Bei allen alten Völkern erscheint das Aufhäufen von Gold und Silber
ursprünglich als priesterliches und königliches Privilegium, da der Gott und
König der Waaren nur den Göttern und Königen zukommt. Nur sie verdienen
den Reichthum als solchen zu besitzen.
Dieß Aufhäufen dann einerseits nur
als zur Schaustellung des Ueberflusses, d. h. des Reichthums als einer
extraordinären, sonntäglichen Sache; zum Geschenk für Tempel und ihre
Götter; zu öffentlichen Kunstgegenständen; endlich als gesichertes Mittel
für den Fall ausserordentlicher Noth, zum Waffenankauf etc.
Das Aufhäufen
wird später bei den Alten Politik. Der Staatsschatz als Reservefonds, und
der Tempel sind die ursprünglichen Banken, worin dieß Allerheiligste
conservirt wird. Das Aufhäufen und Aufspeichern [erreicht] seine lezte
Entwicklung in den modernen Banken; hier aber mit weiter entwickelter Bestimmung. Andrerseits bei den Privaten das Aufspeichern als
In-Sicherheit-Bringen des Reichthums in seiner gediegnen Form vor den
Wechselfällen der äußren Welt, in welcher er vergraben werden kann, etc,
kurz in ein ganz geheimes Verhältniß zum Individuum tritt.
Dieß noch auf
grosser historischer Stufenleiter in Asien. Wiederholt sich bei allen panics,
Kriegen etc in der bürgerlichen Gesellschaft, die dann in den barbarischen
Zustand zurückfällt. Ebenso das Aufhäufen des Goldes etc als Schmuck und
Prunk bei Halbbarbaren.
___________________________________________Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 154 [MEW 42, S. 156f.]
On the waterfront
Die erste Voraussetzung ist, daß auf der einen Seite das Capital steht
und auf der andren die Arbeit, beide als selbstständige Gestalten gegen
einander; beide also auch fremd gegen einander. Die Arbeit, die dem Capital
gegenübersteht, ist fremde Arbeit und das Capital, das der Arbeit gegenübersteht ist fremdes Capital. Die Extreme, die sich gegenüberstehn, sind
spezifisch verschieden.
In der ersten Setzung des einfachen Tauschwerths
war die Arbeit so bestimmt, daß das Product nicht unmittel-barer Gebrauchswerth für den Arbeiter war, nicht directes Subsistenzmittel. Dieß war
die allgemeine Bedin-gung des Schaffens eines Tauschwerths und des
Austauschs überhaupt. Sonst hätte der Arbeiter nur ein Pro-duct hervorgebracht – einen unmittelbaren Gebrauchswerth für sich – aber keinen
Tauschwerth. Dieser Tauschwerth jedoch war materialisirt in einem Product,
das als solches Gebrauchswerth für andre hatte und als solches Gegenstand
ihrer Bedürfnisse war.
Der Gebrauchswerth, den der Arbeiter dem Capital
gegenüber anzubieten hat, den er also überhaupt anzubie-ten hat für andre,
ist nicht materialisirt in einem Product, existirt überhaupt nicht ausser ihm,
also nicht wirk-lich, sondern nur der Möglichkeit nach, als seine Fähigkeit.
Wirklichkeit wird er erst, sobald er von dem Capital sollicitirt, in Bewegung gesezt wird, da Thätigkeit ohne Gegenstand nichts ist oder höchstens
Gedankenthätig-keit, von der es sich hier nicht handelt. Sobald er die
Bewegung vom Capital erhalten, ist dieser Gebrauchs-werth als die
bestimmte, productive Thätigkeit des Arbeiters; es ist seine auf einen
bestimmten Zweck gerich-tete und darum in bestimmter Form sich äussernde
Lebendigkeit selbst.
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 189 [MEW 42, S. 190f.]
alcoholabuseandrehab
Die einfache Circulation bestand aus einer Menge gleichzeitiger oder
successiver Austausche. Die Einheit der-selben als Circulation betrachtet,
war eigentlich nur vom Standpunkt des Beobachters aus vorhanden. (Der
Austausch kann zufällig sein und er hat mehr oder minder den Charakter,
wo er auf den Austausch des Ueber-flusses beschränkt, nicht das Ganze des
Productionsprocesses ergriffen hat.)
In der Circulation des Capitals haben
wir eine Reihe von Tauschoperationen, von Tauschakten, deren jede ge-gen
die andre ein qualitatives Moment vorstellt, ein Moment in der Reproduction
und Wachsthum des Capitals. Ein System von Austauschen, Stoffwechsel,
so weit der Gebrauchswerth betrachtet, Formwechsel, so weit der Werth als
solcher betrachtet wird.
Das Product verhält sich zur Waare, wie Gebrauchswerth zum Tauschwerth; so die Waare zum Geld. Hier er-reicht die eine Reihe
ihre Höhe. Das Geld verhält sich zur Waare in die es rückverwandelt wird
als Tausch-werth zum Gebrauchswerth; noch mehr so das Geld zur Arbeit.
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 522 [MEW 42, S. 537]
Nota. - Die einfache Zirkulation gehört zu einer Entwicklungsstufe, wo die Güter noch vernehmlich um ihres Gebrauchswerts willen produziert, und nur nebenbei gegen andere Güter eingetauscht werden. Mit der Ent-wicklung des Kapitals werden die Güter von vornherein als Waren und um ihres Tauschwert willen produziert; ihr Gebrauchswert kommt nur sekundär als Bedingung für die Realisierbarkeit des Tauschwerts in Betracht.
JE
Tinguely
Jedes Individuum besizt die gesellschaftliche Macht unter der Form einer Sache. Raubt der Sache diese
ge-sellschaftliche Macht und ihr müßt sie Personen über die Personen geben.
Persönliche Abhängigkeitsverhält-nisse (zuerst ganz naturwüchsig) sind die
ersten Gesellschaftsformen, in denen sich die menschliche Producti-vität nur /
in geringem Umfang und auf isolirten Punkten entwickelt.
Persönliche
Unabhängigkeit auf sachlicher Abhängigkeit gegründet ist die zweite grosse
Form, worin sich erst ein System des allgemeinen gesellschaftlichen Stoffwechsels, der universalen Beziehungen, allseitiger Bedürfnis-se, und universeller Vermögen bildet.
Freie Individualität, gegründet auf die universelle
Entwicklung der Individuen und die Unterordnung ihrer ge-meinschaftlichen, gesellschaftlichen Productivität als ihres gesellschaftlichen Vermögens, ist die 3te Stufe. Die 2te schafft die Bedingungen der 3ten.
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 90f. [MEW 42, S. 91]
frauenzimmer
Der gesellschaftliche Charakter der Thätigkeit, wie die gesellschaftliche
Form des Products, wie der Antheil des Individuums an der Production
erscheint hier als den Individuen gegenüber Fremdes, Sachliches; nicht als
das Verhalten ihrer gegen einander, sondern als ihr Unterordnen unter
Verhältnisse, die unabhängig von ihnen be-stehn und aus dem Anstoß der
gleichgültigen Individuen auf einander entstehn.
Der allgemeine Austausch
der Thätigkeiten und Producte, der Lebensbedingung für jedes einzelne
Individuum geworden [ist], ihr wechselseitiger Zusammenhang, erscheint ihnen
selbst fremd, unabhängig, als eine Sache.* Im Tauschwerth ist die gesellschaftliche Beziehung der Personen in ein gesellschaftliches Verhalten der Sachen verwandelt; das persönliche Vermögen in ein sachliches.
Je weniger gesellschaftliche Kraft das Tauschmittel besizt, je zusammenhängender es noch mit der Natur des unmittelbaren Arbeitsproducts und den
unmittelbaren Bedürfnissen der Austauschenden ist, um so grösser muß
noch die Kraft des Gemeinwesens sein, das die Individuen zusammenbindet,
patriarchalisches Verhältniß, antikes Gemeinwesen, Feudalismus und
Zunftwesen. (Sieh mein Heft, XII, 34 b.)
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 90 [MEW 42, S. 91]
*Nota. - Nachdem die 'Sachen' zu Begriffen substanzialisiert wurden! "Verdinglichung" erscheint zuerst, phäno-menal als Verbegrifflichung.
JE
Austausch und Theilung der Arbeit bedingen sich wechselseitig. Da jeder
für sich arbeitet und sein Product nichts für sich ist, muß er natürlich
austauschen, nicht nur, um an dem allgemeinen Productionsvermögen
theilzunehmen, sondern um sein eignes Product in ein Lebensmittel für sich
selbst zu verwandeln. (Sieh meine „Bemerkungen über Oekonomie“ p. V (13,
14).)
Der Austausch als vermittelt durch den Tauschwerth und das Geld sezt
allerdings die allseitige Abhängigkeit der Producenten von einander voraus,
aber zugleich die völlige Isolirung ihrer Privatinteressen und eine Thei-lung
der gesellschaftlichen Arbeit, deren Einheit und wechselseitige Ergänzung
gleichsam als ein Naturverhält-niß ausser den Individuen, unabhängig von
ihnen existirt. Der Druck der allgemeinen Nachfrage und Zufuhr auf einander vermittelt den Zusammenhang der gegen einander Gleichgültigen.
Die Nothwendigkeit selbst, das Product oder die Thätigkeit der Individuen
erst in die Form des Tauschwerths, in Geld zu verwandeln, und daß sie erst
in dieser sachlichen Form ihre gesellschaftliche Macht erhalten und be-
weisen, beweist zweierlei: 1) daß die Individuen nur noch für die Gesellschaft und in der Gesellschaft produci-ren; 2) daß ihre Production nicht
unmittelbar gesellschaftlich ist, nicht the offspring of association, die die
Ar-beit unter sich vertheilt. Die Individuen sind unter die gesellschaftliche
Production subsumirt, die als ein Ver-hängniß ausser ihnen existirt; aber die
gesellschaftliche Production ist nicht unter die Individuen subsumirt, die sie
als ihr gemeinsames Vermögen handhaben.
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 91 [MEW 42, S. 91f.]
pilgerreisen
Das Eigenthum meint also Gehören zu einem Stamm (Gemeinwesen) (in
ihm subjektiv-objektive Existenz haben) und vermittelst des Verhaltens
dieses Gemeinwesens zum Grund und Boden, zur Erde als seinem unorgani-schen Leib, Verhalten des Individuums zum Grund und Boden, zur
äusseren Urbedingung der Production – da die Erde in einem Rohmaterial,
Instrument, Frucht ist – als zu seiner Individualität gehörigen Voraussetzun-gen; Daseinsweisen derselben. Wir reduciren dieß Eigenthum auf das
Verhalten zu den Bedingungen der Production. War-um nicht der Consumtion, da ursprünglich das Produciren des Individuums sich auf das Reproduciren seines eignen Leibs durch Aneignen fertiger, von der Natur selbst
für den Consum zubereiteter Gegenstände be-schränkt?
Selbst wo nur noch
zu finden ist, und zu entdecken, erfordert dieß bald Anstrengung, Arbeit –
wie in Jagd, Fisch-fang, Hirtenwesen – und Production (i. e. Entwicklung)
gewisser Fähigkeiten auf Seiten des Subjekts. Dann aber sind Zustände, wo
zu dem Vorhandnen zugegriffen werden kann, ohne alle Instrumente (also
selbst schon zur Production bestimmte Producte der Arbeit), ohne Aenderung der Form (die selbst schon beim Hirtenwe-sen stattfindet) etc sehr bald
vorübergehende und nirgends wo als Normalzustände zu betrachten; auch
nicht als Normalurzustände. Uebrigens schliessen die ursprünglichen Bedingungen der Production direkt, ohne Ar-beit consumirbare Stoffe, wie
Früchte, Thiere etc von selbst ein; also der Consumtionsfonds erscheint
selbst als ein Bestandtheil des ursprünglichen Productionsfonds.
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Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 396 [MEW 42, S. 400]
Nota. - "Im Urzustand herrscht Gemeineigentum."
Das ist eine irreführende Phrase. Eigentum kommt im Urzustand gar nicht vor. Die ersten Vertreter der Fami- lie Homo, die den Urwald verließen und in die offene Savanne ausbrachen, lebten als Jäger und Sammler, und zwar nomadisch. Mit sich führten sie vielleicht Gefäße, sicherlich aber Jagdwerkzeug, und das gehörte dem, der es angefertigt (oder eingetauscht) hatte: privat.
Haarspalter sagen: Produktionsmittel sind das auch. Aber noch wird nicht eigentlich produziert, sondern le- diglich abgeweidet. Und sicher beanspruchten sie die Jagdgründe um sich her und verteidigten sie gegen Ein- dringliche. Aber auch nur, bis sie abgeweidet waren. Dann zog man weiter.
Grundstürzendes ökonomischer Ereignis war der Übergang zum Ackerbau. Nun gab es dauerndes Eigentum über die Jahreszeiten hinaus - den fruchtbaren Boden. Eigentümer ist der Stamm. Jetzt beginnt das Wirtschaften, nämlich die Verteilung der Ressourcen; zuerst die Aufteilung in Konsumfonds, Vorräte und Saatgut, dann die Verteilung an die Konsumenten.
Aus dem Gemeineigentum am Boden entsteht allerdings zugleich die innere soziale Differenzierung in Acker- bauern und Kriegerkaste; denn seit es Grundeigentum gibt, werden aus den früher nur zufälligen Revierkämp- fen endemische Kriege, anfangs vor allem gegen nomadisierende Hirtenstämme, die regelmäßig zum Plündern vorbeischauen.
In dem Maß, wie der Anteil des Ackerbaus am Wirtschaftsaufkommen zurückgeht, umso mehr verlieren die gemeinschaftlichen Eigentumsformen an Bedeutung, denn das handwerkliche und kommerzielle Eigentum ist nicht an den Boden gebunden und kann den Ort wechseln; und entgleitet der sesshaften Gemeinde.
So wenig es ein überhistorisches Gesetz 'vom Allgemeinen zum Privaten' gibt, gibt es ein Gesetz 'zurück zum Großen Ganzen'. Geschichte ist, was die Menschen draus machen. Je weiter ihre Techniken reichen, umso mehr Kontrolle könnten sie dabei ausüben. Es bracuht dafür politischen Willen und die Macht, ihn durchzu- setzen.
JE
Die erste theoretische Behandlung der modernen Produktionsweise – das Merkantilsystem – ging nothwendig aus von den oberflächlichen
Phänomenen des Cirkulationsprocesses, wie sie in der Bewegung des
Handelskapi-tals verselbständigt sind, und griff daher nur den Schein auf.
Theils weil das Handelskapital die erste freie Existenzweise des Kapitals
überhaupt ist. Theils wegen des überwiegenden Einflusses, den es in der
ersten Umwälzungsperiode der feudalen Produktion, der Entstehungsperiode der modernen Produktion ausübt.
Die wirkliche Wissenschaft
der modernen Oekonomie beginnt erst, wo die theoretische Betrachtung
vom Cirkulationsproceß zum Produktionsproceß übergeht. Das zinstragende Kapital ist zwar auch uralte Form des Kapitals. Warum aber der
Merkantilismus nicht von ihm ausgeht, sondern sich vielmehr polemisch
dazu verhält, werden wir später sehn.
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Das Kapital III, MEGA II.15 S. 329 [MEW 25, S. 349]
Nota. - Zum ersten Mal kam der Ausdruck Politische Ökonomie in dem merkantilistischen Traité d'Économie Politique von Antoine de Montchrétien vor; allerdings nur auf dem Titelblatt.
JE
Hans Holbein d. J., Kaufmann G. Gisze
Im Mittelalter ist der Kaufmann bloß "Verleger", wie Poppe richtig
sagt, der sei es von den Zünftlern, sei es von den Bauern producirten
Waaren. Der Kaufmann wird Industrieller, oder vielmehr läßt die handwerksmäßi-ge, besonders die ländliche kleine Industrie für sich arbeiten.
Andrerseits wird der Producent Kaufmann. Statt daß z. B. der Tuchwebermeister seine Wolle nach und nach in kleinen Portionen vom Kaufmann erhält und mit seinen Gesellen für diesen arbeitet, kauft er selbst
Wolle oder Garn und verkauft sein Tuch an den Kaufmann. Die Produktionselemente gehn als von ihm selbst gekaufte Waaren in den Produktionsproceß ein. Und statt für den einzelnen Kaufmann zu produciren, oder für bestimmte Kunden, producirt der Tuchweber jetzt für die
Handelswelt. Der Producent ist selbst Kaufmann. Das Handelskapital
verrichtet nur noch den Cirkulationspro-ceß.
Ursprünglich war der Handel Voraussetzung für die Verwandlung des zünftigen und ländlich-häuslichen Ge-werbes und des feudalen Ackerbaus in kapitalistische Betriebe.
Er entwickelt das Produkt zur Waare, theils in-dem er ihm einen Markt
schafft, theils indem er neue Waarenäquivalente, und der Produktion
neue Roh- und Hülfsstoffe zuführt und damit Produktionszweige eröffnet, die von vornherein auf den Handel gegründet sind, sowohl auf Produktion für den Markt und Weltmarkt, wie auf Produktionsbedingungen, die aus dem Welt-markt herstammen.
Sobald die Manufaktur einigermaßen erstarkt, und noch mehr die große Industrie schafft sie
sich ihrerseits den Markt, erobert ihn durch ihre Waaren. Jetzt wird der
Handel Diener der industriellen Produktion, für die be-ständige Erweiterung des Markts Lebensbedingung ist. Eine stets ausgedehntere Massenproduktion über-schwemmt den vorhandnen Markt und arbeitet daher
stets an Ausdehnung dieses Markts, an Durchbrechung seiner Schranken. Was diese Massenproduktion beschränkt, ist nicht der Handel (soweit dieser nur existirende Nachfrage ausdrückt), sondern die Größe des
funktionirenden Kapitals und die entwickelte Produktivkraft der Arbeit.
Der industrielle Kapitalist hat beständig den Weltmarkt vor sich, vergleicht, und muß beständig vergleichen, seine eignen Kostpreise mit den
Marktpreisen nicht nur der Heimath, sondern der ganzen Welt. Diese
Ver-gleichung fällt in der frühern Periode fast ausschließlich den Kaufleuten zu, und sichert so dem Handelskapital die Herrschaft über das industrielle.
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Das Kapital III, MEGA II.15 S. 328f. [MEW 25, S. 348f.]
Der wirkliche Werth seiner Arbeitskraft weicht von diesem physischen
Minimum ab; er ist verschieden je nach dem Klima und dem Stand der
gesellschaftlichen Entwicklung; er hängt ab nicht nur von den physischen, son-dern auch von den historisch entwickelten gesellschaftlichen
Bedürfnissen, die zur zweiten Natur werden. Aber in jedem Land zu einer
gegebnen Periode ist dieser regulirende durchschnittliche Arbeitslohn
eine gegebne Größe.
Der Werth der sämmtlichen übrigen Revenuen hat
so eine Grenze. Er ist stets gleich dem Werth, worin sich der Gesammtarbeitstag (der hier mit dem Durchschnittsarbeitstag zusammenfällt, da
er die vom gesellschaftli-chen Gesammtkapital in Bewegung gesetzte Gesammtarbeitsmasse umfaßt) verkörpert, minus dem Theil des-selben, der
sich in Arbeitslohn verkörpert. Seine Grenze ist also gegeben durch die
Grenze des Werths, in wel-chem sich die unbezahlte Arbeit ausdrückt,
d. h. durch das Quantum dieser unbezahlten Arbeit.
Wenn der Theil des
Arbeitstags, den der Arbeiter zur Reproduktion des Werths seines Lohns
braucht, in dem physischen Minimum seines Lohns seine letzte Schranke
hat, so hat der andre Theil des Arbeitstags, worin sich seine Mehrarbeit
darstellt, also auch der Werththeil, der den Mehrwerth ausdrückt, seine
Schranke an dem phy-sischen Maximum des Arbeitstags, d. h. an dem
Gesammtquantum täglicher Arbeitszeit, das der Arbeiter bei Erhaltung
und Reproduktion seiner Arbeitskraft überhaupt geben kann. ...
Die Höhe der Profitrate aber ist ebenfalls eine in gewissen, durch
den Werth der Waaren bestimmten Grenzen eingeschloßne Größe. Sie ist
das Verhältniß des Gesammtmehrwerths zu dem, der Produktion vorgeschoßnen gesellschaftlichen Gesammtkapital.
_____________________________________________
Das Kapital III, MEGA II.15 S. 832f. [MEW 25, S. 866f.]
Nota. - Nur als Begriffe verhalten sich Stoff und Form "dialektisch". In der Wirklichkeit ist der Stoff immer gege-ben, und die formgebende menschliche Tätigkeit kommt erst hinzu. Es ist ein Gerücht, dass es in der Kritik der Politischen Ökonomie wesentlich um 'die Formseite' ginge. So ist es vielmehr in der Politischen Ökonomie selbst, die dem Begriffsfetischismus huldigt und huldigen muss. Die Kritik zerstreut im Gegenteil den dinglichen Schein der 'Form', hinter dem es die menschliche Tätigkeit sichtbar macht, und legt dadurch das stoffliche Substrat als den realen Gegenstand frei.
JE.
Martin Ries
Der Charakter 1) des Produkts als Waare, und 2) der Waare als Produkt des Kapitals, schließt schon die sämmt-lichen Cirkulationsverhältnisse ein, d. h. einen bestimmten gesellschaftlichen Proceß, den die Produkte durch-machen müssen, und worin sie bestimmte gesellschaftliche
Charaktere annehmen; er schließt ein ebenso be-stimmte Verhältnisse der
Produktionsagenten, von denen die Verwerthung ihres Produkts und seine Rückver-wandlung, sei es in Lebensmittel, sei es in Produktionsmittel
bestimmt ist. Aber auch abgesehn hiervon, ergibt sich aus den beiden
obigen Charakteren des Produkts als Waare, oder Waare als kapitalistisch producirter Waa-re, die ganze Werthbestimmung und die Regelung der Gesammtproduktion durch den Werth.
In dieser ganz specifischen Form des Werths gilt die Arbeit einerseits nur als gesellschaftliche
Arbeit; andrer-seits ist die Vertheilung dieser gesellschaftlichen Arbeit und
die wechselseitige Ergänzung, der Stoffwechsel ihrer Produkte, die Unterordnung unter, und Einschiebung in, das gesellschaftliche Triebwerk,
dem zufälligen, sich wechselseitig aufhebenden Treiben der einzelnen kapitalistischen Producenten überlassen.
Da diese sich nur als Waarenbesitzer gegenübertreten, und jeder seine Waare so hoch als möglich zu
verkaufen sucht (auch scheinbar in der Regulirung der Produktion selbst
nur durch seine Willkür geleitet ist) setzt sich das innere Gesetz nur durch
vermittelst ihrer Konkurrenz, ihres wechselseitigen Drucks aufeinander,
wodurch sich die Abweichungen gegenseitig aufheben. Nur als inneres
Gesetz, den einzelnen Agenten gegenüber als blindes Naturgesetz, wirkt
hier das Gesetz des Werths und setzt das gesellschaftliche Gleichgewicht
der Produktion inmitten ihrer zufälligen Fluktuationen durch.
_____________________________________________
Das Kapital III, MEGA II.15 S. 852 [MEW 25, S. 887]
Nota. - Als eine "ganz spezifische Form" wird der Wert hier beschrieben; eine, die der kapitalistischen Produk-tions- und Verkehrsweise eigentümlich ist. Das steht nicht beiläufig irgendwo, sondern an der Stelle, wo Marx gegen Ende des Dritten Bandes ebendiese Eigentümlichkeit des Kapitalismus in wenigen Sätzen ausdrücklich noch einmal zusammenfasst. Nicht, indem der Wertbegriff aus seiner idealen Latenz in die Realität der Er-scheinung übergetreten ist, hat sich das Kapitalverhältnis ausgebildet, sondern in dem Maße, wie die entstehen-de bürgerliche Gesellschaft ihre Realität entwickelt hat, ist es sinnvoll geworden, den Wertbegriff zu verwen-den.
JE
rither
In
der Wirklichkeit aber ist diese Sphäre die Sphäre der Konkurrenz, die,
jeden einzelnen Fall betrachtet, vom Zufall beherrscht ist; wo also das
innere Gesetz, das in diesen Zufällen sich durchsetzt und sie regulirt, nur
sichtbar wird, sobald diese Zufälle in großen Massen zusammengefaßt
werden, wo es also den einzelnen Agenten der Produktion selbst unsichtbar und unverständlich bleibt.
Weiter aber: der wirkliche Produk-/tionsproceß, als Einheit des unmittelbaren Produktionsprocesses und des
Cirkulationsprocesses, erzeugt neue Gestaltungen, worin mehr und mehr
die Ader des innern Zusammenhangs verloren geht, die Produktionsverhältnisse sich gegen einander verselbständigen, und die Werthbestandtheile sich gegen einander in selbständigen Formen verknöchern.
_____________________________________________
Das Kapital III, MEGA II.15; S. 802f. [MEW 25, S. 836]
Man wird hier dieselbe Herrschaft der regulierenden Durchschnitte finden, wie Quételet sie bei den sozialen Phänomenen nachgewisen hat.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 833 [MEW 25, S. 868]
Quételet ist jetzt zu alt, um irgend noch welche Experimente mit ihm anzustellen. Er hat großes Verdienst in der Vergangenheit, indem er nachwies, wie selbst die scheinbaren Zufälle des täglichen Lebens durch ihre peri-odische Rekurrenz und ihre periodischen Durchschnittszahlen eine innere Notwendigkeit besitzen. Aber die Interpretation dieser Notwendigkeit ist ihm nie gelungen. Er hat auch keine Fortschritte gemacht, nur das Mate-rial seiner Beobachtung und Berechnung ausgedehnt. Er ist heut nicht weiter, als er vor 1830 war.
_____________________________________________
Marx an Kugelmann, 3. 3. 1867 in MEW 32, S. 596
Andrerseits bringt der mit der Akkumulation verbundne Fall der Profitrate nothwendig einen Konkurrenz-kampf hervor. Die Kompensation
des Falls der Profitrate durch die steigende Masse des Profits gilt nur für
das Gesammtkapital der Gesellschaft und für die großen, fertig eingerichteten Kapitalisten. Das neue, selbständig fungirende Zusatzkapital
findet keine solche Ersatzbedingungen vor, es muß sie sich erst erringen,
und so ruft der Fall der Profitrate den Konkurrenzkampf unter den Kapitalen hervor, nicht umgekehrt.
Dieser Konkurrenzkampf ist allerdings
begleitet von vorübergehendem Steigen des Arbeitslohns und einer hieraus entspringenden ferneren zeitweiligen Senkung der Profitrate. /
Dasselbe zeigt sich in der Ueberproduktion von Waaren, der Ueberfüllung der Märkte. Da nicht Befriedigung der Bedürfnisse, sondern Produktion von Profit Zweck des Kapitals, und da es diesen Zweck nur
durch Me-thoden erreicht, die die Produktionsmasse nach der Stufenleiter
der Produktion einrichten, nicht umgekehrt, so muß beständig ein Zwiespalt eintreten zwischen den beschränkten Dimensionen der Konsumtion
auf kapitali-stischer Basis, und einer Produktion, die beständig über diese
ihre immanente Schranke hinausstrebt.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 253 [MEW 25, S. 266f.]
nwzonline
Es wäre eine absolute Ueberproduktion von Kapital vorhanden, sobald das zusätzliche Kapital für den Zweck der kapitalistischen Produktion = 0. Der Zweck der kapitalistischen Produktion ist aber Verwerthung
des Kapi-tals, d. h. Aneignung von Mehrarbeit, Produktion von Mehrwerth, von Profit.
Sobald also das Kapital gewachsen wäre in einem
Verhältniß zur Arbeiterbevölkerung, daß weder die absolute Arbeitszeit,
die diese Bevölkerung liefert, ausgedehnt, noch die relative Mehrarbeitszeit erweitert werden könn-te (das letztre wäre ohnehin nicht thubar in
einem Fall, wo die Nachfrage nach Arbeit so stark, also Tendenz zum
Steigen der Löhne); wo also das gewachsene Kapital nur ebensoviel oder
selbst weniger Mehrwerthsmasse producirt als vor seinem Wachsthum, so
fände eine absolute Ueberproduktion von Kapital statt; d. h. das ge-wachsene Kapital C + ΔC produzirte nicht mehr Profit, oder gar weniger Profit, als das Kapital C vor seiner Vermehrung durch ΔC.
In beiden Fällen
fände auch ein starker und plötzlicher Fall in der allgemeinen Profitrate
statt, diesmal aber wegen eines Wechsels in der Zusammensetzung des
Kapitals, der nicht der Entwicklung der Produktivkraft geschuldet wäre,
sondern einem Steigen im Geldwerth des variablen Kapitals (wegen der
gestiegnen Löhne) und der ihr entsprechenden Abnahme im Verhältniß
der Mehrarbeit zur nothwendigen Arbeit.
In der Wirk-lichkeit würde sich die Sache so darstellen, daß ein Theil
des Kapitals ganz oder theilweise brach läge (weil es erst das schon fungirende Kapital aus seiner Position verdrängen müßte, um sich
überhaupt zu verwerthen) und der andre Theil, durch den Druck des
unbeschäftigten oder halbbeschäftigten Kapitals sich zu niedrer Rate des
Profits verwerthen würde.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 248 [MEW 25, S. 261f.]
K. Kollwitz
Denken wir uns die ganze Gesellschaft bloß aus industriellen Kapitalisten und Lohnarbeitern zusammenge-setzt. Sehn wir ferner ab von den
Preiswechseln, die große Portionen des Gesammtkapitals hindern, sich in
ihren Durchschnittsverhältnissen zu ersetzen, und die, bei dem allgemeinen Zusammenhang des ganzen Re-produktionsprocesses, wie ihn namentlich der Kredit entwickelt, immer zeitweilige allgemeine Stockungen
hervorbringen müssen. Sehn wir ab ebenfalls von den Scheingeschäften
und spekulativen Umsätzen, die das Kreditwesen fördert. Dann wäre
eine Krise nur erklärlich aus Mißverhältniß der Produktion in verschiednen Zweigen, und aus einem Mißverhältniß, worin der Konsum der Kapitalisten selbst zu ihrer Akkumulation stände.
Wie aber die Dinge liegen, hängt der Ersatz der in der Produktion angelegten Kapitale großentheils ab von der Konsumtionsfähigkeit der nicht produktiven Klassen;
während die Konsumtionsfähigkeit der Arbeiter theils durch die Gesetze
des Arbeitslohns, theils dadurch beschränkt ist, daß sie nur solange angewandt werden, als sie mit Profit für die Kapitalistenklasse angewandt
werden können.
Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer
die Armuth und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem
Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die ab-solute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre
Grenze bilde. _____________________________________________
Das Kapital III, MEGA II.15; S. 480 [MEW 25, S. 500f.]
Nota. - Die kapitalistische Produktionsweise beruht auf der vorgängigen Spaltung der Gesellschaft in zwei Klas-sen - eine, die über Produktionsmittel verfügt, und eine andre, die nur ihre Arbeitskraft zu Markte tragen kann. Sie funktioniert aber so, als ob es eine Scheidung der Gesellschaft in Klassen gar nicht gäbe und als ob ein Be-dürfnis so viel gälte wie jedes andere.
JE
Speisung der Fünftausend, Niederlande, Anf. 16. Jhdt.
Obgleich die Form der Arbeit als Lohnarbeit entscheidend für die Gestalt des ganzen Processes und für die specifische Weise der Produktion
selbst, ist nicht die Lohnarbeit werthbestimmend. In der Werthbestimmung handelt es sich um die gesellschaftliche Arbeitszeit überhaupt, das
Quantum Arbeit, worüber die Gesellschaft überhaupt zu verfügen hat,
und dessen relative Absorption durch die verschiednen Produkte gewissermaßen deren respektives gesellschaftliches Gewicht bestimmt.
Die bestimmte Form, worin sich die gesellschaftliche Arbeitszeit im Werth
der Waaren als bestimmend durch- setzt, hängt allerdings mit der Form
der Arbeit als Lohnarbeit und der entsprechenden Form der Produktions- mittel als Kapital insofern zusammen, als nur auf dieser Basis die
Waarenproduktion zur allgemeinen Form der Produktion wird.
_____________________________________________
Das Kapital III, MEGA II.15; S. 854 [MEW 25, S. 889]
Nota. – Wenn 'die Gesellschaft selbst' vorab alle Bedürfnisse erfasste und dann entschiede, welchen Teil der ver- fügbaren Gesamtarbeitszeit darauf verwenden will, könnte ebenfalls von einer Wertbestimmung die Rede sein – deren Besonderheit freilich in ihrer Je-Besonderheit bestünde: Jedes Einzelbedürfnis müsste individuell gewertet werden, einen allgemeinen Maßstab gäbe es nicht, von Äquivalenz nicht die Spur! Die Wertbestimmung ge- schieht unmittelbar und individuell; Lohnarbeit könnte es dann freilich nicht geben.
Die kapitalistische Wirtschaftsweise beruht auf dem umgekehrten Vorgang. Es gibt eines allgemeines Wertmaß, und wieviel davon auf das jeweilige Bedürfnis fällt, nämlich über wieviel davon das jeweilige Bedürfnis in Form des allgemeinen Äquivalents kommandiert, soviel ist das Bedürfnis wert. Die Wertbestimmung ist allgemein vermit- telt und die Klassenspaltung der Gesellschaft ist begriffslos vorausgesetzt.
JE
Las Sardanas se bailan con los pies.
Der gewöhnlichen Anschauung erscheinen [die] Vertheilungsverhältnisse als Naturverhältnisse, als Verhält-nisse, die aus der Natur aller
gesellschaftlichen Produktion, aus den Gesetzen der menschlichen Produktion schlechthin entspringen. Es kann zwar nicht geleugnet werden,
daß vorkapitalistische Gesellschaften andre Vertheilungsweisen zeigen,
aber diese werden dann als unentwickelte, unvollkommene und verkleidete, nicht auf ihren reinsten Ausdruck und ihre höchste Gestalt reducirte, anders gefärbte Weisen jener naturgemäßen Vertheilungsverhältnisse gedeutet.
Das einzig Richtige in dieser Vorstellung ist dies: Gesellschaftliche Produktion irgend einer Art (z. B. die der naturwüchsigen indischen Gemeinwesen oder die des mehr künstlich entwickelten Kommunismus der Peru-aner) vorausgesetzt, kann stets unterschieden werden zwischen dem
Theil der Arbeit, dessen Produkt unmittel-bar von den Producenten und
ihren Angehörigen individuell konsumirt wird, und – abgesehn von dem
Theil der der produktiven Konsumtion anheimfällt – einem andern Theil
der Arbeit, der immer Mehrarbeit ist, des-sen Produkt stets zur Befriedigung allgemeiner gesellschaftlicher Bedürfnisse dient, wie immer dies
Mehrpro-dukt vertheilt werde, und wer immer als Repräsentant dieser
gesellschaftlichen Bedürfnisse fungire. Die Iden-tität der verschiednen
Vertheilungsweisen kommt also darauf hinaus, daß sie identisch sind, /
wenn man von ihren Unterscheidungen und specifischen Formen abstrahirt, nur die Einheit in ihnen, im Gegensatz zu ihrem Unterschied
festhält.
Weiter gebildetes, mehr kritisches Bewußtsein gibt jedoch den geschichtlich entwickelten Charakter der Vert-heilungsverhältnisse zu,
hält dafür aber um so fester an dem sich gleichbleibenden, aus der
menschlichen Natur entspringenden, und daher von aller geschichtlichen
Entwicklung unabhängigen Charakter der Produktionsver-hältnisse
selbst.
Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise
beweist dagegen umgekehrt, daß sie eine Produktionsweise von besondrer Art, von specifischer historischer Bestimmtheit ist; daß sie, wie jede
andre bestimmte Produktionsweise, eine gegebne Stufe der gesellschaftlichen Produktivkräfte und ihrer Entwick-lungsformen als ihre geschichtliche Bedingung voraussetzt: eine Bedingung, die selbst das geschichtliche
Resul-tat und Produkt eines vorhergegangnen Processes ist, und wovon
die neue Produktionsweise als von ihrer ge-gebnen Grundlage ausgeht; daß die dieser specifischen, historisch bestimmten Produktionsweise
entsprechen-den Produktionsverhältnisse – Verhältnisse, welche die Menschen in ihrem gesellschaftlichen Lebensproceß, in der Erzeugung ihres
gesellschaftlichen Lebens eingehn – einen specifischen, historischen und
vorübergehenden Charakter haben; und daß endlich die Vertheilungsverhältnisse wesentlich identisch mit diesen Produktionsver-hältnissen,
eine Kehrseite derselben sind, sodaß beide denselben historisch vorübergehenden Charakter theilen.
_____________________________________________
Das Kapital III, MEGA II.15; S. 849f. [MEW 25, S. 884f.]
Nota.- Der Begriff des Mehrwerts wurde gebraucht, um die historische Realität des Kapitals zu verstehen; aber der Begriff des Mehrwerts setzt den Begriff des Werts voraus. Mit andern Worten, die Politische Ökonomie mag den Wertbegriff gebrauchen, wozu sie mag; für die Kritik der Politischen Ökonomie hat er nur einen Sinn, wo es um das Verständnis des Kapitalverhältnisses geht, ansonsten ist er Schall und Rauch.
JE
Kurz dieselbe Entwicklung, die die
Masse des konstanten Kapitals steigert im Verhältniß zum variablen, ver-mindert, in Folge der gesteigerten Produktivkraft der Arbeit, den Werth
seiner Elemente, und verhindert daher, daß der Werth des konstanten
Kapitals, obgleich beständig wachsend, im selben Verhältniß wachse wie
sein materieller Umfang, d. h. der materielle Umfang der Produktionsmittel, die von derselben Menge Arbeitskraft in Bewegung gesetzt werden. In einzelnen Fällen kann sogar die Masse der Elemente des konstanten Kapitals zunehmen, während sein Werth gleich bleibt oder gar
fällt.
Mit dem Gesagten hängt zusammen die mit der Entwicklung der Industrie gegebne Entwerthung des vorhand-nen Kapitals (d. h. seiner stofflichen Elemente). Auch sie ist eine der beständig wirkenden Ursachen,
welche den Fall der Profitrate aufhalten, obgleich sie unter Umständen
die Masse des Profits beeinträchtigen kann durch Beeinträchtigung der
Masse des Kapitals, das Profit abwirft. Es zeigt sich hier wieder, daß
dieselben Ursachen, welche die Tendenz zum Fall der Profitrate erzeugen,
auch die Verwirklichung dieser Tendenz mäßigen.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 233 [MEW 25, S. 246]
W. Busch
Unter allen Umständen aber würde sich das Gleichgewicht* herstellen
durch Brachlegung und selbst Vernich-tung von Kapital in größrem oder
geringrem Umfang. Dies würde sich erstrecken zum Theil auf die
materielle Kapitalsubstanz; d. h. ein Theil der Produktionsmittel, fixes
und cirkulirendes Kapital würde nicht fungiren, nicht als Kapital wirken;
ein Theil begonnener Produktionsbetriebe würde stillgesetzt werden. ...
Die Hauptwirkung nach dieser Seite hin wäre jedoch, daß diese
Produktionsmittel aufhörten als Produktions-mittel thätig zu sein; eine
kürzere oder längere Zerstörung ihrer Funktion als Produktionsmittel.
Die Hauptzer-störung, und mit dem akutesten Charakter, fände statt
mit Bezug auf das Kapital, soweit es Wertheigenschaft besitzt, mit Bezug
auf die Kapitalwerthe. Der Theil des Kapitalwerths, der bloß in der Form
von Anweisungen auf künftige Antheile am Mehrwerth, am Profit steht,
in der That lauter Schuldscheine auf die Produktion unter verschiednen
Formen, wird sofort entwerthet mit dem Fall der Einnahmen, auf die er
berechnet ist. Ein Theil des baaren Goldes und Silbers liegt brach, fungirt
nicht als Kapital. Ein Theil der auf dem Markt befindlichen Waaren
kann seinen Cirkulations- und Reproduktionsproceß nur vollziehn durch
ungeheure Kontraktion seiner Preise, also durch Entwerthung des Kapitals, das er darstellt. Ebenso werden die Elemente des fixen Kapitals / mehr oder minder entwerthet.
Es kommt hinzu, daß bestimmte, vorausgesetzte Preisverhältnisse den Reproduktionsproceß bedingen, dieser daher durch den allgemeinen Preisfall in Stockung und Verwirrung geräth.
Diese Störung und Stockung paraly-sirt die mit der Entwicklung des Kapitals gleichzeitig gegebne, auf jenen vorausgesetzten Preisverhältnissen
be-ruhende Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, unterbricht an hundert Stellen die Kette der Zahlungsobliga-tionen an bestimmten Terminen, wird noch verschärft durch das damit gegebne Zusammenbrechen
des gleich-zeitig mit dem Kapital entwickelten Kreditsystems und führt so
zu heftigen akuten Krisen, plötzlichen gewalt-samen Entwerthungen und
wirklicher Stockung und Sturz des Reproduktionsprocesses, und damit
zu wirkli-cher Abnahme der Reproduktion.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 109f. [MEW 25, S. 199f.]
*) [zwischen der Tendenz zur beständigen Ausweitung der Produktion und der begrenzten Verwertbarkeit durch den Fall der Profitrate]
Nachfrage und Zufuhr decken sich, wenn sie in solchem Verhältniß
stehn, daß die Waarenmasse eines be-stimmten Produktionszweigs zu ihrem Marktwerth verkauft werden kann, weder darüber noch darunter.
Das ist das erste, was wir hören.
Das zweite: Wenn die Waaren zu ihrem Marktwerth verkaufbar, decken sich Nachfrage und Zufuhr.
Wenn Nachfrage und Zufuhr sich decken, hören sie auf zu wirken, und
eben deßwegen wird die Waare zu ihrem Marktwerth verkauft. Wenn
zwei Kräfte in entgegengesetzter Richtung gleichmäßig wirken, heben sie
einander auf, wirken sie gar nicht nach außen, und Erscheinungen, die
unter dieser Bedin-gung vorgehn, müssen anders als durch das Eingreifen
dieser beiden Kräfte erklärt werden.
Wenn Nachfrage und Zufuhr sich
gegenseitig aufheben, hören sie auf irgend etwas zu erklären, wirken sie
nicht auf den Marktwerth, und lassen uns erst recht im Dunkeln darüber,
weßhalb der Marktwerth sich grade in die-ser Summe Geld ausdrückt und
in keiner andern. Die wirklichen innern Gesetze der kapitalistischen Produkti-on können offenbar nicht aus der Wechselwirkung von Nachfrage
und Zufuhr erklärt werden (ganz abgesehn von tieferer, hier nicht angebrachter Analyse dieser beiden gesellschaftlichen Triebkräfte), da diese
Gesetze nur dann rein verwirklicht erscheinen, sobald Nachfrage und
Zufuhr aufhören zu wirken, d. h. sich decken.
Nachfrage und Zufuhr
decken sich in der That niemals, oder wenn sie sich einmal decken, so ist
es zufällig, also wissenschaftlich = 0 zu setzen, als nicht geschehn zu betrachten. In der politischen Oekonomie* wird aber unterstellt, daß sie sich
decken, warum? Um die Erscheinungen in ihrer gesetzmäßigen, ihrem /
Begriff ent-sprechenden Gestalt zu betrachten, d. h. sie zu betrachten unabhängig von dem durch die Bewegung von Nachfrage und Zufuhr hervorgebrachten Schein. Andrerseits, um die wirkliche Tendenz ihrer Bewegung auf-zufinden, gewissermaßen zu fixiren. Denn die Ungleichheiten
sind entgegengesetzter Natur, und da sie einan-der beständig folgen, gleichen sie sich durch ihre entgegengesetzten Richtungen, durch ihren Widerspruch unter einander aus.
Wenn also in keinem einzigen gegebnen
Fall Nachfrage und Zufuhr sich decken, so folgen sich ihre Ungleich-heiten so – und es ist das Resultat der Abweichung in einer Richtung, eine
andre Abweichung in einer entge-gengesetzten Richtung hervorzurufen – daß wenn das Ganze einer größern oder kleinern Zeitperiode betrach-tet wird, sich Zufuhr und Nachfrage beständig decken; aber nur als
Durchschnitt der verflossenen Bewegung und nur als beständige Bewegung ihres Widerspruchs. Dadurch gleichen sich die von den Marktwerthen abwei-chenden Marktpreise, ihrer Durchschnittszahl nach betrachtet, zu Marktwerthen aus, indem sich die Abwei-chungen von den letztren
aufheben als Plus und Minus.
Und diese Durchschnittszahl ist keineswegs von bloß theoretischer Wichtigkeit, sondern von praktischer für das
Kapital, dessen Anlage auf die Schwankungen und Ausgleichungen in
mehr oder minder bestimmter Zeit-periode berechnet ist.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 109f. [MEW 25, S. 199f.]
*) [Noch zählt sich Marx zu ihr! JE]
Nota. - Der Markt ist kein Sachverhalt, sondern ein systemischer Prozess, und womöglich dessen Urtyp - so wie die Konkurrenz der Urtyp von Darwins Survival of the fittest war. Da gibt es keine isolierbaren Ursachen und Wirkungen, sondern nur lauter individuellen Daten, aus deren Mannigfaltigkeit man empirisch bestenfalls einen Durchschnitt ermitteln kann. Diesen Durchschnitt mag man ein 'Gesetz' nennen, das ist nicht verboten; aber es ist irreführend, weil es so klingt, als sei der Durchschnitt eher da gewesen als die zufälligen Einzeldaten.
Das gilt schon für die Naturwissenschaften, aber erst recht für die Sphäre menschlichen Handelns.
Nachtrag, Feb. 2018: Doch nicht vergessen - in den Naturwissenschaften stellt sich ein Durchschnitt nicht "von alleine" ein, sondern muss vom Statistiker errechnet werden; und nur durch ihn kann er etwas bewirken. - Selber wirk lich ist ein Durchschnitt nur in einer Gesellschaft, die auf dem verallgemeinerten und prozessierenden Austausch Aller mit Allen beruht. In den feudalen gesellschaftlichen Bildungen ist eines hier so, jenes dort anders. Manche Form mag dem Betrachter - auch einem zeitgenössischen - typisch vorkommen, eine andere ungewohnt. Aber ein Ausgleich kommt weder in der Sache noch in der Vorstellung zustande.
JE
Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kreditsystems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe Kapital oder
auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen Händen unter verschiednen Formen erscheint. Der größte Theil dieses "Geldkapitals" ist
rein fiktiv. Die sämmtlichen Depositen, mit Ausnahme des Reservefonds,
sind nichts als Guthaben an den Bankier, die aber nie im Depositum
existiren. Soweit sie zum Girogeschäft dienen, fungiren sie als Kapital für
die Bankiers, nachdem diese sie ausgeliehen haben. Sie zahlen sich unter
einander die wech-selseitigen Anweisungen auf die nichtexistirenden Depositen durch Abrechnung dieser Guthaben gegen ein-ander.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 469 [MEW 25, S. 488f.]
Nota. – Es wird Geld verliehen, das gar nicht mehr da ist – im Vertrauen darauf, dass sich im Großen und Ganzen Forderungen und Gegenforderungen schon die Waage halten werden: Es bleibt ja immer alles im Fluss. Wenn aber sehr viele Gläubiger ihre Forderungen gleichzeitig präsentieren – weil sie mit oder ohne Grund das Vertrauen verloren haben –, tritt eine Stockung ein und man sieht auf einmal: Es war schon nichts mehr da.
JE