Mittwoch, 24. August 2016

Arbeitsteilung - Mühsal - freie Arbeit.


W. Busch, Balduin Bählamm

Du sollst arbeiten im Schweiß deines Angesichts! war Jehovas Fluch, den er Adam mitgab. Und so als Fluch nimmt A. Smith die Arbeit. Die „Ruhe“ erscheint als der adaequate Zustand, als identisch mit „Freiheit“ und „Glück“. Daß das Individuum „in seinem normalen Zustand von Gesundheit, Kraft, Thätigkeit, Geschicklich-keit, Gewandtheit“ auch das Bedürfniß einer normalen Portion von Arbeit hat, und von Aufhebung der Ruhe, scheint A. Smith ganz fern zu liegen. Aller- dings erscheint das Maaß der Arbeit selbst äusserlich gegeben, durch den zu erreichenden Zweck und die Hindernisse, die zu seiner Erreichung durch die Arbeit zu über-winden. Daß aber diese Ueberwindung von Hindernissen an sich Bethätigung der Freiheit – und daß ferner die äusseren Zwecke den Schein blos äusserer Naturnothwendigkeit abgestreift erhalten und als Zwecke, die das Individuum selbst erst sezt, gesezt werden – also als Selbstverwirklichung, Vergegenständlichung des Subjects, daher reale Freiheit, deren Action eben die Arbeit ahnt A. Smith ebenso wenig. 

Allerdings hat er Recht, daß in den historischen Formen der Arbeit als Sklaven- Frohnde-Lohnarbeit die Arbeit stets repulsiv, stets als äussere Zwangsarbeit erscheint und ihr gegenüber die Nichtarbeit als „Freiheit, und Glück“. Es gilt doppelt: von dieser gegensätzlichen Arbeit; und was damit zusammenhängt der Arbeit, die sich noch nicht die Bedingungen, subjektive und objektive, geschaffen hat (oder auch gegen den Hirten- etc Zustand, der sie verloren hat), damit die Arbeit travail attractif, Selbstverwirklichung des Individuums sei, was keineswegs meint, daß sie bloser Spaß sei, bloses amusement, wie Fourier es sehr grisettenmässig naiv auffaßt. Wirklich freie Arbeiten z. B. Componiren ist grade zugleich verdammtester Ernst, intensivste Anstrengung. 

Die Arbeit der materiellen Production kann diesen Charakter nur erhalten, dadurch daß 1) ihr gesellschaftlicher Charakter gesezt ist, 2) daß sie wissenschaftlichen Charakters, zugleich allgemeine Arbeit ist, nicht Anstrengung des Menschen als bestimmt dressirter Naturkraft, sondern als Subject, das in dem Productionsprocess nicht in blos natürlicher, naturwüchsiger Form, sondern als alle Naturkräfte regelnde Thätigkeit erscheint. Uebrigens denkt A. Smith nur an die Sklaven des Capitals. Z. B. selbst der halbkünstlerische Arbeiter des Mittelalters ist nicht zu rangiren unter seine Definition. Was wir aber hier zunächst wollen, ist nicht auf seine / nicht auf seine Ansicht von der Arbeit eingehn, seine philosophische, sondern das ökonomische Moment. 

Die Arbeit blos als Opfer betrachtet und darum werthsetzend, als Preiß der für die Dinge bezahlt wird und ihnen daher Preiß giebt, je nachdem sie mehr oder weniger Arbeit kosten, ist rein negative Bestimmung. Daher konnte denn Herr Senior z. B. das Capital zu einer Productionsquelle im selben Sinn wie die Arbeit, sui generis machen, eine Productionsquelle von Werth, weil auch der Capitalist ein Opfer bringe, das Opfer der abstinence, indem er sich bereichert, statt sein Product direct aufzuessen. Ein blos negatives schafft nichts. Wenn die Arbeit dem Arbeiter z. B. Vergnügen macht – wie sicher dem Geizigen Senior's abstinence – so verliert das Product nichts an seinem Werth. Die Arbeit allein producirt; sie ist die einzige Substanz der Producte als Werthe. ❲Wie wenig Proudhon die Sache verstanden hat, geht aus seinem Axiom hervor, daß jede Arbeit ein Surplus läßt. Was er bei dem Capital verneint, verwandelt er in natürliche Eigenschaft der Arbeit. 

Der Witz ist vielmehr, daß die zur Fristung der absoluten Bedürfnisse nothwendige Arbeitszeit freie Zeit läßt (verschieden auf den verschiednen Stufen der Entwicklung der Productivkräfte) und daher Surplusproduce geschaffen werden kann, wenn Surplusarbeit gearbeitet wird. Das Verhältniß selbst aufzuheben ist der Zweck; so daß das Surplusproduce selbst als nothwendiges erscheint. Schließlich die materielle Production jedem Menschen Surpluszeit zu andrer Thätigkeit läßt. 

Darin nun nichts Mystisches mehr. Ursprünglich die freiwilligen Gaben der Natur reich, oder wenigstens nur anzueignen. Von vornherein naturwüchsig Association (Familie) und ihr entsprechende Theilung der Arbeit und Cooperation. Denn ebenso ursprünglich die Bedürfnisse arm. Sie entwickeln sich selbst erst mit den Productivkräften.

Ihr Maaß, die Arbeitszeit – gleiche Intensivität vorausgesezt – ist daher das Maaß der Werthe. Der qualitative Unterschied der Arbeiter, soweit er nicht naturwüchsig ist, durch Geschlecht, Alter, Körperkraft etc gesezt, also au fond nicht den qualitativen Werth der Arbeit, sondern die Theilung der Arbeit, ihre Differenzirung ausdrückt – ist selbst erst historisches Resultat und wird für die grosse Masse der Arbeit wieder aufgehoben, indem diese einfache ist; die qualitativ höhre aber ihr Maaß an der einfachen ökonomisch erhält.
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Grundrisse, MEGA II/1.2, S. 499/599   [MEW 42, S. 512f.]  


Nota. - Nur dies zum Schlussabsatz: Die Arbeitsteilung führt historisch zur Ausbildung von Arbeiten unter-schiedlichster Qualität. Aber die Maschinerie reduziert sie "für die große Masse" wieder auf einfache Arbeit - und an ihr, nur an ihr kann die qualitativ höhere Arbeit gemessen werden.


Die Mechanisierung der Arbeit tendiert dahin, eine "durchschnittliche, gesellschaftlich notwendige" Arbeit faktisch entstehen zu lassen. Automation und Digitalisierung tendieren dagegen dahin, die einfachen Arbeiten abzuschaffen - und mit ihnen das Maß für die qualitativ höheren!

Eine weitere Stelle, an der sichtbar wird, dass mit der digitalen Revolution der Tauschwert unmöglich werden muss.
JE



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