Beate Güldner
Die Erzeugung der Bedürfnisse ist der "Grund", das Materiale der reellen Geschichte; der "Grund", das Materia- le, der 'Stoff' der ökonomischen Formbestimmung ist hingegen die Entscheidung darüber, welches Bedürfnis gelten soll: nämlich in der Gesellschaft.
Das ist ein faktisches Ereignis, das der "Formbestimmung" zu Grunde liegt: und der "Grund" kommt als solcher im Prozess der Formbestimmung nicht vor - weil er sie ja eben "begründet"; kommt also in der Darstellung der Formbestimmung ebenfalls nicht vor; Formbestimmung = Kategorien.
Also kann der
"Stoff" des ökonomischen Prozesses in der "dialektischen", nämlich
kategorialen Darstellung gar nicht auftreten: Er liegt außerhalb ihrer
"Grenzen".
Das Erzeugen des Bedürfnisses ist die "reale" Tätigkeit; das Bestimmen, 'was', bzw. 'wieviel' das Befürfnis gelten soll - also nach dem "an-sich"-Setzen des Bedürfnisses sein Bestimmen als ein solches - das ist die reflektierende, die "ideale" Tätigkeit.
Und in dieser "materialistischen" Darstellung liegt es unterm Auge, dass es sich "in Wirklichkeit" nur um ein und dieselbe Tätigleit handelt: Bedürfnis ist "Wert"-Bestimmung, "Wert"-Setzung: 'was' ('wieviel') das 'Ding' mir, näm- lich meinem Zweck,"wert" ist, aber sobald ich in Gesellschaft existiere, 'setze' ich nicht allein: Die "Dinge" sind nun nicht schon "meine"; ich kann sie nur in Gesellschaft aneignen, und meine Zeit ist nicht nur
"meine": Auch sie muss ich mir in der und durh die Gesellschaft erst
aneignen; ich bin nur mittelbar Eigentümer sowohl der 'Dinge' als auch meiner selbst, d. h. meiner Zeit. D. h. ich bin beherrscht - sei es durch Personen, sei es durch den allgemeinen Zusammenhang zwischen den Personen.
14. 9. 87
Nachtrag. - Der
Versuch, die Begriffe des einen philosophischen Systems wörtlich und
unvermittelt in ein anderes philosophisches System zu übersetzen, wird
immer ein wenig belustigen. Aber wie soll man anders anfangen, wenn man
die Vermutung einer logischen Verwandtschaft überprüfen will? Es ist ja
klar, dass auch die größte Passgenauigkeit gegebenenfalls nur sozusagen gilt; aber das wäre die Spur, die weiter zu verfolgen ist.
20. 11. 16
Lothar Sauer
"Geist = Absicht",
heißt es bei Fr. Schlegel; das ganze Mysterium der "materialistischen
Geschichtsauffassung" erhellt auf einen Schlag, wenn wir, dieses Satzes
eingedenkt, generell das 'selbsterzeugte Bedürfnis' - die 'Tat- handlung', "erste geschichtliche Tat" - mit "Absicht" übersetzen.
3. 8. 89
Aber die Menschen
beginnen keineswegs damit, "in diesem theoretischen Verhältnis zu Dingen
der Außenwelt zu ste- hen". Sie fangen, wie jedes Tier, damit an, zu essen, zu trinken etc., also nicht in einem Verhältnis zu "ste- hen", sondern sich aktiv zu verhalten, sich gewisser Dinge der Außenwelt zu bemächtigen durch die Tat, und so ihr / Befürfnis zu befriedigen. (Sie beginnen also mit der Produktion.)
Durch die Wiederholung
dieses Prozesses prägt sich die Eigenschaft dieser Dinge, ihre
"Bedürfnisse zu befrie- digen", ihrem Hirn ein, die Menschen wie Tiere
lernen auch "theoretisch" die äußern Dinge, die zur Befriedi- gung ihrer
Bedürfnisse dienen, vor [sic]
allen andern zu unterscheiden. Auf gewissem Grad der Fortentwicklung,
nachdem unterdes auch ihre Bedürfnisse und die Tätigkeiten, wodurch sie
befriedigt werden, sich vermehrt und weiterentwickelt haben, werden sie
auch bei der ganzen Klasse dieser erfahrungsmäßig von der übrigen
Außen- welt unterschiednen Dinge sprachlich taufen. Dies tritt notwendig
ein, da sie im Produktionsprozess - i. e. An- eignungsprozess dieser Dinge
- fortdauernd in einem werktätigen Umgang unter sich und mit den Dingen
stehen und bald im Kampf mit andern um diese Dinge zu ringen haben.
Aber diese sprachliche
Bezeichnung drückt durchaus nur aus als Vorstellung, was wiederholte
Bestätigung zur Erfahrung gemacht hat, nämlich dass den in einem
gewissen gesellschaftlichen Zusammenhang bereits leben- den Menschen (dies
der Sprache wegen notwendige Vorausssetzung) gewisse äußere Dinge zur
Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen. Die Menschen legen diesen Dingen
nur einen besondern (generic) Namen bei, weil sie bereits wissen, dass
dieselben zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, weil sie ihrer
durch mehr oder minder oft wiederholte Tätigkeit habhaft zu werden und
sie daher auch in ihrem Besitz zu erhalten suchen; sie nennen sie
vielleicht "Gut" oder sonst etwas, was ausdrückt, dass diese Dinge ihnen
nützhlich [sind],
und geben dem Ding diesen Nützlichkeitscharakter als von ihnen
besessen, obgleich es einem Schaf schwerlich als eine seiner
"nützlichen" Eigenschaften vorkäme, dass es vom Menschen essbar ist.
Also: die Menschen
fingen tatsächlich damit an, gewisse Dinge der Außenwelt als
Befriedigungsmittel ihrer eignen Bedürfnisse sich anzueignen etc. etc.;
später kommen sie dazu, sie auch sprachlich als das, was sie in prak- tischer Erfahrung für sie sind, nämlich als Befriedigungsmittel ihrer Bedürfnisse
zu bezeichnen, als Dinge, die sie "be- friedigen". Nennt man nun diesen
Umstand, dass die Menschen solche Dinge nicht nur praktisch als
Befriedi- gungsmittel ihrer Bedürfnisse behandeln, sondern sie auch in
ihrer Vorstellung und, weiter, sprachlich, als ihre Bedürfnisse, als sie
selbst "befriedigende" Dinge bezeichnen (solange das Bedürfnis des
Menschen nicht befrie- digt ist, ist er im Unfrieden mit seinem
Bedürfnis, also mit sich selbst), nennt man dies, "nach dem deutchen
Sprachgebrauch", ihnen einen "Wert" beilegen.
So hat man bewiesen,
dass der allgemeine Begriff "Wert" entspringt aus dem Verhalten des
Menschen zu den in ihrer Außenwelt vor-/gefundenen
Dingen, welche ihre Bedüfnisse befriedigen, und mithin, dass dies der
Gattungsbegriff von "Wert" ist und alle andern Wertsorten, wie z. B.
der chemische Wert der Elementenur eine Abart davon.
Es ist "das natürliche Bestreben" eines deutschen Ökonomieprofessors, die ökonomische Kategorie "Wert" aus einem "Begriff" abzuleiten,
und das erreicht er dadurch, dass, was in der politischen Ökonomie
vulgo "Ge- brauchswert" heißt, "nach deutschen Sprachgebrauch" in "Wert" schlechthin umgetauft wird. ...
_______________________________________________________________________
K. Marx, Randglosssen zu A. Wagners 'Lehrbuch der politiwchen Ökonomie', in MEW 19, S. 362ff.
Vorstellen ist das Schema des Handelns - Urbild, Grundform, Modell.
Wirkliche sinnliche praktische Tätigkeit kenne der Idealismus nicht, meinte Marx -
wenn auch die tätige Seite des Menschen im Idealismus stärker
entwickelt sei als bei den Materialisten, bei denen der Mensch nur als Lei- dender vorkommt.
Unter Idealismus verstand er das dogmatische Hegel'sche System, die
Wissenschaftslehre kannte er nicht.* Auf die Wissenschaftslehre trifft
sein Verdikt nicht zu.
Er
will sagen, der Idealismus löse alle wirklich Arbeit letzten Endes in
bloßes Denken auf. Das tut Fichte nicht, in der Wissenschaftslehre hebt das Bewusstsein im Gegenteil bei der Sinnlichkeit an: Zuerst ist Gefühl, und darunter versteht er keinen Gemütszustand, sondern ganz prosaisch und wie John Locke die Meldungen der Sinneszellen.
Er will ja nicht die Welt aus dem Bewusstsein erklären, sondern umgekehrt das Bewusstsein aus der Welt. Unter Welt versteht er allerdings nicht einen Haufen toter Gegenstände, sondern den Raum menschlicher Tätigkeit, und die ist sinnlich, bevor** sie Vorstellung werden kann.
Wenn
man indes alle kontingenten empirischen Bestimmungen abzieht, bleibt
von der sinnlichen praktischen Tätigkeit allein das Vorstellen übrig.
So sah es auch Marx.
"Eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumei- ster. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister
vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf
gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses
kommt ein Resul- tat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war."***
Es
ist das Vorstellen, das menschliche Arbeit von den Tätigkeiten der
Tiere unterscheidet. Zur bloßen Ver- ausgabung rein physischer Energie,
zur Äußerung von Arbeitskraft, haben erst das Kapital und die
Große Industrie die Arbeit entfremdet. Da muss man nicht lang mit
dialektischem Hintersinn im 'Herr und Knecht'-Kapitel der Phänomenologie suchen; in der Wissenschaftslehre liegt alles klar zutage.
*) Das lässt sich nachweisen.
**) Dazwischen tritt die Reflexion = Scheidung der Einbildungskraft in einen realen und einen idealen Teil.
***) K. Marx, Das Kapital. Band 1, MEW 23, S. 193
20. 7. 15
Soweit die reine Form,
die ökonomische Seite des Verhältnisses
betrachtet wird – der Inhalt ausserhalb dieser Form fällt hier
eigentlich noch
ganz ausserhalb der Oekonomie, oder ist als von dem ökonomischen
unter-schiedner natürlicher Inhalt gesezt, von dem gesagt werden kann,
daß er noch
ganz von dem ökonomischen Verhältniß getrennt ist, weil er noch
unmittelbar mit ihm zusammenfällt – so treten nur 3 Momente hervor, die
formell unterschieden sind: Die Subjekte des Verhältnisses, die
Austauschenden; in derselben Bestimmung gesezt; die Gegenstände ihres
Austauschs, Tauschwerthe, Equivalente, die nicht nur gleich sind,
sondern aus-drücklich gleich sein sollen und als gleich gesezt sind;
endlich der
Akt des Austauschs selbst, die Vermittlung, wodurch die Subjekte eben
als
Austauschende, Gleiche, und ihre Objekte als Equivalente, gleiche gesezt
wer-den.
Die Equivalente sind die Vergegenständlichung des einen Subjekts
für andre; d. h. sie selbst sind gleich viel werth und bewähren sich im Akt
des Austauschs als Gleichgeltende und zugleich als Gleichgültige gegen /
einander. Die Subjekte sind im Austausch nur für einander durch
die
Equivalente, als gleichgeltende und be-währen sich als solche durch den
Wechsel der Gegenständlichkeit, worin das eine für andre ist. Da sie nur
so
als Gleichgeltende, als Besitzer von Equivalenten, und Bewährer dieser
Equivalenz im Austausche für einander sind, sind sie als Gleichgeltende
zugleich Gleichgültige gegen einander; ihr sonstiger individueller
Unterschied geht sie nichts an; sie sind gleichgültig gegen alle ihre
sonstigen
individuellen Eigenheiten.
Was nun den Inhalt
angeht ausserhalb dem Akt
des Austauschs, der sowohl Setzen als Bewähren der Tausch-werthe, wie
der
Subjekte als Austauschender ist, so kann dieser Inhalt der ausserhalb
der
ökonomischen Form-bestimmung fällt, nur sein: 1) Die natürliche
Besonderheit der Waare, die ausgetauscht wird. 2) Das besondre
natürliche
Bedürfniß der Austauschenden, oder beides zusammengefaßt, der
verschiedene Gebrauchswerth der auszutauschenden Waaren.
Dieser der Inhalt
des Austauschs, der ganz ausserhalb seiner ökonomischen Bestimmung
liegt,
so weit entfernt die sociale Gleichheit der Individuen zu gefährden,
macht
vielmehr ihre natürliche Verschiedenheit zum Grund ihrer socialen
Gleichheit. Wenn das Individuum A dasselbe Bedürfniß hätte wie das
Individuum
B und in dem-selben Gegenstand seine Arbeit realisirt hätte, wie das
Individuum B, so wäre gar keine Beziehung zwischen ihnen vorhanden; sie
wären gar nicht verschiedne Individuen, nach der Seite ihrer Production
hin
betrachtet.
Beide haben das Bedürfniß zu athmen; für beide existirt die Luft
als Atmosphäre; dieß bringt sie in keinen socialen Contact; als athmende
Individuen stehn sie nur als Naturkörper zu einander in Beziehung, nicht als
Personen. Die Verschiedenheit ihres Bedürfnisses und ihrer Production giebt
nur den Anlaß zum Austausch und zu ihrer socialen Gleichsetzung in ihm;
diese natürliche Verschiedenheit ist daher die Voraussetzung ihrer socialen
Gleichheit im Akt des Austauschs und dieser Beziehung überhaupt, worin
sie zu einander als produc-tiv treten.
Nach dieser natürlichen
Verschiedenheit
betrachtet ist das Individuum [A] als Besitzer eines Gebrauchswerths für
B,
und B als Besitzer eines Gebrauchswerths für A. Nach dieser Seite sezt
die
natürliche Verschiedenheit sie wieder wechselseitig in das Verhältniß
der
Gleichheit. Demnach sind sie aber nicht gleichgültig gegen einander,
sondern
integriren sich, bedürfen einander, so daß das Individuum B als
objectivirt
in der Waare ein Bedürfniß für das Individuum A ist und vice versa; so
daß
sie nicht nur in gleicher, sondern auch in gesellschaftlicher Be-ziehung
zu
einander stehn. Dieß ist nicht alles. Daß das Bedürfniß des einen durch
das
Product des andren und vice versa befriedigt werden kann, und der eine
fähig
ist den Gegenstand dem Bedürfniß des andren zu produ-ciren und jeder dem
andren als Eigenthümer des Objekts des Bedürfnisses des andren
gegenübersteht, zeigt, daß jeder als Mensch über sein eignes besondres
Bedürfniß /
etc übergreift, und daß sie sich als Menschen zu einander verhalten; daß ihr
gemeinschaftliches Gattungswesen von allen gewußt ist.
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 165ff. [MEW 42, S. 167f.]
Nota. -
Allah hat seinem Propheten die Verse des Korans durch den Erzengel
Gabriel direkt auf die Zunge legen lassen. Marx war kein Prophet,
sondern Wissenschaftler, in den Grundrissen sehen wir zu, wie er progres-siv seine Gedanken klärt und um die darauf passenden Wörter ringt. Er 'kokettiert'
dabei nicht nur mit Hegels 'eigentümlicher Ausdrucksweise', sondern
bedient sich einstweilen seiner Begriffe, um seine Gedanken über-haupt
auf dem Papier festhalten zu können.
Der Inhalt falle 'noch
ganz außerhalb der Ökonomie', heißt es hier; deren Gegenstand sei
lediglich die Form. Natürlich meint er die Politische Ökonomie,
in der er noch ganz befangen ist, noch weiß er nicht, was am Ende seiner
Untersuchung stehen wird: Eben dies war ja die Mystifikation der Politischen Ökonomie, dass sie vorgab, das reale Geschehen der gesellschaftlichen Reproduktion als bloße Form darstellen und den historischen 'Stoff' links liegen lassen zu können. Diese Erkenntnis reift erst langsam ab Heft IV der Grundrisse, und schließlich wird Marx die Kritik der Politischen Ökonomie in dem Satz zusammenfassen, dass bei ihm der Gebrauchswert 'eine ganz anders wichtige Rolle spielt als in der bisherigen Ökonomie'.
Und auch der
Hegeljargon wird übrigens ab Heft IV immer seltener, jedenfalls braucht
er ihn nicht mehr zur Selbstverständigung. Dies hatte die Politische
Ökonomie nämlich mit dem Hegel'schen System gemein: dass sie den Begriffen, die
doch nichts als mehr oder weniger passende Namen für mehr oder minder
bestimmte Vorstel-lungsakte sind, eine eigene Wirklichkeit und Wirksamkeit zuschreibt. In den Grundrissen
erleben wir mit, wie Marx sich nach und nach von diesem metaphysischen
Sparren freimacht. Das fängt damit an, dass er, wie an obiger Stelle,
die Hegel'schen Begriffe kritisch, nämlich gegen die Begriffe der Politischen Ökonomie ausspielt. Sie gehen schließlich beide daran zu Bruch.
JE, 29. 2. 16
Wenngleich es "normal"
ist, dass Dächer zweifach geneigt, dass Äxte mit einem Stiel versehen
sind, dass der Schwepunkt eines Pfeils auf einem Drittel seiner Länge
liegt, so ist es weder "normal" noch "anormal", dass es Häuser, Äxte,
Pfeile gibt, sondern "willkürlich". Unstreitig wird dabei jedesmal die
Rationalität des Realen ge- nutzt. Aber damit sie in solch brauchbarer
Weise hervortreten kann, bedarf sie einer "absoluten Setzung" des
Hauses, der Axt und des Pfeils. Sicher, es mag "obligatorische Lösungen"
geben, aber zugleich gilt, dass es für den Menschen keine absoluten
Probleme gibt.
Damit berühren wir
wiederum einen wesentlichen Punkt der technischen Schöpfung: Der Mensch
steht nicht einigen ein für allemal festgelegten Problemen gegenüber, zu
denen er im Laufe der Zeitalter "obligatorische" oder immer bessere
Lösungen liefert; es gibt keinen Fixpunkt der menschlichen
"Bedürfnisse". Der tiefe Gra- ben, der die Lebensbedürfnisse der
Menschen als einer biologischen Art von den Bedürfnissen der Menschen
als geschichtlichen Wesen scheidet, wird von der menschlichen
Imagination gezogen, und die Hacke, die sie dazu braucht, ist die
Technik.
________________________________________________________________________
Cornelius Castoriadis, Durchs Labyrinth; Seele, Vernunft, Gesellschaft. Frankfurt/M., 1981, S. 204f.
Nota I. -
Da ließe sich manches zu sagen; vor allem dies: Mit der 'Rationalität
des Realen' hat er dem Objektivis- mus mehr zugestandem, als ihm
zukommt. Bei der Bewältigung der Probleme, die sie sich stellen,
bedienen sich die Menschen der technischen Mittel, die sich bewährt
haben, und das ist eben: die durch unsere Gattungsge- schichte
angestammte pp. Vernunft, die sich im Lauf der Jahrhunderttausende in unserer Technik
niedergeschla- gen hat: der Ökonomie von Ursachen und Wirkungen. Nicht
die Realität ist rational, sondern das Verfahren, durch das wir sie uns
aneignen.
25. 11. 16
Nota II. - Ist unsere Technik ein Geschöpf unserer Vernunft oder ist die Vernunft eine Schöpfung der Technik? Nein, das ist nicht die Frage nach Ei und Henne. Historisch mag es zwar so aussehen, aber logisch, genauer ge- sagt: genetisch sollten wir beide unterscheiden. Sobald das Problem bestimmt ist, ist die Suche nach seinen Lö- sungen eine Sache des Verstandes: "rein technisch" und eo ipso theoretisch lösbar. Doch nicht nur: das Problem bestimmen, sondern überhaupt erst: es als solches setzen ist eine Sache der Einbildungskraft, und die ist prak- tisch: 'durch Freiheit möglich'. Theoretische Fragen sind dagegen rein diskursiv - "da ist nicht Freiheit, sondern Mechanismus"
JE
Wenn in der Theorie der Begriff des Werths dem des Capitals vorhergeht,
andrerseits aber zu seiner reinen Entwicklung wieder eine auf das Capital
gegründete Productionsweise unterstellt, so findet dasselbe in der Praxis
statt. Die Oekonomen betrachten daher das Kapital auch nothwendig bald
als Schöpfer der Werthe, Quelle derselben, wie andrerseits sie Werthe für
die Bildung des Capitals voraussetzen und es selbst nur als eine Summe von
Werthen in einer bestimmten Function darstellen.
Die Existenz des Werths
in seiner Reinheit und Allgemeinheit sezt eine Productionsweise voraus,
worin das einzelne Product aufgehört hat, ein solches für den
Producenten
überhaupt und noch mehr für den einzelnen Arbeiter zu sein und ohne die
Realisirung durch die Circulation nichts ist. Es ist keine formelle
Bestimmung für den, der einen Infinitesimaltheil einer Elle Cattun
schafft, daß sie
Werth ist, Tauschwerth. Wenn er nicht einen Tauschwerth, Geld
geschaffen,
hätte er überhaupt nichts geschaffen.
Diese Werthbestimmung selbst hat also
zu ihrer Voraussetzung eine gegebne historische Stufe der gesellschaft- lichen
Productionsweise und ist selbst ein mit derselben gegebnes, also historisches
Verhältniß.
_____________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 174 [MEW 42, S. 177]
Nota I. -
Langsam kommen wir dem Mysterium auf die Spur: "Die Ökonomen" müssen
überall, wo sie das Ka- pital erklären wollen, den Wert, und wo sie den
Wert erklären wollen, überall das Kapital schon voraussetzen. Das, was logisch wie ein sinnleerer Zirkel aussieht, erhellt schlagartig der Blick in die Geschichte: "Diese
Wertbe- stimmung selbst hat also zu ihrer Voraussetzung eine gegebne
historische Stufe der gesellschaftlichen Produkti- onsweise und ist
selbst ein mit derselben gegebnes, also historisches Verhältnis." s. o.
23. 8. 15
Nota II. - Der Grund eines Systems liegt außerhalb seiner; sonst könnte er es nicht begründen. Im System verweist Eines auf das Andere. Es hat nicht nur kein Ende, sondern auch keinen Anfang. Das logische System begründet sich selbst, aber nichts außer ihm. Das System der politischen Ökonomie soll ein reales System sein. Es soll so- wohl etwas begründen als auch auf etwas gründen. Auf Äquivalententausch und dem Wertgesetz soll es gründen, doch beide setzen sich selbst voraus.
Es werden noch ein paar hundert Seiten der Grundrisse nötig sein, bis Marx den realen, historischen Grund des Wertgesetzes in der sogenannten ursprünglichen Akkumulation entdeckt.
JE
W. Mattheuer, Verstrickt
Die wechselseitige und allseitige
Abhängigkeit der gegen einander gleichgültigen Individuen bildet ihren
gesellschaftlichen Zusammenhang. Dieser
gesellschaftliche Zusammenhang ist ausgedrückt im Tauschwerth, worin für
jedes Individuum seine eigne Thätigkeit oder sein Product erst eine
Thätigkeit und ein Product für es wird; es muß ein allgemeines Product
produciren – den Tauschwerth oder, diesen für sich isolirt, individualisirt,
Geld. Andrerseits die Macht, die jedes Individuum über die Thätigkeit der
andren oder über die gesellschaftli-chen Reichthümer ausübt, besteht in ihm
als dem Eigner von Tauschwerthen, von Geld. Es trägt seine gesell-schaftliche Macht, wie seinen Zusammenhang mit der Gesellschaft, in
der Tasche mit sich.
Die Thätigkeit, welches immer ihre individuelle Erscheinungsform, und das Product der Thätigkeit, welches immer seine
besondre Beschaffenheit, ist der Tauschwerth, d. h. ein Allgemeines, worin
alle Individualität, Eigenheit negirt und ausgelöscht ist. Dieses ist in der That
ein Zustand sehr verschieden von dem, worin das Individuum oder das in
Familie und Stamm (später Gemeinwesen) naturwüchsig oder historisch
erweiterte Individuum direkt aus der Natur sich reproducirt oder seine
productive Thätigkeit und sein Antheil an der Production an eine bestimmte
Form der Arbeit und des Products angewiesen ist und sein Verhältniß zu
andren eben so bestimmt ist.
Der gesellschaftliche Charakter der Thätigkeit, wie die gesellschaftliche
Form des Products, wie der Antheil des Individuums an der Production
erscheint hier als den Individuen gegenüber Fremdes, Sachliches; nicht als
das Verhalten ihrer gegen einander, sondern als ihr Unterordnen unter
Verhältnisse, die unabhängig von ihnen bestehn und aus dem Anstoß der
gleichgültigen Individuen auf einander entstehn. Der allgemeine Austausch
der Thätigkeiten und Producte, der Lebensbedingung für jedes einzelne
Individuum geworden, ihr wechselsei-tiger Zusammenhang, erscheint ihnen
selbst fremd, unabhängig, als eine Sache.
Im Tauschwerth ist die
gesellschaftliche Beziehung der Personen in ein gesellschaftliches
Verhalten der Sachen verwandelt; das persönliche Vermögen in ein
sachliches.
Je weniger gesellschaftliche Kraft das Tauschmittel besizt, je
zusammenhängender es noch mit der Natur des unmittelbaren
Arbeitsproducts und den
unmittelba-ren Bedürfnissen der Austauschenden ist, um so grösser muß
noch die Kraft des Gemeinwesens sein, das die Individuen zusammenbindet,
patriarchalisches Verhältniß, antikes Gemeinwesen, Feudalismus und
Zunftwe-sen.
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1 S. 90 [MEW 42, S. 90f.]
Nota. - Im 'Verhältnis' ist substantivisch vorgestellt, was in der Wirklichkeit zeitwörtlich erscheint: Zwei verhalten sich zu einander. Das ist etwas, was sie tun und nicht selber sind. Wenn es heißt, zwei Dinge stünden zu einan- der im Verhältnis, ist das nur ein unsauberer Ausdruck dafür, dass der Redende sich insgeheim vorstellt, dass er sie gegeneinader bewegt habe. Die Kritik der Politischen Ökonomie besteht darin, das sie überall dort, wo die Politische Ökonomie in Begriffen dargestelle Dinge vorführt, die dahinter tätigen Subjekte kenntlich macht. "Der Begriff ist überall nichts anderes, als die Thätigkeit des Anschauens selbst, nur nicht als Agilität, sondern als Ru- he und Bestimmtheit aufgefasst."
JE
Gleichzeitig mit dem
Fall der Profitrate wächst die Masse des Kapitals und geht Hand in Hand
mit mit ihr eine Entwertung des vorhandnen Kapitals, welche diesen Fall
aufhält und der Akkumulation von Kapitalwert einen beschleunigenden
Antrieb gibt.
Gleichzeitig mit der
Entwicklung der Produktivkraft entwickelt sich die höhere
Zusammensetzung des Kapi-tals, die relative Abnahme des variablen Teils
gegen den konstanten.
Diese verschiednen
Einflüsse machen sich bad nebeneinander im Raum, bald mehr nacheinander
in der Zeit geltend; periodisch macht sich der Konflikt der
widerstreitenden Agentien in Krisen Luft. Die Krisen sind immer nur
gewaltsame Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen,
die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen.
Der Widerspruch, ganz
allgemein ausgedrückt, besteht darin, dass die kapitalistische
Produktionsweise die Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der
Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem in ihm eingeschlossenen
Mehrwert, auch abgesehn von den gesellschaftlichen Verhältnissen,
innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie
andererseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und sein
Verwertung im höchsten Maß (d. h. beschleunigten Anwachs dieses Werts)
zum Ziel hat. Ihr spezi-fischer Charakter ist auf den vorhandnen
Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts
gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein:
Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandnen Kapitals und
Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon
produzierte Pro-duktivkräfte.
Die periodische
Entwertung des vorhandnen Kapitals, die ein der kapitalistischen
Produktionsweise immanen-tes Mittel ist, den Fall der Profitrate /
aufzuhalten und die Akkumulation von Kapitalwert durch Bildung von
Neuwert zu beschleunigen, stört die gegebnen Verhältnisse, worin sich
der Zirkulationsprozess des Kapitals vollzieht, und ist daher begleitet
von plötzlichen Stockungen und Krisen des Produktionsprozesses.
____________________________________________
Das Kapital III, MEW 25, S. 259f. [ MEGA II.15, S. 245f.]
Nota. – Die theoretische Bedeutung obiger Passage für die elementare Stellung des Falls der Profitrate in der Theorie des Kapitals ist offenkundig. –
Aber sie hat eine meta-theoretische Seite: Der buchstäblich Grund-legende Denkfehler der rationalistischen metaphysischen Systeme war die Identifizierung von logischem Grund mit realer Ursache (von Sein und Gel-tung).
Die Vermengung von (logischem) Widerspruch und (realem) Gegensatz ist
nur ihre Umkehrung. Und in dieser Gestalt taucht sie unverhofft bei Marx
wieder auf: Es ist ein Überrest seines 'Kokettierens mit der Hegel' schen Ausdrucksweise', in dem sich allerdings eine andauernde Unsicherheit über die sog. dialektischen Methode verbirgt, die Marx immer wieder dazu verleitet, die logische Darstellung mit der reellen Beschreibung zu ver-mengen.
Dass
der Produktionsprozess und der Zirkulationsprozess nicht in derselben
Geschwindigkeit und auch nicht am selben 'Platz' geschehen und ihre
Synchronisierung periodisch durch Selbstvernichtung eines Teils des
Kapitals wiederhergestellt werden muss, ist ein Realvorgang. Dass das
unbegrenzte Wachstum der Produktion und ihre gleichzeitige Begrenzung
durch die Verwertungsmöglichkeit im Begriff des Kapitals beieinander
liegen, ist dagegen ein logischer Widerspruch. Es ist aber nicht die
Logik, die den Prozesse antreibt – sie beschreibt ihn lediglich. Und
dass etwas im Begriff widersprüchlich ist, bedeutet noch nicht, dass es
in der Realität auf seine Auflösung hindrängt.
Das hat
Marx auch nicht sagen wollen? Nein, sicher nicht. Aber er hat sich so
ausgedrückt, dass epigonale Buchstabengelehrte es (in behördlichem
Auftrag) so darstellen konnten.
JE
10. 12. 15
Die Arbeitszeit selbst
existirt als solche nur subjektiv, nur in der Form
der Thätigkeit. Insofern sie als solche austauschbar (selbst Waare) ist,
ist sie
nicht nur quantitativ, sondern qualitativ bestimmt und verschieden,
keineswegs allgemeine, sich gleiche Arbeitszeit; sondern entspricht als
Subjekt
ebensowenig der die Tausch- werthe bestimmenden allgemeinen Arbeitszeit,
wie die besondren Waaren und Producte ihr als Objekt ent- sprechen.
Der Satz von A. Smith,
daß der Arbeiter neben seiner besondren Waare
eine allgemeine Waare produciren muß, in andren Worten daß er einem
Theil
seiner Producte die Form des Geldes geben muß, überhaupt seiner Waa- re,
soweit sie nicht als Gebrauchswerth für ihn, sondern als Tauschwerth
dienen
soll – heißt subjektiv ausge- drückt, weiter nichts, als daß seine
besondre
Arbeitszeit nicht unmittelbar gegen jede andre besondre Arbeits- zeit
ausgetauscht werden kann, sondern daß diese ihre allgemeine
Austauschbarkeit
erst vermittelt werden, daß sie eine gegenständliche von ihr selbst
verschiedne Form annehmen muß, um diese allgemeine Austauschbar- keit zu
erlangen.
___________________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 102 [MEW 42, S. 103]
Nota. - Alfred Sohn-Rethel* hat damals bei den hegelisierenden Marx-Adepten des 68er-Aufgebots ein wenig Furore gemacht, indem er für den Wert den
Ausdruck "Realabstraktion" kreiiert hat. Wäre er aber der Sache auf den
Grund gegangen, dann hätte er für Markt, Konkurrenz und
verallgemeinerten Austausch die Vokabel Real- vermittlung finden müssen - was wenig originell ist und kaum Furore macht.
JE
*) in Geistige und körperliche Arbeit. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970.
Wir
finden bei den Alten nie eine Untersuchung, welche Form des
Grundeigenthums etc die productivste, den größten Reichthum schafft?
Der Reichthum erscheint nicht als Zweck der Production, obgleich
sehr wohl Cato untersuchen kann, welche Bestellung des Feldes die
einträglichste, oder gar Brutus sein Geld zu den besten Zinsen ausborgen
kann. Die Untersuchung ist immer, welche Weise des Eigenthums die
besten Staatsbürger schafft. Als Selbstzweck erscheint der Reichthum
nur bei den wenigen Handelsvölkern – Monopolisten des carrying trade –,
die in den Poren der alten Welt leben, wie die Juden in der
mittelaltrigen
Gesellschaft.
Nun
ist der Reichthum einerseits Sache, verwirklicht in Sachen, materiellen
Producten, denen der Mensch als Subject gegenübersteht; andrerseits als
Werth ist er bloses Commando über fremde Arbeit nicht zum
Zweck der Herrschaft, sondern des Privatgenusses etc. In allen Formen
erscheint er in dinglicher Gestalt, sei es Sache, sei es Verhältniß
vermittelst
der Sache, die ausser und zufällig neben dem Individuum liegt. So
erscheint
die alte Anschauung, wo der Mensch, in welcher bornirten nationalen,
religiösen, politischen Bestimmung auch immer als Zweck der Production
erscheint, sehr erhaben zu sein gegen die moderne Welt, wo die
Production
als Zweck des Menschen und der Reichthum als Zweck der Production
erscheint.
In fact aber, wenn die bornirte bürgerliche Form abgestreift wird,
was ist der Reichthum anders, als die im universellen Austausch erzeugte
Universalität der Bedürfnisse,
Fähigkeiten, Genüsse, Productivkräfte etc der
Individuen? Die volle Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die
Naturkräfte, die der s. g. Natur sowohl, wie seiner eignen Natur? Das
absolute Herausarbeiten seiner schöpferischen Anlagen, ohne andre
Voraussetzung als die vorhergegangne historische Entwicklung, die diese
Totalität der Entwicklung, d. h. der Entwicklung aller menschlichen
Kräfte als
solcher, nicht gemessen an einem vorhergegebnen Maaßstab, zum Selbstzweck macht? wo er sich nicht reproducirt in einer Bestimmtheit, sondern
seine Totalität producirt? Nicht irgend etwas Gewordnes zu bleiben sucht,
sondern in der absoluten Bewegung des Werdens ist?
In der bürgerlichen
Oekonomie – und der Productionsepoche der sie entspricht – erscheint diese
völlige Herausarbeitung des menschlichen Innern als völlige Entleerung;
diese universelle Vergegenständlichung als totale Entfremdung, und die
Niederreissung aller bestimmten einseitigen Zwecke als Aufopferung des
Selbst- zwecks unter einen ganz äusseren Zweck. Daher erscheint einerseits
die kindische alte Welt als das Höhere. Andrerseits ist sie es in alle dem, wo
geschloßne Gestalt, Form, und gegebne Begrenzung gesucht wird. Sie ist
Befriedigung auf einem bornirten Standpunkt; während das Moderne unbefriedigt läßt, oder wo es in sich befriedigt erscheint, gemein ist.
___________________________________________
Grundrisse, MEGA II/1.2 S. 391f. [MEW 42, S. 395]
Nota. - Arbeit ist nicht Praxis, sondern Poiesis: Die Gleichsetzung der Waren setzt einander gleich die unter- schiedlichen besonderen Arbeiten: Arbeit-überhaupt. In der Gleichsetzung aller Arbeiten werden einander gleichgesetzt die Bedürfnisse, die zu befriedigen sie bestimmt sind. Bedürfnis-überhaupt setzt Reichtum-überhaupt. Reichtum-überhaupt setzt schöpferisches Vermögen überhaupt.
Das sind nicht logische Gleichsetzungen, sondern historisch-reelle: nicht begrifflich-statisch, sondern dyna- misch-prozessierend. Wer prozediert? Die handelnden Subjekte. Realvermittlung. Realreduktion. Realabstrak- tion.
JE
Das Geld als Capital ist eine Bestimmung des Geldes, die über seine einfache
Bestimmung als Geld hinausgeht. Es kann als höhere Realisation betrachtet
werden; wie gesagt werden kann, daß der Affe sich im Menschen entwickelt.
Indeß ist dann die niedre Form als das Uebergreifende Subjekt über die
Höhere gesezt.
Jedenfalls ist Geld als Capital von Geld als Geld unterschieden. Die neue Bestimmung ist zu entwickeln. Andrerseits das Capital
als Geld scheint der Rückgang des Capitals in eine niedre Form. Es ist aber
nur das Setzen desselben in einer Besonderheit, die als Nicht-Capital schon
vor ihm existirt, und eine seiner Voraussetzungen ausmacht.
Das Geld
kommt in allen spätern Verhältnissen wieder vor; aber dann fungirt es eben /
nicht mehr als bloses Geld. Wenn, wie hier, es zunächst darum zu thun ist,
es bis zu seiner Totalität als Geldmarkt zu verfolgen, so wird die übrige
Entwicklung vorausgesezt und muß gelegentlich hereingenommen werden.
So hier die allgemeine Bestimmung des Capitals, eh wir zu seiner Besonderheit als Geld fortgehn.
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Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 173f. [MEW 42, S. 176]
Nota I. - Wenn ich das Kapital als eine "höhere Verwirklichung" des Geldes auffasse, dann wird das Geld als das übergreifende Subjekt über
das Kapital gesetzt: Die niedere Form bestimmt die höhere. - So wäre es
bei einer rein logischen Betrachtung, die man endlos bereichern könnte
durch Umschlagen, Wechselbestimmung, Wider- spruch usw.. Aber wozu? Es
erlaubt keine sachlich neue Einsicht. Denn in der ökonomischen
Wirklichkeit fun- giert das Geld hier nicht mehr als Geld, sondern als Kapital. Wozu könnten dialektische Elukubrationen über Wesen und Erscheinung da dienen? Eine Sache ist das, als was sie wirkt; jeweils. In der Wirklichkeit erscheinen keine Wesen, sondern lediglich Funktionen.
Wir befinden uns hier noch in Heft
II des Ms., in dem Abschnitt 'Verwandlung von Geld in Kapital'. Die ent-
scheidende methodische Wendung steht Marx noch bevor.
31. 8. 15
Nota II. - Mit andern Worten: Noch immer versucht M. hier, den 'Begriff' des Kapitals aus dem Begriff des Geldes abzuleiten bzw. was dasselbe ist, den Begriff des Mehrwerts aus dem Begriff des Werts. Es wird dieser Teil gewesen sein, bei dem ihm Hegels Logik die vermeintlich so guten Dienste geleitet hat.* Tatsächlich aber dreht er sich unablässig im Kreis, und erst als ihm die Realgeschichte die Augen über die "sogenannte ur- sprüngliche Akkumulation" geöffnet hat, platzt der Knoten.
*) M. an Engels, 16. 1. 1858, MEW 29, S. 259f.
JE
roellbach
Damit eine Waare zu ihrem Marktwerth verkauft wird, d. h. im Verhältniß zu der in ihr enthaltnen gesellschaft-lich nothwendigen Arbeit,
muß das Gesammtquantum gesellschaftlicher Arbeit, welches auf die
Gesammtmas-se dieser Waarenart verwandt wird, dem Quantum des
gesellschaftlichen Bedürfnisses für sie entsprechen, d. h. des
zahlungsfähigen gesellschaftlichen Bedürfnisses. Die Konkurrenz, die Schwankungen
der Marktpreise, die den Schwankungen des Verhältnisses von Nachfrage
und Zufuhr entsprechen, suchen beständig das Gesammt-quantum der
auf jede Waarenart verwandten Arbeit auf dieses Maß zu reduciren. ...
Producirt ferner einer
wohlfeiler und
kann er mehr losschlagen, sich größren Raums vom Markt bemächtigen,
indem er unter dem laufenden Marktpreis oder Marktwerth verkauft, so
thut er es, und so beginnt die Aktion, die nach und nach die andren
zwingt, die wohlfeilere Produktionsart einzuführen, und die die
gesellschaftlich nothwendige Arbeit auf ein neues geringres Maß
reducirt. Hat
eine Seite die Oberhand, so gewinnt jeder, der ihr angehört; es ist als
hätten sie ein gemeinschaftliches Monopol geltend zu machen.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 192, 194 [MEW 25, S. 202, 204]
Nota. - Der springende Punkt ist, dass ein Bedürfnis als gesellschaftlich notwendig anerkannt werden muss. Und zwar nicht an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, sondern da, wo sich idealiter alle Gesellschaftsmitglie- der jederzeit wirklich begegnen - beim verallgemeinerten Austausch auf dem Markt. Da wird Ware gegen Geld ge- tauscht - der Gegenstand des besonderen Bedürfnisses gegen den Gegenstand des 'Bedürfnisses-schlechthin'. Wer kein Geld hat, kann weder ein besonderes noch ein schlechthinniges Bedürfnis geltend machen - als Austau- schender zählt er nicht. Es zählt Kommando über fremde Arbeitskraft. Die ist der Stoff gesellschaftlicher Geltung; in der bürgerlichen Gesellschaft, versteht sich.
JE
Arbeit ist nicht Tätigkeit "überhaupt", nicht 'Produktion' "überhaupt", sondern zweck mäßige Tätigkeit - im Begriff des Zwecks liegt eben schon ihre objektivierende Dimension - nicht umgekehrt.
24. 9. 85
Eine Spinne
verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene
beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen
Baumeister. Was aber von vorn herein den schlechtesten Baumeister vor
der besten
Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat,
bevor er
sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat
heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstel- lung des
Arbeiters,
also schon ideell vorhanden war.
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Das Kapital I, MEGA II/5, S. 129f.
Nota. - Arbeit im strengen Sinn gehört einer bestimmten Stufe der Zivilisation an - nämlich der Arbeitsgesellschaft.
Die Tauben sind dem Menschen nie gebraten in den Mund geflogen, ein paar Finger musste er schon krüm- men. Wir nennen das jagen und sammeln. Ein Zweck war also schon da - Pflanzen und Tiere. Das Problem liegt in der Zweckmäßigkeit der Tätigkeit. Eine gewisse Systematik, einen Überblick, eine Erfahrung braucht man auch fürs Jagen und Sammeln, sonst erbeutete man nur zufällig etwas. Doch so systematisch man herangeht: Der Zufall spielt immer eine Rolle. Es wird oft genug so sein, dass die Jäger mit leeren Händen nach Hause kommen; um so nötiger, dass fleißig und ausdauernd pflanzliche Kost gesammelt wurde.
Aus dem Sammeln entsteht der Ackerbau. Erst saisonal bei den Nomaden, dann werden die ersten Menschen- gruppen sesshaft: bei den Äckern. Der Ackerbau erlaubt, die Rolle des Zufalls zurückzudrängen, man kann den 'Zweck' nicht bloß festsetzen, man kann ihn weitgehend selbst erzeugen. Das Wetter kann man noch immer nicht beeinflussen, doch man kann sich auf dieses oder jenes vorbereiten; zum Beispiel Vorräte anlegen fürs nächset Jahr. Allgemein gesprochen: Man kann Zweck und Tätigkeit aufeinander abstellen. Das ist eine 'poietische' Leistung.
Velázquez, Triumph des Bacchus
Die Arbeit ist keine Naturbestimmung des Menschen, sondern ein historische; ist eine Selbst bestimmung - voll-ständig eben
erst in der bürgerlichen Gesellschaft, wo die Menschen wirklich alle
ihre Lebensmittel erst produ-zieren müssen, ehe sie sie verzehren, weil
die Lebensmittel eben nicht mehr in der Natur einfach vorgefunden
werden, Verzehr und Aneignung nicht mehr unmittelbar zusammenfallen -
weil "das große Magazin der Natur, die Erde" erschöpft wäre?
Nicht so sehr: vielmehr weil das Leben ein solches geworden ist, daß es bestimmter er Mittel bedarf - "viel" Ar-beit, nämlich qualifiziertere, differenzierte, eben hoch-bestimmte -, die eine wertgebende Spezialisierung (=Quali-fikation) der Tätigkeit voraussetzen, d. h. Teilung der Arbeit - und diese macht den Tausch notwendig:
Die Be-stimmung des Menschen als schlechthin Arbeitender, als
allseitiger Produzent, Homo faber ist nicht bloß eine 'Idee' der
bürgerlichen Gesellschaft ..., sondern ihre reale Schöpfung. Erst die bürgerliche, oder, wenn man so will, die industrielle Gesellschaft (was dasselbe ist) setzt die Arbeit als das Wesen des Menschen.
(Nachdem er lange Zeit vor allem - aber dann immer weniger - Homo ludens gewesen ist.)
"Die Setzung des Individuums als eines Arbeiters, in dieser Nacktheit, ist selbst historisches
Product."
Grundrisse, MEGA II/1.2., S. 379
11. 4. 1987, aus meinen Notizen
In der Darstellung der Versachlichung der Produktionsverhältnisse
und ihrer Verselbständigung gegenüber den Produktionsagenten gehn wir
nicht ein auf die Art und Weise, wie
die Zusammenhänge durch den
Weltmarkt, seine Konjunkturen, die Bewegung der Marktpreise, die
Perioden des Kredits, die Cyklen der Industrie und des Handels, die
Abwechslung der Prosperität und Krise, ihnen als übermächtige, sie
willenlos beherrschende Na-turgesetze erscheinen und sich ihnen
gegenüber als
blinde Nothwendigkeit geltend machen. Deßwegen nicht, weil die wirkliche
Bewegung der Konkurrenz außerhalb unsers Plans liegt, und wir
nur die innere Organisation der kapitalistischen Produktionsweise,
sozusagen in ihrem idealen Durchschnitt, darzustellen haben.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 805 [MEW 25, S. 839]
Nota. - Alfred Sohn-Rethel (in Geistige und körperliche Arbeit) hat für den 'Wert' den Begriff Realabstraktion ge- prägt;
das ist gut, weil es paradox klingt. Allerdings nur dann gut, wenn man
sich klarmacht, dass der Begriff für jeden statistischen Durchschnitt
gilt: Er erscheint nirgends, er muss, wenn es überhaupt möglich ist, errechnet werden. Aber er wirkt doch. (Oder besser gesagt: Alles, was wirklich wirkt, 'erscheint' gemeinsam nur als errech- neter Durchschnitt.)
JE, 10 12. 15
Bei den Wilden versteht
es sich von selbst, daß jede Familie ihre eigne Höhle oder Hütte hat,
wie bei den Nomaden das separate Zelt jeder Familie. Diese getrennte
Hauswirtschaft wird durch die weitere Entwicklung des Privateigentums
nur noch nötiger gemacht. Bei den Agrikulturvölkern ist die gemeinsame
Hauswirtschaft ebenso unmöglich wie die gemeinsame Bodenkultur.
Ein großer Fortschritt
war die Erbauung von Städten. In allen bisherigen Perioden war indes die
Aufhebung der getrennten Wirtschaft, die von der Aufhebung des
Privateigentums nicht zu trennen ist, schon deswegen unmöglich, weil die
materiellen Bedingungen dazu nicht vorhanden waren. Die Einrichtung
einer gemeinsamen Hauswirtschaft setzt die Entwicklung der Maschinerie,
der Benutzung der Naturkräfte und vieler andern Produktivkräfte voraus –
z.B. der Wasserleitungen, der Gasbeleuchtung, der Dampfheizung etc.,
Aufhebung [des Gegensatzes] von Stadt und Land.
Ohne diese Bedingungen
würde die gemeinsame Wirtschaft nicht selbst wieder eine neue
Produktionskraft sein, aller materiellen Basis entbehren, auf einer bloß
theoretischen Grundlage beruhen, d.h. eine bloße Marotte sein und es
nur zur Klosterwirtschaft bringen. – Was möglich war, zeigt sich in der
Zusammenrückung zu Städten und in der Erbauung gemeinsamer Häuser zu
einzelnen bestimmten Zwecken (Gefängnisse, Kasernen pp.). Daß die
Aufhebung der getrennten Wirtschaft von der Aufhebung der Familie nicht
zu trennen ist, versteht sich von selbst.
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Die deutsche Ideologie, MEW 3, S. 29, Anm.
Nota. –
Die dynamisierende Rolle der Scheidung des Daseins in einen privaten
und einen öffentlichen Raum war Marx und Engels noch nicht bewusst. Sie
wird sich auf die Dauer als die revolutionärste Errungenschaft der
bürgerlichen Gesellschaft bewähren.
JE
Daraus aber daß das Capital jede solche Grenze als Schranke sezt und /
daher ideell darüber weg ist, folgt keineswegs, daß es sie real überwunden
hat, und da jede solche Schranke seiner Bestimmung widerspricht, bewegt
sich seine Production in Widersprüchen, die beständig überwunden, aber
ebenso beständig gesezt werden. Noch mehr. Die Universalität, nach der es
unaufhaltsam hintreibt, findet Schranken an seiner eignen Natur, die auf
einer gewissen Stufe seiner Entwicklung es selbst als die größte Schranke
dieser Tendenz werden erkennen lassen und daher zu seiner Aufhebung durch es selbst hintreiben.
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Grundrisse, MEGA II/1.2 S. 322f. [MEW 42, S. 323]
Nota I. - 'Erkennen lassen' ist ideell gemeint, 'hintreiben' reell. Das eine ist nicht schon das andere. Damit die Bestimmungen, die im Begriff 'gemeint' sind, in Raum und Zeit Platz greifen, muss ein Subjekt tätig werden; für sich allein ist der Begriff leer und dumm.
Nota II. - Die Kapitalentwicklung "treibt" wirklich - die wirkende Kraft ist die Konkurrenz. Die Konkurrenz ist aber nichts anderes als die Wechselwirkung der konkurrierenden Subjekte des Austauschs. 'Ideell' - nämlich im Smith-Ricardo'schen System der Politischen Ökonomie - geht der Prozess ins Unendliche. Aber reell häuft der Prozess Werte an in Gestalt von Warenbergen, die immer wieder einmal nicht absetzbar sind und den Prozess zum Stocken bringen. Irgendwann platzt der Knoten wieder, wenn der Preisverfall Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht gebracht haben, und weiter geht's.
Doch sind die einzelnen Krisen kleinere Antizipationen der endgültigen Schranke: des Falls der Profitrate. So weit war aber Marx in den Grundrissen noch nicht; wenn die Idee auch schon bei den 'linken Ricardianern' anklang, um dann in Band III des Kapitals von Marx aufgegriffen zu werden. Da war Marx schießlich ideell 'übers Kapital hinweg'.
Mit andern Worten, der "dialektische" Hegeljargon ist auch hier wieder nur Kokettieren, und zwar in dem Sinne, dass Marx, um im Material wie in seinen Gedanken Ordnung zu schaffen, sich der Begriffe bedienen musste, die er mitbrachte. Er hat daraus - und darauf kommt es an - seine eigene Begrifflichkeit entwickelt. Die Grund- risse zeigen uns Marx bei einem work in progress. Zum Verständnis des Kapital sind sie unerlässlich. Aber sie sind eben nicht das letzte Wort.
JE
Die Arbeit als solche,
in ihrer einfachen Bestimmtheit als zweckmäßige
produktive Thätigkeit, bezieht sich auf die Produktionsmittel, nicht in
deren gesellschaftlicher Formbestimmtheit, sondern in ihrer stofflichen
Sub-stanz, als Material und Mittel der Arbeit, die sich ebenfalls nur
stofflich, als Gebrauchswerthe von einander unterscheiden, die Erde als
unproducirtes, die andren als producirte Arbeitsmittel.
Fällt also die Arbeit
mit der Lohnarbeit zusammen, so fällt auch die bestimmte
gesellschaftliche Form, worin die Arbeitsbedingungen nun der Arbeit
gegenüberstehn, zusammen mit ihrem stofflichen Dasein. Die
Arbeits-mittel sind
dann als solche Kapital, und die Erde als solche ist Grundeigenthum. Die
formale Verselbständi-gung dieser Arbeitsbedingungen gegenüber der
Arbeit, die besondre Form dieser Verselbständigung, die sie
gegenüber der Lohnarbeit besitzen, ist dann eine von ihnen als Dingen,
als materiellen Produktionsbedingun-gen untrennbare Eigenschaft, ein
ihnen als Produktionselementen nothwendig zukommender, immanent
eingewachsener Charakter.
Ihr durch eine bestimmte Geschichtsepoche bestimmter socialer Charakter im kapitalistischen Produktionspro-ceß ist
ein ihnen naturgemäß, und sozusagen von Ewigkeit her, als Elementen
des Produktionsprocesses einge-borner dinglicher Charakter.
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Das Kapital III, MEGA II.15; S. 800 [MEW 25, S. 833]
Nota. - Duch seine Verfassung zum Begriff wird der dingliche Schein kanonisiert. Was tatsächlich die Tätigkeit lebender Menschen ist, wird dargestellt als eine selbstständige Wirklichkeit. Ist der Begriff auf der einen Seite die gewaltige Waffe der Kritik, so ist er auf der andern Seite der verbissenste Dogmatiker.
JE