Vorstellung ist dies: Gesellschaftliche Produktion irgend einer Art (z. B. die der naturwüchsigen indischen Gemeinwesen oder die des mehr künstlich entwickelten Kommunismus der Peru-aner) vorausgesetzt, kann stets unterschieden werden zwischen dem Theil der Arbeit, dessen Produkt unmittel-bar von den Producenten und ihren Angehörigen individuell konsumirt wird, und – abgesehn von dem Theil der der produktiven Konsumtion anheimfällt – einem andern Theil der Arbeit, der immer Mehrarbeit ist, des-sen Produkt stets zur Befriedigung allgemeiner gesellschaftlicher Bedürfnisse dient, wie immer dies Mehrpro-dukt vertheilt werde, und wer immer als Repräsentant dieser gesellschaftlichen Bedürfnisse fungire. Die Iden-tität der verschiednen Vertheilungsweisen kommt also darauf hinaus, daß sie identisch sind, / wenn man von ihren Unterscheidungen und specifischen Formen abstrahirt, nur die Einheit in ihnen, im Gegensatz zu ihrem Unterschied festhält.

Weiter gebildetes, mehr kritisches Bewußtsein gibt jedoch den geschichtlich entwickelten Charakter der Vert-heilungsverhältnisse zu, hält dafür aber um so fester an dem sich gleichbleibenden, aus der menschlichen Natur entspringenden, und daher von aller geschichtlichen Entwicklung unabhängigen Charakter der Produktionsver-hältnisse selbst.

Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise beweist dagegen umgekehrt, daß sie eine Produktionsweise von besondrer Art, von specifischer historischer Bestimmtheit ist; daß sie, wie jede andre bestimmte Produktionsweise, eine gegebne Stufe der gesellschaftlichen Produktivkräfte und ihrer Entwick-lungsformen als ihre geschichtliche Bedingung voraussetzt: eine Bedingung, die selbst das geschichtliche Resul-tat und Produkt eines vorhergegangnen Processes ist, und wovon die neue Produktionsweise als von ihrer ge-gebnen Grundlage ausgeht; daß die dieser specifischen, historisch bestimmten Produktionsweise entsprechen-den Produktionsverhältnisse – Verhältnisse, welche die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Lebensproceß, in der Erzeugung ihres gesellschaftlichen Lebens eingehn – einen specifischen, historischen und vorübergehenden Charakter haben; und daß endlich die Vertheilungsverhältnisse wesentlich identisch mit diesen Produktionsver-hältnissen, eine Kehrseite derselben sind, sodaß beide denselben historisch vorübergehenden Charakter theilen.

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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 849f. [MEW 25, S. 884f.


Nota.- Der Begriff des Mehrwerts wurde gebraucht, um die historische Realität des Kapitals zu verstehen; aber der Begriff des Mehrwerts setzt den Begriff des Werts voraus. Mit andern Worten, die Politische Ökonomie mag den Wertbegriff gebrauchen, wozu sie mag; für die Kritik der Politischen Ökonomie hat er nur einen Sinn, wo es um das Verständnis des Kapitalverhältnisses geht, ansonsten ist er Schall und Rauch.
JE





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