Wenngleich es "normal" ist, dass Dächer zweifach geneigt, dass Äxte mit einem Stiel versehen sind, dass der Schwepunkt eines Pfeils auf einem Drittel seiner Länge liegt, so ist es weder "normal" noch "anormal", dass es Häuser, Äxte, Pfeile gibt, sondern "willkürlich". Unstreitig wird dabei jedesmal die Rationalität des Realen ge- nutzt. Aber damit sie in solch brauchbarer Weise hervortreten kann, bedarf sie einer "absoluten Setzung" des Hauses, der Axt und des Pfeils. Sicher, es mag "obligatorische Lösungen" geben, aber zugleich gilt, dass es für den Menschen keine absoluten Probleme gibt.
Damit berühren wir wiederum einen wesentlichen Punkt der technischen Schöpfung: Der Mensch steht nicht einigen ein für allemal festgelegten Problemen gegenüber, zu denen er im Laufe der Zeitalter "obligatorische" oder immer bessere Lösungen liefert; es gibt keinen Fixpunkt der menschlichen "Bedürfnisse". Der tiefe Gra- ben, der die Lebensbedürfnisse der Menschen als einer biologischen Art von den Bedürfnissen der Menschen als geschichtlichen Wesen scheidet, wird von der menschlichen Imagination gezogen, und die Hacke, die sie dazu braucht, ist die Technik.
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Cornelius Castoriadis, Durchs Labyrinth; Seele, Vernunft, Gesellschaft. Frankfurt/M., 1981, S. 204f.
Nota I. - Da ließe sich manches zu sagen; vor allem dies: Mit der 'Rationalität des Realen' hat er dem Objektivis- mus mehr zugestandem, als ihm zukommt. Bei der Bewältigung der Probleme, die sie sich stellen, bedienen sich die Menschen der technischen Mittel, die sich bewährt haben, und das ist eben: die durch unsere Gattungsge- schichte angestammte pp. Vernunft, die sich im Lauf der Jahrhunderttausende in unserer Technik niedergeschla- gen hat: der Ökonomie von Ursachen und Wirkungen. Nicht die Realität ist rational, sondern das Verfahren, durch das wir sie uns aneignen.
25. 11. 16
Nota II. - Ist unsere Technik ein Geschöpf unserer Vernunft oder ist die Vernunft eine Schöpfung der Technik? Nein, das ist nicht die Frage nach Ei und Henne. Historisch mag es zwar so aussehen, aber logisch, genauer ge- sagt: genetisch sollten wir beide unterscheiden. Sobald das Problem bestimmt ist, ist die Suche nach seinen Lö- sungen eine Sache des Verstandes: "rein technisch" und eo ipso theoretisch lösbar. Doch nicht nur: das Problem bestimmen, sondern überhaupt erst: es als solches setzen ist eine Sache der Einbildungskraft, und die ist prak- tisch: 'durch Freiheit möglich'. Theoretische Fragen sind dagegen rein diskursiv - "da ist nicht Freiheit, sondern Mechanismus"
JE
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