Montag, 22. August 2016
Gegen den naturalistischen Wertbegriff.
Der Ochse* ist einfach darum kein "Arbeiter", weil er... seine Arbeitskraft nicht austauscht - genausowenig wie der Sklave: der ist auch kein "Arbeiter".
Es ist also nicht die 'immanente' Qualität der - tatsächlichen - Arbeit: formative Energie -, die Arbeit im öko-nomischen Sinn bestimmt, sondern das Faktum eines allbereits bestehenden gesellschaftlichen Zusammenhangs, in dem a) alle 'Produkte' zu Waren werden (=der Austausch universell ist), und darum b) nur jene Dinge als Produkte (nämlich der Arbeit) gelten, sofern sie Waren [geworden] sind: nämlich sofern sie Tauschwert "haben", d. h. sofern sich dieser als ein solcher "bewährt" im aktuellen Tausch.
Also der Zusammenhang des ökonomischen 'Arbeits'-Begriffs mit der "Freiheit" des tätigen Subjekts ist ein realer, aber kein umittelbarer; denn er liegt nicht schon darin, daß der(Lohn-)Arbeiter "frei" ist über seinen "Willen", der Sklav und Ochse aber nicht; sondern darin, daß der Lohnarbeiter in dem allgemeinen gesell-schaftlichen Vermittlungszusammenhang der Zirkulation "Subjekt des Austauschs" ist - und als solches "Subjekt" natürlich freier Arbeiter sein muß. Voraussetzung der "Arbeit"(1) ist der Austausch(2); Voraussetzung des Aus-tauschs aber ist: die freie Disposition über die Arbeitskraft (3); also der Zusammenhang ist vermittelt.
In der Vorstellung eines unmittelbaren Bestimmungsverhältnisses Arbeit(1) - Freiheit(2) ist der Zusammenhang mystifiziert, nämlich Arbeit als Ausdruck der "Freiheit" - d. h. "Vergegenständlichung" des "Wesens"; so z. B. Marx in den Pariser Manuskripten.
Also produktiv ist nur die Arbeit, die Wert setzt, weil sie Ware schafft; weil nämlich umgekehrt nur diejenigen Dinge als Arbeitsprodukte gelten, die Tauschwert haben: und darum eben nur diejenige "Verausgabung von Lebenskraft" als Arbeit gilt, die... Waren erzeugt: dem gesellschaftlichen Bedürfnis seinen Gegenstand schafft.
So vermittelt über das System gesellschaftlicher Geltungen ist der Zusammenhang 'produktive Arbeit'/'freier Willen' ein rationeller; unvermittelt ist er dagegen Mystifikation.
Also kurz und gut und immer wieder: Die Formulierung des "Wertgesetzes" bezeichnet nicht die immanente Qualität (Wesen", Substanz) von menschlicher Tätigkeit, Arbeit usw., sondern bezeichnet ein in der Zeit, historisch gewordenes System gesellschaftlicher Geltung; bezeichnet jenes "Allgemeine", wonach sich die empirischen Individuen im Verlaufe ihres tatsächlichen Vermittlungsprozesses als dessen Resultat, d. h. im Durchschnitt tatsächlich richten; bezeichnet - identifizeirt - durch einen Namen ein reales GEschehen, wie es sich in seinem durchnittlichen Resultat "darstellt"; und behauptet keineswegs einen "wirkenden Grund";
der "Wert" kommt nach dem realen Prozeß, als dessen Resultat, und liegt ihm nicht als seine wirkende Ursache zu Grunde; nur für die abstrahierende Reflexion "erscheint" dieses reale Aposteriori als ein logisches ("ideales") Apriori - so mit allen "Kategorien"...
*) Marx mokiert sich über Ricardo, bei dem gelegentlich der Ochse als "Arbeiter" auftaucht: Theorien... MEW 26.1, S. 235; 26.2, S. 181
aus meinen Notizen, 22. 12. 1987
Nota. - Ich hatte mich längere Zeit mit der Kritik der Politischen Ökonomie beschäftigt; schließlich ging ich dazu über, einzelne Einsichten aufzuschreiben, weniger um sie zu 'behalten', als um sie mir selber klarer zu machen. Manches erscheint mir heute trivial, doch damals war es das nicht.
Wieso gebe ich es heute zum Besten? Nachdem Marx zwei Jahrzehnte lang eine Unperson geworden war, erfreut er sich heute wieder wachsender Beliebtheit. Allerdings nicht als der revolutionäre Wissenschaftler, der er war, sondern als ein antikapitalistischer Ideologe wie viele andere, und das hat er nicht verdient. Es wäre mir lieb, wenn ich ein bisschen dagegen wirken könnte.
Ein wichtigerer Grund ist aber der: Wer öfter in meine Blogs schaut, soll erkennen können, dass meine These über den Zusammenhang von Kritik der Politischen Ökonomie und Wissenschaftslehre keine an den Haaren herbeigezogene Schnapsidee war, für die ich nachträglich "Stellen" zusammenklaube, sondern Ergebnis eines ernsthaften Studiums mindestens der ersten. Und mit der zweiten bin ich inzwischen auch etwas gründlicher zugange.
- Den Ausdruck naturalistischer Wertbegriff habe ich übrigens von Eugen Preobraschenski.
JE
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