Donnerstag, 22. März 2018
Vermittlung, Für-sich-sein und gegenseitige Anerkennung.
Aber dieß ist nicht alles: Das Individuum A dient dem Bedürfnisse des Individuums B vermittelst der Waare a, nur insofern und weil das Individuum B dem Bedürfniß des Individuums A vermittelst der Waare b dient und vice versa. Jedes dient dem andren um sich selbst zu dienen; jedes bedient sich des andren wechselseitig als seines Mittels.
Es ist nun beides in dem Bewußtsein der beiden Individuen vorhanden: 1) daß jedes nur seinen Zweck erreicht, soweit es dem andren als Mittel dient; 2) daß jedes nur Mittel für das andre (Sein für andres) wird als Selbst-zweck (Sein für sich); 3) daß die Wechselseitigkeit, wonach jedes zugleich Mittel und Zweck, und zwar nur seinen Zweck erreicht, insofern es Mittel wird, und nur Mittel wird, insofern es sich als Selbstzweck sezt, daß jeder sich also als Sein für andres sezt, insofern er Sein für sich, und der andre als Sein für ihn, insofern er Sein für sich – daß diese Wechselseitigkeit ein nothwendiges fact ist, vorausgesezt als natürliche Bedingung des Aus-tauschs, daß sie aber als solche jedem der beiden Subjekte des Austauschs gleichgültig ist, und ihm diese Wech-selseitigkeit nur Interesse hat, so weit sie sein Interesse als das des andren ausschliessend, ohne Beziehung darauf befriedigt.
D. h. das gemeinschaftliche Interesse, was als Motiv des Ge-/sammtakts erscheint, ist zwar als fact von beiden Seiten anerkannt, aber als solches ist es nicht Motiv, sondern geht so zu sagen nur hinter dem Rücken der in sich selbst reflectirten Sonderinteressen, dem Einzelinteresse im Gegensatze zu dem des andren vor. Nach dieser lezten Seite kann das Individuum höchstens noch das tröstliche Bewußtsein haben, daß die Befriedigung seines gegensätzlichen Einzelinteresses grade die Verwirklichung des aufgehobnen Gegensatzes, des gesell-schaftlichen allgemeinen Interesses ist.
Aus dem Akt des Austauschs selbst ist das Individuum, jedes derselben in sich reflectirt als ausschließliches und herrschendes (bestimmendes) Subject desselben. Damit ist also die vollständige Freiheit des Individuums gesezt: Freiwillige Transaction; Gewalt von keiner Seite; Setzen seiner als Mittel, oder als dienend, nur als Mittel um sich als Selbstzweck, als das Herrschende und Uebergreifende zu setzen; endlich das selbstsüchtige Interes-se, kein darüber stehendes verwirklichend; der andre ist auch als ebenso sein selbstsüchtiges Interesse verwirkli-chend anerkannt und gewußt, so daß beide wissen, daß das gemeinschaftliche Interesse eben nur in der Dop-pelseitigkeit, Vielseitigkeit, und Verselbstständigung nach den verschiednen Seiten der Austausch des selbst-süchtigen Interesses ist. Das allgemeine Interesse ist eben die Allgemeinheit der selbstsüchtigen Interessen.
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Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 167f. [MEW 42, S. 169f.]
Nota. - Das bürgerliche Individuum ist a priori als vergesellschaftet gesetzt: So 'findet es sich vor'. Vergesellschaftet aber nicht naturwüchsig durch leibhaftige Angehörigkeit zu einer Lebensgemeinschaft, sondern vorab vermittelt durch eine überpersönliche Instanz, den Markt; außerdem können die Andern ihm fremd bleiben. Als Markt-teilnehmer ist er eine öffentliche Person, ansonsten wird er privat, was er in den naturwüchsigen Gemeinschaf-ten niemals konnte.
Nota II. - Wenn Sie übrigens meinen, Vermittlung, Fürsichsein und Anerkennung seien Hegel'sche Schlüssel-wörter, liegen sie nur halb richtig. Zuvor waren sie nämlich Fichte'sche Schlüsselwörter, bei dem hat sie der andere geklaut.
JE
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