Montag, 9. Juli 2018

Die dialektische Form der Darstellung ist nur richtig, wenn sie ihre Grenzen kennt.

 
/945/ Die Bedingung der Verwandlung von Geld in Kapital ist, daß der Eigner des Geldes Geld gegen das fremde Arbeitsvermögen als Ware umtauschen kann. Also daß innerhalb der Zirkulation das Arbeitsvermögen als Ware feilgeboten wird, denn innerhalb der einfachen Zirkulation stehn sich die Austauschenden nur als Käufer und Verkäufer gegenüber. 

Die Bedingung ist also, daß der Arbeiter sein Arbeitsvermögen als zu vernutzende Ware feilbietet: also der freie Arbeiter. Die Bedingung ist, daß der Arbeiter erstens als freier Eigentümer über sein Arbeitsvermögen dispo- niert, sich zu ihm als Ware verhält; dazu muß er freier Eigentümer desselben sein. Zweitens aber, daß er seine Arbeit nicht mehr in der Form einer andren Ware, vergegenständlichter Arbeit auszutauschen hat, sondern die einzige Ware, die er anzubieten hat, zu verkaufen hat, eben sein lebendiges, in seiner lebendigen Leiblichkeit vorhandnes Arbeitsvermögen ist, die Bedingungen der Vergegenständlichung seiner Arbeit, die gegenständli- chen Bedingungen seiner Arbeit also als fremdes Eigentum, in der Zirkulation auf der andren Seite, jenseits seiner selbst befindliche Waren existieren. 

Daß der Geldbesitzer – oder das Geld, denn einstweilen ist der erstere uns in dem ökonomischen Prozeß selbst nur die Personifikation des letztren – das Arbeitsvermögen auf dem Markt, in den Grenzen der Zirkulation als Ware vorfindet, diese Voraussetzung, von der wir hier ausgehn, und von der die bürgerliche Gesellschaft in ihrem Produktionsprozeß ausgeht, ist offenbar das Resultat einer langen historischen Entwicklung, das Resumé vieler ökonomischen Umwälzungen, und setzt den Untergang andrer Produktionsweisen (gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse) und bestimmter Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit vor- aus. 

Der bestimmte vergangne historische Prozeß, der in dieser Voraussetzung gegeben ist, wird sich noch be- stimmter formulieren bei weitrer Betrachtung des Verhältnisses. Diese historische Entwicklungsstufe aber der ökonomischen Produktion – deren Produkt selbst schon – ist aber Voraussetzung für das Werden und noch mehr das Dasein des Kapitals als solchen. Seine Existenz ist das Resultat eines langwierigen historischen Pro- zesses in der ökonomischen Gestaltung der Gesellschaft. 

Es zeigt sich an diesem Punkt bestimmt, wie die dialektische Form der Darstellung nur richtig ist, wenn sie ihre Grenzen kennt. Aus der Betrachtung der einfachen Zirkulation ergibt sich uns der allgemeine Begriff des Kapi- tals, weil innerhalb der bürgerlichen Produktionsweise die einfache Zirkulation selbst nur als Voraussetzung des Kapitals und es voraussetzend existiert. Das Ergeben derselben macht das Kapital nicht zur Inkarnation einer ewigen Idee; sondern zeigt es, wie es in /946/ der Wirklichkeit erst, nur als notwendige Form, in die Tauschwert- setzende Arbeit, auf dem Tauschwert beruhnde Produktion münden muß.
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aus: Fragment des Urtextes von „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, in Grundrisse..., Berlin 1953, S. 545f
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Nota. - Und welche sind ihre Grenzen? Sie kann den unter unsern Augen vorangehenden Prozess in ihren Begriffen beschreiben; als G-W-G'. Aber das erklärt gar nichts. Wie kommt ' zustande? Man muss das in noch keinen Begriff gefasste Faktum erklären, dass das Arbeitsvermögen als Ware kein Produkt, sondern nur sich selbst feilhalten kann. Die Begriffe mögen ineinander umschlagen, so oft sie wollen - die sogennannte ur- sprüngliche Akumulation wird man nie aus ihnen herauslesen können. 
JE

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