Montag, 30. April 2018

Wesen und Erscheinung.


An einer Stelle bezeichnet Marx den Wert als das 'Wesen' des Tauschwerts. Nun sind Wert und Tauschwert ein und dasselbe. Tauschwert ist er, soweit ich den unmittelbaren Tauschakt Ware-Geld-Ware betrachte. Wert ist er, wenn ich den Gesamtprozess der gesellschaftlichen Reproduktion betrachte. Nicht der Begriff ändert sich, sondern lediglich der Gesichtspunkt des Begreifenden. Hier das Wesen von der Erscheinungsform zu unter-scheiden, ist richtig falsch.



Sonntag, 29. April 2018

Einfach und vermittelt.


Capital ist unmittelbare Einheit von Product und Geld oder besser von Production und Circulation. So ist es wieder selbst ein Unmittelbares, und / seine Entwicklung besteht darin, als diese Einheit, – die als bestimmtes und daher einfaches Verhältniß gesezt ist – sich selbst zu setzen und aufzuheben. Die Einheit erscheint zu-nächst im Capital als etwas Einfaches. 
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Grundrisse, MEGA II/1.1  S. 247f. [MEW 42, S. 251]


Nota I. - 'Kokettiert' er wieder nur mit der Hegel'schen Ausdrucksweise? Ein "materialistischer" oder auch bloß kritischer und nichtmetaphysischer Autor würde ja an dieser Stelle sagen: Produktion und Zirkulation sind gar keine Sachen, und für sich genommen 'gibt es' sie gar nicht. Was 'es gibt', sind produzierende und austauschen-de Menschen. Was da als eine Entwicklung von einem Begriff zum andern erscheint, sind jeweils nur unter-schiedliche Momente im praktischen Verhältnis der einen zu den andern. Und was als einfach und was als ver-mittelt erscheint, hängt ganz davon ab, auf welchen Punkt des prozessierenden Verhältnisses man blickt.
JE 6. 2. 16 


Nota II. - Man könnte hinzufügen: Was mir als einem Glied der bürgerlichen Gesellschaft als ein Unmittelbares begegnet, ist mitnichten ein Einfaches. Es ist tausendfach vermittelt, und das beginnt damit, dass es - mehr oder weniger präzise - durch meine Sprache bezeichnet ist: So unmittelbar es mir vorkommt, hat es in aller Regel doch immer schon eine Bedeutung. Ja und selbst, wenn seine Bedeutung einstweilen noch nicht offenkundig ist, so hat es doch schon diese 'Bedeutung', dass ihm eine Bedeutung schmerzlich fehlt und nichts dringender ist, als ihm eine anzuerfinden. 

So ist das Kapital eine unmittelbare Einheit von Produktion und Zirkulation nur auf dem aller höchsten und am weitesten vermittelten Standpunkt des gesellschaftlichen Ganzen - und "erscheint" erst im III. Band des Kapital. Im I. Band erscheint es vergleichstweise 'einfacher', ist aber einseitig nur als Produkt gefasst, ist eine Abstarktion und kommt dem Leser doch wie - ein Unmittelbares vor. - Da viele Marx-Schulungen beim Ersten Band stehen- blieben, musste das, was an Marxens Darstellungsmethode "das Dialektische" ist, im Nebel bleiben.

PS. Zu beanstanden aber ein grober Schnitzer: Je bestimmter etwas (ein Verhältnis) ist, um so weniger einfach ist es. 'Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist; Einheit des Mannigfaltigen.' Das Konkreteste ist also das Komplexeste. Das Einfache ist möglich nur als Abstraktion.
JE



Samstag, 28. April 2018

Poiesis, nicht Praxis.


Arbeit ist nicht Tätigkeit "überhaupt", nicht 'Produktion' "überhaupt", sondern zweck mäßige Tätigkeit - im Begriff des Zwecks liegt eben schon ihre objektivierende Dimension - nicht umgekehrt.

24. 9. 85

Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vorn herein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstel- lung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. 
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Das Kapital I, MEGA II/5, S. 129f.



Nota. - Gr. prâxis bezeichnet alles, was sich in Verlaufsform vorstellen lässt; auch Schlafen gilt bei Aristoteles als Praxis. Gr. póiêsis sieht dagegen auf das schaffende Moment ab. 

 JE



 

Freitag, 27. April 2018

Arbeit ist nicht Formation, sondern Okkupation.


Arbeit ist nicht an und für sich "Formation" - wie sie Rousseau auffasst, nämlich als Begründung von Eigen- tum -, sondern Aneignung, Okkupation - nämlich ursprünglich des Bodens (so wie Fichte, 'Naturrecht', das Eigen- tum auffasst); der Akt des Aneignens der Naturdinge an ein Bedürfnis

8. 7. 87 

Es ist völliger Quatsch, dass bei Hegel die Arbeit "Entäußerung" des "Wesens" wäre - sie ist vielmehr und ganz richtig Vermittlung zwischen den Bedürfnissen und den 'Natur'-Gegenständen; siehe § Arbeit in der 'Rechtslehre'.

4. 6. 88

Von Arbeit in einem ökonomischen Sinn kann überhaupt erst seit Aufkommen des Ackerbaus und eo ipso der "Arbeitsgesellschaft" gesprochen werden. Dass der Lebensmittelerwerb von Jägern und Sammlern Aneignung ist und nicht Formierung, springt ins Auge.

30. 11. 16 




Donnerstag, 26. April 2018

Was als Formenwechsel erscheint, ist eine unterschiedliche Stellung in der Handlungskette.


Der totale Oekonomische Ausdruck, selbst einseitig gegen die Extreme, ist immer der Tauschwerth, wo er als Mittelglied gesezt ist; z. B. Geld in der einfachen Circulation; Capital selbst als Vermittler zwischen Production und Circulation. 

Innerhalb des Capitals selbst nimmt eine Form desselben wieder die Stellung des Gebrauchswerths gegen die andre als Tauschwerth an. So z. B. das industrielle Capital erscheint als Producent gegenüber dem Kaufmann, der als Circulation erscheint. So stellt das erste die stoffliche, der andre die Formseite, also den Reichthum als Reichthum dar. 

Zugleich ist das mercantile Capital selbst wieder Vermittler zwischen der Production (dem industriellen Capital) und der Circulation (dem consumirenden Publicum) oder zwischen dem Tauschwerth und Gebrauchswerth, wo abwechselnd beide Seiten, die Production als Geld, die Circulation als Gebrauchswerth (consumirendes Publicum) oder die erste als Gebrauchswerth (Product) die zweite als Tauschwerth (Geld) gesezt ist. Ebenso innerhalb des Handels selbst: der Großhändler als Mittler zwischen Fabrikant und Detaillist, oder zwischen dem Fabrikant und Agriculturist, oder verschiednen Fabrikanten ist dieselbe höhere Mitte. 

So wieder die Waarenmäkler dem Großhändler gegenüber. Dann der Banker den Industriellen und Kaufleuten gegenüber; die Aktiengesellschaft gegenüber der einfachen Production; der Finanzier als Vermittler zwischen dem Staat und [der] bürgerlichen Gesellschaft auf der höchsten Stufe. Der Reichthum als solcher repräsentirt sich am distinktesten und breitesten, je weiter er von der unmittelbaren Production entfernt und selbst wieder vermittelt zwischen Seiten, die jede für sich betrachtet schon als ökonomische Formbeziehungen gesezt sind.
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Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 247  [MEW 42, S. 250f.  


Nota. - Was in Marxens gelegentlich hegelianisierendem Jargon Formenwechsel heißt, ist in der Wirklickeit nur der wechselnde Blick auf verschiedene Stellen im Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion. Während bei Hegel der Gesamtprozess als ein Werden lediglich erscheint, doch als System in Wahrheit ewiges Sein ist, ist die historisch-ökonomische Wirklichkeit für Marx tatsächlich die unendliche Kette menschlicher Handlungen. Was als ein Formenwechsel der Ware selbst erscheint, ist in der Wirklichkeit z. B. nur der Unterschied, ob ein Markt- agent sie kauft oder verkauft: Er ist es, der handelt, die Ware hält nur still.
JE, 8. 9. 16

Mittwoch, 25. April 2018

Der Kapitalist selbst ist der Ausgangs- und Endpunkt.


Die Geldcirculation ging von unendlich vielen Punkten aus und kehrte an unendlich vielen Punkten zurück. Der Punkt der Rückkehr war keineswegs als Ausgangspunkt gesezt. In dem Umlauf des Capitals ist der Aus-gangspunkt gesezt als Rückkehrpunkt und der Rückkehrpunkt als Ausgangspunkt. Der Capitalist selbst ist der Ausgangs- und Rückkehrpunkt. Er tauscht Geld gegen die Bedingungen der Production aus, producirt, verwer-thet das Product, i. e. verwandelt es in Geld und beginnt dann den Process von neuem. 

Die Geldcirculation, für sich betrachtet, erlöscht nothwendig im Geld als einem unbewegten Ding. Die Cir-culation des Capitals entzündet sich an sich selbst stets von neuem, dirimirt sich in ihre verschiednen Momen-te, und ist ein Perpetuum mobile. Das Preißsetzen auf der Seite der Geldcirculation war rein formell, insofern der Werth vorausgesezt ist unabhängig von der Geldcirculation. Die Circulation des Capitals ist Preißsetzend, nicht nur formell, sondern reell, insofern sie den Werth sezt. Wo er selbst innerhalb ihrer als Voraussetzung erscheint, kann es nur sein als von einem andren Capital gesezter Werth. Die Geldcirculation findet die Weite ihrer Bahn gemessen, und die Umstände, die sie beschleunigen oder retardiren sind äusserliche Anstösse. 

Das Capital in seinem Umlauf erweitert sich selbst und seine Bahn, und die Geschwindigkeit oder Langsamkeit des Umlaufs bildet selbst ein immanentes Moment derselben. Es ändert sich / qualitativ in dem Umlauf, und die Totalität der Momente seines Umlaufs sind selbst die Momente seiner Production – seiner Reproduction sowohl wie seiner Neuproduction. 
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Grundrisse, MEGA II/1.1  S. 417f.  [MEW 42, S.423]   


 
Nota. - Das Geld tut nichts, der Wert tut nichts, das Kapital tut nichts. Der Kapitalist tut, damit der Arbeiter tut, und umgekehrt. Sie tun unter Voraussetzungen und ihr Tun schafft neue Voraussetzungen. - Zu bedenken aber: Der Arbeiter tut nur auf Geheiß, das heißt er 'macht', aber er tut nicht. Es ist das Tun des Kapitalisten, das gleichsam "durch ihn hindurch" geht. Er selber ist lediglich Ausbeutungsmaterial. 

Das kann sich nicht auf ökonomischem, sondern nur auf politischem Feld ändern.
JE




 

Dienstag, 24. April 2018

Eine Vorstellung, die wirklich ist.


Der Tauschwerth als solcher kann natürlich nur symbolisch existiren, obgleich dieses Symbol, um es als Sache anwenden zu können – nicht blos als Vorstellungsform – sachliches Dasein besizt; nicht nur ideelle Vorstellung ist, sondern wirklich vorgestellt in einer gegenständlichen Weise. (Ein Maaß kann in der Hand behalten werden; der Tauschwerth mißt, aber er tauscht nur aus, indem das Maaß aus der einen Hand in die andre übergeht.) ...

Denn dieß Symbol hat das eigen, daß es nicht nur den Tauschwerth vorstellt, sondern im wirklichen Austausch derselbe ist.
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Grundrisse, MEGA II/1.1  S. 87; 88 [MEW 42, S. 88]



Nota. - Wenn sie so wirkt, als ob sie wirklich wäre, dann ist die Vorstellung wirklich.  
Freilich nur in dem Maß, in dem die Gesellschaft, in der sie wirkt, als sinngebendes System anerkannt bleibt.
JE




Montag, 23. April 2018

Absolute Grenzen jenseits der Formbestimmung.


Der wirkliche Werth seiner Arbeitskraft weicht von diesem physischen Minimum ab; er ist verschieden je nach dem Klima und dem Stand der gesellschaftlichen Entwicklung; er hängt ab nicht nur von den physischen, son-dern auch von den historisch entwickelten gesellschaftlichen Bedürfnissen, die zur zweiten Natur werden. Aber in jedem Land zu einer gegebnen Periode ist dieser regulirende durchschnittliche Arbeitslohn eine gegebne Größe. 

Der Werth der sämmtlichen übrigen Revenuen hat so eine Grenze. Er ist stets gleich dem Werth, worin sich der Gesammtarbeitstag (der hier mit dem Durchschnittsarbeitstag zusammenfällt, da er die vom gesellschaftli-chen Gesammtkapital in Bewegung gesetzte Gesammtarbeitsmasse umfaßt) verkörpert, minus dem Theil des-selben, der sich in Arbeitslohn verkörpert. Seine Grenze ist also gegeben durch die Grenze des Werths, in wel-chem sich die unbezahlte Arbeit ausdrückt, d. h. durch das Quantum dieser unbezahlten Arbeit. 

Wenn der Theil des Arbeitstags, den der Arbeiter zur Reproduktion des Werths seines Lohns braucht, in dem physischen Minimum seines Lohns seine letzte Schranke hat, so hat der andre Theil des Arbeitstags, worin sich seine Mehrarbeit darstellt, also auch der Werththeil, der den Mehrwerth ausdrückt, seine Schranke an dem phy-sischen Maximum des Arbeitstags, d. h. an dem Gesammtquantum täglicher Arbeitszeit, das der Arbeiter bei Erhaltung und Reproduktion seiner Arbeitskraft überhaupt geben kann. ...

Die Höhe der Profitrate aber ist ebenfalls eine in gewissen, durch den Werth der Waaren bestimmten Grenzen eingeschloßne Größe. Sie ist das Verhältniß des Gesammtmehrwerths zu dem, der Produktion vorgeschoßnen gesellschaftlichen Gesammtkapital. 

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Das Kapital III, 
MEGA II.15 S. 832f. [MEW 25, S. 866f.]



Nota. - Nur als Begriffe verhalten sich Stoff und Form "dialektisch". In der Wirklichkeit ist der Stoff immer gege-ben, und die formgebende menschliche Tätigkeit kommt erst hinzu. Es ist ein Gerücht, dass es in der Kritik der Politischen Ökonomie wesentlich um 'die Formseite' ginge. So ist es vielmehr in der Politischen Ökonomie selbst, die dem Begriffsfetischismus huldigt und huldigen muss. Die Kritik zerstreut im Gegenteil den dinglichen Schein der 'Form', hinter dem es die menschliche Tätigkeit sichtbar macht, und legt dadurch das stoffliche Substrat als den realen Gegenstand frei.
JE. 20. 1. 16


 

Sonntag, 22. April 2018

Wird die ganze Gesellschaft als Ein Individuum betrachtet...

santabanta

Aber die Frage ist grade, ob der Capitalist den Weg verwerthen, ob er seinen Werth durch den Austausch rea- lisiren könnte? Diese Frage existirt natürlich bei jedem Product, aber sie nimmt bei den allgemeinen Produc- tionsbedingungen eine besondre Form an. Gesezt der Werth des Weges verwerthe sich nicht. Er wird aber gebaut, weil er ein / nothwendiger Gebrauchswerth. Wie steht die Sache dann? 

Hergestellt muß er werden und bezahlt muß er werden – insofern seine Productionskosten gegen ihn ausge- tauscht werden müssen. Er tritt nur in Existenz durch gewisse Consumtion von Arbeit, Arbeitsmitteln, Roh- stoffen etc. Ob die Herstellung durch Frohnarbeit oder durch Steuern geschieht, ist dasselbe. Hergestellt wird er aber nur, weil er ein nothwendiger Gebrauchswerth für die Gemeinde ist, weil sie seiner à tout prix bedarf. Es ist dieß allerdings eine Surplusarbeit, die der Einzelne, sei es in der Form der Frohnde, sei es in der vermit- telten der Steuer über die unmittelbare Arbeit, die nothwendig zu seiner Subsistenz ist, thun muß. 

Aber so weit sie nöthig ist, für die Gemeinde, und für jeden Einzelnen als Glied derselben, ist sie keine Sur- plusarbeit die er verrichtet, sondern ein Theil seiner nothwendigen Arbeit, der Arbeit die nothwendig ist damit er sich als Gemeindeglied und damit das Gemeinwesen reproducirt, was selbst eine allgemeine Bedingung sei- ner productiven Thätigkeit ist. Wäre die Arbeitszeit in der unmittelbaren Production ganz consumirt, (oder ver- mittelt ausgedrückt unmöglich Surplussteuern für diesen bestimmten Zweck zu erheben), so müßte der Weg ungebaut bleiben. 

Wird die ganze Gesellschaft als Ein Individuum betrachtet, so bestünde die nothwendige Arbeit in der Summe aller der besondren Arbeitsfunctionen, die durch die Theilung der Arbeit verselbstständigt sind. Das Eine Indi- viduum müßte z. B. so viel Zeit für Ackerbau verwenden, so viel für Industrie, so viel für Handel, so viel zur Herstellung von Instrumenten, so viel, um auf unsren Hammel zurückzukommen, für Wegbau und Communi- kationsmittel. Alle diese Nothwendigkeiten lösen sich auf in so viel Arbeitszeit, die auf verschiedne Zwecke ge- richtet und in besonderten Thätigkeiten verausgabt werden muß. Wieviel solche Arbeitszeit verwandt werden kann, hinge vom Quantum des Arbeitsvermögens ab (= der Masse der arbeitsfähigen Individuen, die die Ge- sellschaft constituiren) und von der Entwicklung der Productivkraft der Arbeit (der Productenmasse, die sie in gegebner Zeit schaffen kann).
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Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 425f. [MEW 42, S. 432f.]  



Nota. - Sicher ist es statthaft, die ganze Gesellschaft in gewisser Hinsicht als Ein Individuum zu betrachten. Man abstrahiert dabei aber davon, dass sie ihr Produkt verteilen muss. Was die kapitalistische Wirtschaftweise im Besondern ausmacht, die allgemeine Vermittlung durch den Markt, entfällt dann;  sowohl bei der Gewichtung der jeweiligen Bedürfnisse (=Verteilung der Arbeitszeit als 'gesellschaftlich notwendige') als auch in der darauf beruhenden Verteilung der Produkte. Pour retourner à nos moutons: Für den Handel müsste das Eine Indivi- duum keine Arbeitszeit vorsehen.
JE

Samstag, 21. April 2018

Progressivität der Feudalunordnung.

aus Les Très Riches Heures du duc de Berry

Die dritte Form ist das feudale oder ständische Eigentum. Wenn das Altertum von der Stadt und ihrem kleinen Gebiet ausging, so ging das Mittelalter vom Lande aus. Die vorgefundene dünne, über eine große Bodenfläche zersplitterte Bevölkerung, die durch die Eroberer keinen großen Zuwachs erhielt, bedingte diesen veränderten Ausgangspunkt. Im Gegensatz zu Griechenland und Rom beginnt die feudale Entwicklung daher auf einem viel ausgedehnteren, durch die römischen Eroberungen und die anfangs damit verknüpfte Ausbreitung der Agrikultur vorbereiteten Terrain. 

Die letzten Jahrhunderte des verfallenden römischen Reichs und die Eroberung durch die Barbaren selbst zerstörten eine Masse von Produktivkräften; der Ackerbau war gesunken, die Industrie aus Mangel an Absatz verfallen, der Handel eingeschlafen oder gewaltsam unterbrochen, die ländliche und städtische Bevölkerung hatte abgenommen. Diese vorgefundenen Verhältnisse und die dadurch bedingte Weise der Organisation der Eroberung entwickelten unter dem Einflusse der germanischen Heerverfassung das feudale Eigentum. 

Es beruht, wie das Stamm- und Gemeindeeigentum, wieder auf einem Gemeinwesen, dem aber nicht wie dem antiken die Sklaven, sondern die leibeignen kleinen Bauern als unmittelbar produzierende Klasse gegenüberste-hen. Zugleich mit der vollständigen Ausbildung des Feudalismus tritt noch der Gegensatz gegen die Städte hinzu. Die hierarchische Gliederung des Grundbesitzes und die damit zusammenhängenden bewaffneten Gefolgschaften gaben dem Adel die Macht über die Leibeignen. 

Diese feudale Gliederung war ebensogut wie das antike Gemeindeeigentum eine Assoziation gegenüber der beherrschten produzierenden Klasse; nur war die Form der Assoziation und das Verhältnis zu den unmittelba-ren Produzenten verschieden, weil verschiedene Produktionsbedingungen vorlagen. Dieser feudalen Gliede-rung des Grundbesitzes entsprach in den Städten das korporative Eigentum, die feudale Organisation des Handwerks. Das Eigentum bestand hier hauptsächlich in der Arbeit jedes Einzelnen. 

Die Notwendigkeit der Assoziation gegen den assoziierten Raubadel, das Bedürfnis / gemeinsamer Markt- hallen in einer Zeit, wo der Industrielle zugleich Kaufmann war, die wachsende Konkurrenz der den aufblü- henden Städten zuströmenden entlaufnen Leibeignen, die feudale Gliederung des ganzen Landes führten die Zünfte herbei; die allmählich ersparten kleinen Kapitalien einzelner Handwerker und ihre stabile Zahl bei der wach-senden Bevölkerung entwickelten das Gesellen- und Lehrlingsverhältnis, das in den Städten eine ähnliche Hierarchie zustande brachte wie die auf dem Lande. Das Haupteigentum bestand während der Feudalepoche also in Grundeigentum mit daran geketteter Leibeignenarbeit einerseits und eigner Arbeit mit kleinem, die Arbeit von Gesellen beherrschendem Kapital andrerseits. 

Die Gliederung von Beiden war durch die bornierten Produktionsverhältnisse – die geringe und rohe Boden-kultur und die handwerksmäßige Industrie – bedingt. Teilung der Arbeit fand in der Blüte des Feudalismus wenig statt. Jedes Land hatte den Gegensatz von Stadt und Land in sich; die Ständegliederung war allerdings sehr scharf ausgeprägt, aber außer der Scheidung von Fürsten, Adel, Geistlichkeit und Bauern auf dem Lande und Meistern, Gesellen, Lehrlingen und bald auch Taglöhnerpöbel in den Städten fand keine bedeutende Teilung statt. Im Ackerbau war sie durch die parzellierte Bebauung erschwert, neben der die Hausindustrie der Bauern selbst aufkam, in der Industrie war die Arbeit in den einzelnen Handwerken selbst gar nicht, unter ihnen sehr wenig geteilt. 

Die Teilung von Industrie und Handel wurde in älteren Städten vorgefunden, entwickelte sich in den neueren erst später, als die Städte unter sich in Beziehung traten. Die Zusammenfassung größerer Länder zu feudalen Königreichen war für den Grundadel wie für die Städte ein Bedürfnis. Die Organisation der herrschenden Klasse, des Adels, hatte daher überall einen Monarchen an der Spitze.
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Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, MEW 3, S. 34f.



Nota. - Das ist anderthalb Jahrhunderte alt und doch noch nicht überholt: in der Geschichtsschreibung eine uneingeholte Leistung. Denn was fehlt, die Einsicht in der progressiven Charakter der feudalen Produktions-weise, lässt sich überhaupt nur im Lichte ebendieser Darstellung erkennen. Anders als die Sklavenarbeit auf den römischen Latifundien hat die bedingte Form des feudalen Eigentums den Grundherrn ebenso wie den Acker- bauern gemeinsam an der wirtschaftlichen Leistung interessiert. Ohne dies wäre die durchgängige Kultivierung des Bodens nördlich und östlich der Alpen in verhältnismäßig kurzer Zeit nicht möglich gewesen. 

Und, so muss man hinzufügen, ohne die kongenitale Rivalität der weltlich und der geistlichen Mächte hätten die Städte, und das heißt: das Bürgertum nicht den Spielraum gefunden, sich als Dritte Macht zwischen sie und schließlich an ihre Stelle zu schieben.

Zwar ist es eine unausgesprochene Prämisse der Marx-Engels'schen Darstellung, doch verdient es, ausdrücklich gesagt zu werden: Unter anderen Voraussetzungen als der Feudalität wäre die Ausbildung der bürgerlichen Gesell- schaft nicht möglich gewesen. Wäre? Ist!  Die einzige Stelle in der Welt, wo eine vergleichbare bürgerliche Ent- wicklung zustande gekommen ist, ist Japan mit seiner nicht 'asiatischen', sondern viel eher feudalen Produkti- onsweise.
JE

Freitag, 20. April 2018

Gültige Bedürfnisse.

Doré, Gargantuas Kindheit

Bedürfnis setzt Gebrauchswert. Den Tauschwert setzt die Nachfrage. Nachfrage ist das Bedürfnis, das gesell- schaftlich gilt; Bedürfnis, das sich in Tauschwert ausdrückt. Es ist das in Tauschwert ausgedrückte Bedürfnis, das darüber entscheidet, ob die darauf zu verwendende Arbeitszeit 'gesellschaftlich notwendig' ist. Das Quan- tum des gebotenen Tauschwerts entscheidet über den Grad der Notwendigkeit.

'Tauschwert ist gesellschaftlicher Gebrauchswert' (Rodbertus) ist nur dann mystifizierend, wenn Gesellschaft als Abstraktum genommen wird; wenn unbedacht bleibt, dass die wirklichen Gesellschaften in gegensätzliche Interessengruppen gespalten sind. Ausgedrückt ist die Spaltung der Gesellschaft in der unterschiedlichen Gültigkeit der verschiedenen Bedürfnisse.


Ein individuelles Bedürfnis (nach Gebrauchswert) gilt als gesellschaftliche Nachfrage (nach Tauschwert) nur, wenn es als 'Kommando über fremde Arbeitskraft' auftritt. Tritt es lediglich als Kommando über eigne Arbeitskraft auf, muss es diese erst zu Geld machen, "veräußern", in 'Kommando über fremde Arbeitskraft' umtauschen, um zu gesellschaftlicher Geltung zu gelangen. Gelingt ihr das nicht, wird sie nicht als Nachfrage geltend, bleibt privat, fällt gesellschaftlich nicht ins Gewicht. - Nicht die konkrete Arbeit zählt, sondern die anteilige Verfügung über das Abstraktum Arbeitskraft.

 
Nachtrag 16. 8. 15:

Das Maß gesellschaftlicher Geltung ist Kommando über Arbeitszeit;  nämlich in der in Klassen gespaltenen Gesellschaft.


Mittwoch, 18. April 2018

Le Platonisme où va-t-il se nicher?


Le platonisme où va-t-il se nicher! – "Wo überall wird sich der Platonismus noch einnisten!" seuzt Marx an einer ganz beiläufigen Stelle über die Fetischisierung des Gebrauchswerts.* Dass der Platonismus überall schon drinsteckt und sich gar nicht erst einnisten muss, wo immer Hegel'sche Dialektik webt und wabert; und selbst schon, wo der Alltagsverstand des Krämers waltet – ist ihm selber noch nicht klar. 

Dass die Bedeutung – der 'Begriff' – das Wesen der Dinge ausmacht und ihre Wirklichkeit bloß Erscheinung ist, spukt selbst ihm noch immer durch den Hinterkopf, wo im Stirnlappen doch längst die kritische Auffassung Platz gegriffen hat: dass die 'Bedeutung' der Dinge immer nur das ist, was ein Subjekt mit ihnen im Lebens-vollzug anfängtweil es eine Absicht auf sie hat.

*) Marx, Das Kapital I,
MEW Bd. 23, S. 388 Anm.



 

Dienstag, 17. April 2018

Wissenschaft tritt an die Stelle der Arbeit.

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Die Aneignung der lebendigen Arbeit durch das Capital erhält in der Maschinerie auch nach dieser Seite hin eine unmittelbare Realität: Es ist einerseits direkt aus der Wissenschaft entspringende Analyse und Anwendung mechanischer und chemischer Gesetze, welche die Maschine befähigt dieselbe Arbeit zu verrichten, die früher der Arbeiter verrichtete. Die Entwicklung der Maschinerie auf diesem Weg tritt jedoch erst ein, sobald die grosse Industrie schon höhre Stufe erreicht hat und die sämmtlichen Wissenschaften in den Dienst des Capitals gefangen genommen sind; andrerseits die vorhandne Maschinerie selbst schon grosse Ressourcen gewährt. Die Erfindung wird dann ein Geschäft und die Anwendung der Wissenschaft auf die unmittelbare Production selbst ein für sie bestimmender und sie sollicitirender Gesichtspunkt. 

Dieß ist aber nicht der Weg, worin die Maschinerie im Grossen entstanden ist, und noch weniger der, worin sie im Detail fortschreitet. Dieser Weg ist die Analyse – durch Theilung der Arbeit, die die Operationen der Arbeiter schon mehr und mehr in mechanische verwandelt, so daß auf einem gewissen Punkt der Mechanismus an ihre Stelle treten kann. (Ad economy of power.) 

Es erscheint hier also direct die bestimmte Arbeitsweise übertragen von dem Arbeiter auf das Capital in der Form der Maschine, und durch diese Transposition sein eignes Arbeitsvermögen entwerthet. Daher der Kampf der Arbeiter gegen die Maschinerie. Was Thätigkeit des lebendigen Arbeiters war, wird Thätigkeit der Maschine. So tritt dem Arbeiter grob-sinnlich die Aneignung der Arbeit durch das Capital, das Capital als die lebendige Arbeit in sich absorbirend – „als hätt' es Lieb' im Leibe“ – gegenüber.
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Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 580 [MEW 42, S. 600]


Nota. – Marx schreibt zu einer Zeit, als der technische Fortschritt in Arbeitsanalyse und der Ersetzung mechanischer Verrichtungen bestand. Die Arbeiter wurden ersetzt, es blieben Aufseher und Ingenieure, die nicht als Arbeiter, sondern als Vertreter des Kapital galten. Inzwischen ist die Wissenschaft so weit in die materielle Fertigung eingedrungen, dass immer mehr Maschinen sich selbst beaufsichtigen und selber repa- rieren. Die lebendige Arbeit, die verbleibt, ist die von Ingenieuren, deren Tätigkeit mehr wissenschaftlich als mechanisch ist. Kann man noch sagen, dass der ganze Mehrwert - nein: letzten Endes aller Profit aus der Mehrarbeit dieser Handvoll Hochspezialisten besteht?
JE, 19. 9. 15

Montag, 16. April 2018

Naturbeschaffenheit, Funktion, Formbestimmung.

Lothar Sauer

Es ist gar nicht gesagt, daß das Capital fixe in jeder Bestimmung Capital ist, das nicht zur individuellen Consumtion, sondern nur zur Production dient. Ein Haus kann zur Production dienen, wie zur Consumtion; ebenso alle Vehikel, ein Schiff und ein Wagen zur Lustfahrt, wie zum Transportmittel; eine Strasse als Communicationsmittel für die eigentliche Production, wie für Spazierengehn etc. Das Capital fixe in dieser 2ten Beziehung geht uns gar nichts an; da wir das Capital hier nur als Verwerthungsprocess und Productionsprocess betrachten. 

Bei dem Zins wird noch die 2te Bestimmung hereinkommen. Ricardo kann nur diese Bestimmung im Auge haben, wenn er sagt: „Je nachdem das Capital mehr oder minder vergänglich ist, also mehr oder minder oft reproducirt werden muß in gegebner Zeit, heißt es circulirendes oder fixes Capital.“ (Ricardo. VIII, 19.) 

Danach wäre eine Kaffeekanne fixes Capital, aber der Caffee circulirendes. Der grobe Materialismus der Oekonomen, die gesellschaftlichen Productionsverhältnisse der Menschen und die Bestimmungen, die die Sachen erhalten, als unter diese Verhältnisse subsumirt, als natürliche Eigenschaften der Dinge zu betrachten, ist ein ebenso grober Idealismus, ja Fetischismus, der den Dingen gesellschaftliche Beziehungen als ihnen immanente Bestimmungen zuschreibt und sie so mystificirt. 

Die Schwierigkeit irgendein Ding als fixes Capital oder circulirendes seiner natürlichen Beschaffenheit nach zu fixiren, hat die Oekonomen hier ausnahmsweise zum Einfall gebracht, daß die Dinge selbst weder fixes noch circulirendes, also wohl überhaupt nicht Capital sind, so wenig es natürliche Eigenschaft des Goldes ist Geld zu sein. 
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Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 567 [MEW 42, S. 587f.]  





Sonntag, 15. April 2018

Überschüssige Bevölkerung.

BMfAS

Das Setzen einer bestimmten Portion von Arbeitsvermögen als überflüssig, d. h. der zu ihrer Reproduction erheischten Arbeit als überflüssig, ist daher nothwendige Consequenz des Wachsthums der Surplusarbeit im Verhältniß zur nothwendigen. Die Abnahme der relativ nothwendigen Arbeit erscheint als Zunahme der relativ überflüssigen Arbeitsvermögen – d. h. als Setzen von Surpluspopulation. 

Wenn diese erhalten wird, geschieht es dann nicht aus dem Arbeitsfonds, sondern aus der Revenu aller Klassen. Es geschieht nicht durch die Arbeit des Arbeitsvermögens selbst – nicht mehr durch die normale Reproduction als Arbeiter, sondern als Lebendiger wird er aus Gnade von andren erhalten; wird daher Lump und Pauper; dadurch daß er nicht mehr durch seine nothwendige Arbeit, also nicht mehr durch den Austausch mit einem Theil des Capitals sich erhält, ist er aus den / Bedingungen des scheinbaren Tausch- und Unabhängigkeitsver- hältnisses heraus gefallen; 

zweitens: die Gesellschaft übernimmt in aliquoten Theilen für den Herrn Capitalisten das Geschäft ihm sein virtuelles Arbeitsinstrument – dessen wear und tear – in Stand zu halten auf Reserve für spätren Gebrauch. Er schiebt die Reproductionskosten der Arbeiterklasse zum Theil von sich ab und pauperisirt so zu seinem Profit einen Theil der andren Bevölkerung. Andrerseits hat das Capital, da es sich beständig als Surpluscapital repro- ducirt, eben so sehr die Tendenz diesen Pauperismus zu setzen als aufzuheben. Es wirkt in entgegengesezter Richtung, wo in der Zeit bald das eine, bald das andre das Uebergewicht hat 
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Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 497. [MEW 42, S. 510f.]


Nota. - Dass sie eine überschüssige Bevölkerung schafft, ist keine Besonderheit der kapitalistischen Wirtschafts-weise: das tut jede auf Arbeit beruhende Gesellschaft, also jede seit dem Übergang zum Ackerbau. In den ur-wüchsigen Gemeinschaften der Jäger und Sammler wird das Gleichgewicht zwischen Nahrungsangebot und Bevölkerung alljährlich neu hergestellt. Das Besondere der kapitalistischen Gesellschaft besteht darin, dass sie eine "industrielle Reservearmee" buchstäblich unterhält, um je nach Marktlage immer auf sie zurückgreifen zu können.

Deren Unterhalt wurde vor Einrichtung der Sozialversicherung aus dem Konsumfonds der gesamten Gesell-schaft bestritten - also nicht vom Kapital, das auf ihren Bestand doch angewiesen ist. Seit der Einführung um-fassender Sozialversicherungen wird ein Teil dieses Unterhalts vom Lohn der Arbeitenden abgezogen. (In Deutschland gehen Hartz IV und Grundsicherung weiterhin auf Kosten der gesamten Gesellschaft.)

Dass auch die Unternehmer ein Teil zur Sozialversicherung beitrügen, ist nur ein Schein. Deren Beitrag ist ein verstecktere Abzug vom Arbeitslohn. Der Sinn der Täuschung ist der, dem Kapital einen Zugriff auf die Selbstverwaltung der Kassen zu verschaffen.
JE

Samstag, 14. April 2018

Dem Kapital ist nicht unter allen Umständen an der Steigerung der Produktivität gelegen.

Messerschmidt

Nehmen wir an, eine Maschine werde erfunden, die die für jedes Stück erforderliche lebendige Arbeit auf die Hälfte reducire, dafür aber den aus Verschleiß des fixen Kapitals bestehenden Werththeil verdreifache. 

Dann stellt sich die Sache so: Verschleiß = 112 sh., Roh- und Hülfsstoff wie früher 1712 sh. Arbeitslohn 1 sh., Mehrwerth 1 sh., zusammen 21 sh. oder Mark. Die Waare ist nun 1 sh. im Werth gesunken; die neue Maschine hat die Produktivkraft der Arbeit entschieden gesteigert. Für den Kapitali- sten aber stellt sich die Sache so: sein Kostpreis ist jetzt: 112 sh. Verschleiß, 1712 sh. Roh- und Hülfsstoff, 1 sh. Arbeitslohn, zusammen 20 sh., wie vorher. Da die Profitrate sich durch die neue Maschine nicht ohne weiteres ändert, muß er 10 % über dem Kostpreis erhalten, macht 2 sh.; der Produktionspreis ist also unverändert = 22 sh., aber 1 sh. über dem Werth. 

Für eine unter kapitalistischen Bedingungen producirende Gesellschaft hat sich die Waare nicht verwohlfeilert, ist die neue Maschine keine Verbesserung. Der Kapitalist hat also kein Interesse daran, die neue Maschine ein- zuführen. Und da er durch ihre Einführung seine bisherige, noch nicht verschlissene Maschinerie einfach werthlos machen, sie in bloßes altes Eisen verwandeln, also positiven Verlust erleiden würde, hütet er sich sehr vor dieser, für ihn utopischen Dummheit.

Für das Kapital also gilt das Gesetz der gesteigerten Produktivkraft der Arbeit nicht unbedingt. Für das Kapital wird diese Produktivkraft gesteigert, nicht wenn überhaupt an der lebendigen Arbeit, sondern nur wenn an dem bezahlten Theil der lebendigen Arbeit mehr erspart als an vergangner Arbeit zugesetzt wird, wie dies bereits Buch I, Kap. XIII, 2, Seite 409/398* kurz angedeutet worden. 


Hier fällt die kapitalistische Produktionsweise in einen neuen Widerspruch. Ihr historischer Beruf ist die rücksichtslose, in geometrischer Progressive vorangetriebne Entfaltung der Produktivität der menschlichen Arbeit. Diesem Beruf wird sie untreu, / sobald sie, wie hier, der Entfaltung der Produktivität hemmend ent- gegen tritt. Sie beweist damit nur aufs neue, daß sie altersschwach wird und sich mehr und mehr überlebt.

*) [MEW 23, S. 414]
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Das Kapital III, MEGA II/15,  S. 258f. [MEW 25, S. 272f.]



Nota. - Dem Kapitalisten ist an dem Mehrwert, den er selber produziert - und dem Grad, in dem er seine Ar- beiter ausbeutet -, gar nichts gelegen. Ihn interessiert der Anteil am gesellschaftlichen Gesamtprofit, den er ergattern kann - und wie er seine Kosten senkt.
JE 

Freitag, 13. April 2018

Der wahre Reichtum besteht in verfügbarer Zeit.

Fred. Leighton, The Sluggard
 
Die Schöpfung von viel disposable time ausser der nothwendigen Arbeitszeit für die Gesellschaft überhaupt und jedes Glied derselben, (d. h. Raum für die Entwicklung der vollen Productivkräfte des Einzelnen, daher auch der Gesellschaft) diese Schöpfung von Nichtarbeitszeit erscheint auf dem Standpunkt des Capitals, wie aller frühren Stufen, als Nichtarbeitszeit, freie Zeit für einige. Das Capital fügt hinzu, daß es die Surplusarbeitszeit der Masse durch alle Mittel der Kunst und Wissenschaft vermehrt, weil sein Reichthum direct in der Aneignung von Surplusarbeitszeit besteht; da sein Zweck direkt der Werth, nicht der Gebrauchswerth. 

Es ist so, malgré lui, instrumental in creating the means of social disposable time, um die Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft auf ein fallendes Minimum zu reduciren, und so die Zeit aller frei für ihre eigne Entwicklung zu machen. Seine Tendenz aber immer, einerseits disposable time zu schaffen, andrerseits to convert it into surpluslabour. Gelingt ihm das erstre zu Gut, so leidet es an Surplusproduction und dann wird die nothwendige Arbeit unterbrochen, weil keine surpluslabour vom Capital verwerthet werden kann. 

Je mehr dieser Widerspruch sich entwickelt, um so mehr stellt sich heraus, daß das Wachsthum der Productivkräfte nicht mehr gebannt sein kann an die Aneignung fremder surpluslabour, sondern die Arbeitermasse selbst ihre Surplusarbeit sich aneignen muß. Hat sie das gethan, – und hört damit die disposable time auf gegensätzliche Existenz zu haben – so wird einerseits die nothwendige Arbeitszeit ihr Maaß an den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Individuums haben, andrerseits die Entwicklung der gesellschaftlichen Productivkraft so rasch wachsen, daß, obgleich nun auf den Reichthum aller die Production berechnet ist, die disposable time aller wächst. Denn der wirkliche Reichthum ist die entwickelte Productivkraft aller Individuen. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die disposable time das Maaß des Reichthums. 

Die Arbeitszeit als Maaß des Reichthums sezt den Reichthum selbst als auf der Armuth begründet und die disposable time nur existirend im und durch den Gegensatz zur Surplusarbeitszeit oder Setzen der ganzen Zeit des Individuums als Arbeitszeit und Degradation desselben daher zum blosen Arbeiter, Subsumtion unter die Arbeit. Die entwickeltste Maschinerie zwingt den Arbeiter daher jezt länger zu arbeiten als der Wilde thut oder als er selbst mit den einfachsten, rohsten Werkzeugen that.
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Grundrisse, MEGA II/1.2, S. 584f. [MEW 42, S. 603f.]


Nota. - Die Digitale Revolution wirft einen langen Schatten voraus: Schon hat sie die gesellschaftlich notwen- dige Arbeitszeit so weit reduziert, dass es im Westen für alle gar nicht mehr genug zu tun gibt. Was für ein Geschenk 
 als hätte Prometheus den Göttern das Feuer ein zweites Mal gestohlen! Ein zwölftausend Jahre alter Traum der Menschheit geht in Erfüllung: ein Leben lang freie Zeit, ausgefüllt nur mit der Ausbildung meiner eignen Fähigkeiten... wozu? Bloß um sie zu verspielen.

Wie kann die gesellschaftliche Produktion dauerhaft darauf beruhen, dass eine schwindende Handvoll Arbeiter länger arbeitet, als zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft nötig wäre, wenn die notwendige Arbeitszeit gegen Null tendiert? Wenn der Arbeiter an einem Arbeitstag das Tausendfache von dem produziert, was er im Monat ver- braucht? Wenn das Tagespensum des Arbeiters schließlich nur noch in einem Kopfnicken oder Fingerschnip- pen besteht?  

Die absolute Grenze der digitalen Automation wäre erreicht, wenn die Maschinerie nicht mehr mit Kopfdruck, sondern durch einen Denkanstoß, durch bloße Gedankenübertragung in Gang gesetzt werden kann. Das bliebe technologisch unmöglich? Aber viel wird nicht fehlen, und so bleibt das Problem: Bei solch astronomischen Missverhältnissen verliert es allen Sinn, von Mehrarbeit zu sprechen. Die 'Formbstimmung' bleibt unberührt, aber sie bedeutet nichts mehr.

Die Formbestimmung ist nichts anderes als die Begriffe. In den Begriffen ist erfasst, gefasst das wirkliche Handeln wirklicher Menschen; 'gefasst': das heißt, so dargestellt, als ob es stillestünde, als ob es eingefroren wäre. Wenn sich das, was die Menschen wirklich tun, ändert, dann ändert sich doch nicht der Begriff; er fasst nur nichts mehr. Er wird leer, weil er nun ohne Anschauung ist.
JE, 13. 8. 15



 

Donnerstag, 12. April 2018

Geistige Arbeit wird grundsätzlich unter ihrem Wert bezahlt.


Das Produkt der geistigen Arbeit – die Wissenschaft – steht immer tief unter ihrem Wert. Weil die Arbeitszeit, die nötig ist, um sie zu reproduzieren, in gar keinem Verhältnis steht zu der Arbeitszeit, die zu ihrer Original-produktion erforderlich ist. Z.B. den binomischen Lehrsatz kann ein Schuljunge in einer Stunde lernen.
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Theorien über den Mehrwert, MEW Bd. 26.1, S. 329



Einmal entdeckt, kostet das Gesetz über die Abweichung der Magnetnadel im Wirkungskreise eines elektri-schen Strom kreist, keinen Deut. Die Wissenschaft kostet dem Kapitalisten überhaupt "nichts", was ihn durch-aus nicht hindert, sie zu exploitieren. Die "fremde" Wissenschaft wird dem Kapital einverleibt wie fremde Ar-beit. 
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Das Kapital I, MEW Bd. 23, S. 407f.



..ist zu unterscheiden zwischen allgemeiner Arbeit und gemeinschaftlicher Arbeit. Beide spielen im Produkti-onsprozeß ihre Rolle, beide gehen ineinander über, aber beide unterscheiden sich auch. Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit den Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer. Gemeinschaftliche Arbeit unterstellt die unmittelbare Kooperation der Individuen.
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Kapital III, MEW 25, S. 113f.




Nota. Der Wert wird nicht bestimmt durch das, was gestern war, sondern durch das, was heute gilt. 

JE  

Mittwoch, 11. April 2018

"Das Kapital lesen".



Dem Kapitalisten ist an dem Mehrwert, den er selber produziert, gar nichts gelegen. Ihn interessiert der Teil am gesellschaftlichen Gesamtprofit, den er ergattern kann. Ob die Geldsumme, die ihm der Markt einträgt, einem materielles Produkt entspricht, das er auf den Markt gebracht hat, oder lediglich einer spekulativen Finanzoperation geschuldet ist, taucht unterm Strich in seiner Bilanz gar nicht auf, es kann ihm gleichgültig sein. 

Problematisch wird es erst in der Umkehrung: wenn nicht mehr genügend Geld hereinkäme, um neue Produkte zu fabrizieren. Dann würden schließlich die Gewinne der einen von den Verlusten der andern aufgewogen, und am Ende gäbe es gar nichts mehr zu verteilen, weil der ganze Kreislauf zum Stillstand gekommen ist.

Das ist, in groben Worten, das Problem der fallenden Profitrate. Es wird überhaupt erst im III. Band des Kapi- tal behandelt. Es ist aber das unmittelbarste, dringlichste Problem, das für das Kapital besteht - und für den Kapitalisten, auch wenn er es als solches gar nicht kennt. Kapital muss verwertet werden, sonst hört es auf, eines zu sein. Reichen seine Erlöse nicht aus, den Reproduktionszyklus wieder von vorn zu beginnen, dann ist er früher oder später bankrott. Nicht auf die absolute Höhe seiner Einkünfte muss es dem Kapitlisten ankom- men, sondern auf die relative: Sie müssen ausreichen.

Darum geht es ihm, und daher sorgt er sich mehr darum, die Vorschusskosten zu senken, die ihm der neue Reprokuktionszyklus abverlangt, als um den Mehrwert, den ihm seine Arbeiter produzieren. Denn nicht den Mehwert, den sein Unternehmen produziert, streicht der Kapitalist ein, sondern den Profit, den er beim Verkauf macht, und beide haben unmittelbar gar nichts mit einander zu tun.

Generationen von Arbeiterfunktionären und Agitatoren, später von revolutionär gesonnenen Studenten haben in ihren Marx-Schulungen über der Ersten Band des Kapitl geschwitzt, und der ist grad schwer genug. Doch von dem, was sie dort erfuhren, erkannten sie in der aktuellen Wirklichkeit kaum etwas wieder, nicht im Wirt- schaftsteil der Zeitungen noch gar im Fakrikalltag. Dann drückten sie ein Auge zu, trösteten sich damit, noch nicht alles ganz verstanden zu haben, und wurden doch das dunkle Gefühl nicht los, es handle sich um ein Abrakadabra, das nur wenigen Eingeweihten zugänglich ist. Statt dass Wissen Macht wurde, führte auch die 'Schulung' in neue Mystifikation und festigte das Übergewicht der  Bürokratien in der Arbeiterbewegung.

Wäre die Lösung gewesen, aufs Studium des Ersten Bandes noch das Studium des Zweiten und vor allem des Dritten Bandes draufzusatteln?

Klassenbewusstsein entsteht in Klassenkämpfen. Wo die nicht stattfinden, nützt auch literarisches Büffeln nicht. Dem kritischen Studierenden wird aber nichts anderes übrigbleiben.  


Dienstag, 10. April 2018

Über die drei Bände des 'Kapital'.


Im ersten Buch wurden die Erscheinungen untersucht, die der kapitalistische Produktionsproceß, für sich ge-nommen, darbietet, als unmittelbarer Produktionsproceß, bei dem noch von allen sekundären Einwirkungen ihm fremder Umstände abgesehn wurde. 

Aber dieser unmittelbare Produktionsproceß erschöpft nicht den Lebenslauf des Kapitals. Er wird in der wirk-lichen Welt ergänzt durch den Cirkulationsproceß, und dieser bildete den Gegenstand der Untersuchungen des zweiten Buchs. Hier zeigte sich, namentlich im dritten Abschnitt, bei Betrachtung des Cirkulationsprocesses als der Vermittlung des gesellschaftlichen Reproduktionsprocesses, daß der kapitalistische Produktionsproceß, im Ganzen betrachtet, Einheit von Produktions- und Cirkulationsproceß ist. 

Worum es sich in diesem dritten Buch handelt, kann nicht sein, allge-/meine Reflexionen über diese Einheit anzustellen. Es gilt vielmehr, die konkreten Formen aufzufinden und darzustellen, welche aus dem Bewegungs-proceß des Kapitals, als Ganzes betrachtet, hervorwachsen. In ihrer wirklichen Bewegung treten sich die Kapi-tale in solchen konkreten Formen gegenüber, für die die Gestalt des Kapitals im unmittelbaren Productions-proceß, wie seine Gestalt im Cirkulationsproceß, nur als besondere Momente erscheinen. 

Die Gestaltungen des Kapitals, wie wir sie in diesem Buch entwickeln, nähern sich also schrittweis der Form, worin sie auf der Oberfläche der Gesellschaft, in der Aktion der verschiedenen Kapitale auf einander, der Kon-kurrenz, und im gewöhnlichen Bewußtsein der Produktionsagenten selbst auftreten. 
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 29f. [MEW 25, S. 33]