Nachfrage und Zufuhr decken sich, wenn sie in solchem Verhältniß stehn, daß die Waarenmasse eines be-stimmten Produktionszweigs zu ihrem Marktwerth verkauft werden kann, weder darüber noch darunter.
Das ist das erste, was wir hören. Das zweite: Wenn die Waaren zu ihrem Marktwerth verkaufbar, decken sich Nachfrage und Zufuhr. Wenn Nachfrage und Zufuhr sich decken, hören sie auf zu wirken, und eben deßwegen wird die Waare zu ihrem Marktwerth verkauft. Wenn zwei Kräfte in entgegengesetzter Richtung gleichmäßig wirken, heben sie einander auf, wirken sie gar nicht nach außen, und Erscheinungen, die unter dieser Bedin-gung vorgehn, müssen anders als durch das Eingreifen dieser beiden Kräfte erklärt werden.
Wenn Nachfrage und Zufuhr sich gegenseitig aufheben, hören sie auf irgend etwas zu erklären, wirken sie nicht auf den Marktwerth, und lassen uns erst recht im Dunkeln darüber, weßhalb der Marktwerth sich grade in die-ser Summe Geld ausdrückt und in keiner andern. Die wirklichen innern Gesetze der kapitalistischen Produkti-on können offenbar nicht aus der Wechselwirkung von Nachfrage und Zufuhr erklärt werden (ganz abgesehn von tieferer, hier nicht angebrachter Analyse dieser beiden gesellschaftlichen Triebkräfte), da diese Gesetze nur dann rein verwirklicht erscheinen, sobald Nachfrage und Zufuhr aufhören zu wirken, d. h. sich decken.
Nachfrage und Zufuhr decken sich in der That niemals, oder wenn sie sich einmal decken, so ist es zufällig, also wissenschaftlich = 0 zu setzen, als nicht geschehn zu betrachten. In der politischen Oekonomie* wird aber unterstellt, daß sie sich decken, warum? Um die Erscheinungen in ihrer gesetzmäßigen, ihrem / Begriff ent-sprechenden Gestalt zu betrachten, d. h. sie zu betrachten unabhängig von dem durch die Bewegung von Nachfrage und Zufuhr hervorgebrachten Schein. Andrerseits, um die wirkliche Tendenz ihrer Bewegung auf-zufinden, gewissermaßen zu fixiren. Denn die Ungleichheiten sind entgegengesetzter Natur, und da sie einan-der beständig folgen, gleichen sie sich durch ihre entgegengesetzten Richtungen, durch ihren Widerspruch unter einander aus.
Wenn also in keinem einzigen gegebnen Fall Nachfrage und Zufuhr sich decken, so folgen sich ihre Ungleich-heiten so – und es ist das Resultat der Abweichung in einer Richtung, eine andre Abweichung in einer entge-gengesetzten Richtung hervorzurufen – daß wenn das Ganze einer größern oder kleinern Zeitperiode betrach-tet wird, sich Zufuhr und Nachfrage beständig decken; aber nur als Durchschnitt der verflossenen Bewegung und nur als beständige Bewegung ihres Widerspruchs. Dadurch gleichen sich die von den Marktwerthen abwei-chenden Marktpreise, ihrer Durchschnittszahl nach betrachtet, zu Marktwerthen aus, indem sich die Abwei-chungen von den letztren aufheben als Plus und Minus.
Und diese Durchschnittszahl ist keineswegs von bloß theoretischer Wichtigkeit, sondern von praktischer für das Kapital, dessen Anlage auf die Schwankungen und Ausgleichungen in mehr oder minder bestimmter Zeit-periode berechnet ist.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 109f. [MEW 25, S. 199f.]
*) [Noch zählt sich Marx zu ihr! JE]
Nota. - Der Markt ist kein Sachverhalt, sondern ein systemischer Prozess, und womöglich dessen Urtyp - so wie die Konkurrenz der Urtyp von Darwins Survival of the fittest war. Da gibt es keine isolierbaren Ursachen und Wirkungen, sondern nur lauter individuellen Daten, aus deren Mannigfaltigkeit man empirisch bestenfalls einen Durchschnitt ermitteln kann. Diesen Durchschnitt mag man ein 'Gesetz' nennen, das ist nicht verboten; aber es ist irreführend, weil es so klingt, als sei der Durchschnitt eher da gewesen als die zufälligen Einzeldaten.
Das gilt schon für die Naturwissenschaften, aber erst recht für die Sphäre menschlichen Handelns.
Nachtrag, Feb. 2018: Doch nicht vergessen - in den Naturwissenschaften stellt sich ein Durchschnitt nicht "von alleine" ein, sondern muss vom Statistiker errechnet werden; und nur durch ihn kann er etwas bewirken. - Selber wirk lich ist ein Durchschnitt nur in einer Gesellschaft, die auf dem verallgemeinerten und prozessierenden Austausch Aller mit Allen beruht. In den feudalen gesellschaftlichen Bildungen ist eines hier so, jenes dort anders. Manche Form mag dem Betrachter - auch einem zeitgenössischen - typisch vorkommen, eine andere ungewohnt. Aber ein Ausgleich kommt weder in der Sache noch in der Vorstellung zustande.
JE
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