my-baltic
Im ersten Buch wurden
die Erscheinungen untersucht, die der kapitalistische Produktionsproceß,
für sich genommen, darbietet, als unmittelbarer Produktionsproceß, bei
dem noch von allen sekundären Einwirkungen ihm fremder Umstände abgesehn
wurde. Aber dieser unmittelbare Produktionsproceß erschöpft nicht den
Lebenslauf des Kapitals. Er
wird in der wirklichen Welt ergänzt durch den Cirkulationsproceß, und
dieser bildete den Gegenstand der Untersuchungen des zweiten Buchs.
Hier zeigte sich,
namentlich im dritten Abschnitt, bei Betrachtung des
Cirkulationsprocesses als der Vermitt- lung des gesellschaftlichen
Reproduktionsprocesses, daß der kapitalistische Produktionsproceß, im
Ganzen betrachtet, Einheit von Produktions- und Cirkulationsproceß ist.
Worum es sich in diesem dritten Buch han- delt, kann nicht sein, allge-/meine
Reflexionen über diese Einheit anzustellen. Es gilt vielmehr, die
konkreten Formen aufzufinden und darzustellen, welche aus dem
Bewegungsproceß des Kapitals, als Ganzes betrachtet, hervorwachsen.
In ihrer
wirklichen Bewegung treten sich die Kapitale in solchen konkreten Formen
gegenüber, für die die Gestalt des Kapitals im unmittelbaren
Productionsproceß, wie seine Gestalt im Cirkulationsproceß, nur als
besondere Momente erscheinen. Die Gestaltungen des Kapitals, wie wir sie
in
diesem Buch entwickeln, nähern sich also schrittweis der Form, worin
sie auf der Oberfläche der Gesellschaft, in der Aktion der verschiedenen
Kapitale auf einander, der Konkurrenz, und im gewöhnlichen Bewußtsein
der Produktionsagenten selbst auftreten.
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Das Kapital III, MEGA II/15, S. 29f. [MEW 25, S. 33]
Nota. - Große Verwirrung hat nicht nur zu Zeiten der Zweiten Internationale, sondern auch wieder (von der Tragödie zur Farce) in den studentischen PollÖck-Schulungen der siebziger Jahre die Auffassung angerichtet, im 1. Band des Kapital stünde
alles Wesentliche, in den beiden andern Bänden würden nur mehr oder
weniger zufäl- lige Oberflächenerscheinungen beschrieben, die für das
theoretische Verständnis nebensächlich sind. Man meinte, der
individuelle Kapitalist beute die von ihm beschäftigten Arbeiter
individuell aus, einem jeden presse er ein Stück Mehrwert ab, das er als
Profit in die eigene Tasche stecke. Man glaubte, die kapitalistische
Ausbeu- tung sei erfahrbar, man müsse nur "in die Betriebe gehen" und
sie den Arbeitern dort recht anschaulich vor Augen führen.
Im großen
weltmarktlichen Ganzen ist der Profit 'nichts anderes' als der Mehrwert,
aber was der Kapitalist wirklich einsteckt, ist der Profit, den
Mehrwert kriegt weder er noch irgendwer sonst je zu Gesicht. Es 'gibt
ihn' gar nicht so, wie es etwa den Vogel auf dem Zweig gibt. Im theoretischen Modell, nämlich
so, wie es im 1. Band entworfen wird, erscheint er als das, was dem
Profit, der die einzige Realität ist, "in Wahrheit zu Grunde liegt". Der
Mehrwert ist eine Abstraktion so, wie das ganze Modell eine Abstraktion
ist - und "der Wert" schon mal erst recht. Eine Abstraktion nämlich von
der Konkurrenz der vielen Kapitale untereinander, und die ist
keine Oberflächenerscheinung, sondern der Motor der bürgerlichen
Gesellschaft; aber eben Konkurrenz der Kapitale, und deren Begriff musste erst einmal bestimmt werden.
Wer sich vom Konkreten
zum Abstrakten, von der Anschauung zum Begriff durcharbeiten wollte,
müsste sein Studium eigentlich beim 3. Band beginnen, nur würde er
leider nichts verstehen, denn eingeführt werden die Begriffe am
theoretischen Modell und nicht in der Anschauung - die bliebe blind,
wenn die Begriffe ihr nicht die Augen öffneten.
JE, 9. 1, 17
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