Mittwoch, 9. November 2016

Der Standpunkt.


... Zunächst fasse ich die herkömmliche Unterteilung des Marxschen Gesamtwerks in ‘Frühschriften’ und  ’Spätwerk’ als eine Scheidung in einen ‘kritischen’ und einen ’vorkritischen’ Teil auf.

Im  e r s t e n  Teil geht es um die Gewinnung des (‘metaphysischen’)  S t a n d p u n k t s,  der der reellen Wissenschaft zugrunde zu legen sei; es wird sich finden, daß dieser ‘Standpunkt’ — vulgo ”materialistische Geschichtsauffassung” — der des ‘sich selbst setzenden Subjekts‘ ist; eine aktualistische Fundamentalontologie als transzendentale Voraussetzung  positiver (historischer) Wissenschaft.

Im  z w e i t e n  Teil — der gesamten ‘Kritik der politischen Ökonomie’ — geht es,  a l s  Kritik, um die Durchführung der (onto)logischen Voraussetzung — nach der die (ökonomischen) Kategorien nichts seien als Handlungsweisen des Subjekts — am empirischen Material. Diese Durchführung ist 1) Kritik einer vorliegenden historischen Wissenschaft, der klassischen Nationalökonomie;  2) positive Darstellung des empirischen Stoffs selbst: des Gesamtprozesses der kapitalistischen Form der gesellschaftlichen Reproduktion nach dem Prinzip des vorangestellten ’Standpunkts‘;  3) durch die Darstellung des Stoffs,  Darstellung des ‘Standpunkts’ selbst: Reflexion über den ‘Standpunkt’ als Reflexion auf das tatsächlich angewendete/anzuwendende Verfahren, und insofern auf dessen Voraussetzungen: genauere Bestimmung derselben — des sich selbst setzenden Subjekts — nicht als “seiend“, sondern als  g e l t e n d .

I. ‘Stellungnahme‘: der transzendentale Standpunkt

Der Inhalt des ‘Frühwerks’ ist also die Überwindung der Hegelschen “absoluten Methode”, aber nicht nach deren  F o r m - Seite hin — Logik der ‘Selbstbewegung ‘ des Begriffs‘ — , sondern nach deren       I n h a l t:  Bestimmung des ‘Absoluten’ als  I d e e .

Zunächst (in der Doktor-Diss.) nimmt M. ohne weiteres den Standpunkt der Junghegelianer ein; eine pseudo- fichtisierende Hegel-Auffassung,  die in Wahrheit eine Umdeutung Hegels auf den Standpunkt des jungen  S c h e l l i n g  ist: Nicht   d i e  Su b s t a n z   wird ‘als Subjekt gesetzt‘, sondern   d a s    S u b j e k t   wird ‘als Substanz’  gefaßt (was immer auch dabei zu denken sei..)

Im Ms. Kritik des hegelschen Staatsrechts stößt M. dann allerdings schon auf Hegels Methode   a l s     s o l c h e : die Ahnung, daß die affirmative, anti-kritische Tendenz von Hegels politischer Philosophie vorgegeben sei in dem affirmativen Prinzip der “Logik” — bzw. daß der affirmativen Methode die restaurative politische Tendenz zugrunde liegt; aber er verfolgt diesen Faden zunächst nicht weiter.

S o n d e r n :

Unterm Einfluß von  F e u e r b a c h  (und von Moses H e s s)  Hinwendung zum “wahren Sozialismus“; Bestimmung des substanten Subjekts als “Gattungswesen” und Fassung der bürgerlichen Gesellschaft unter die Alles bestimmende Kategorie “Entfremdung”: Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung und die Pariser Manuskripte… ‘Dialektik‘ kommt in diesen beiden Texten lediglich als rhetorische Figur vor, es werden keineswegs ‘Begriffe’  ”durch einander bestimmt”, sondern: “ein Wort gibt das andre…” Die hegelsche Triade tritt nur auf als geschichtsmetaphysische Schablone: die “Entfremdung” (Antithesis) des bürgerlichen Menschen von seinem “Gattungswesen” (Thesis) — ‘Entfremdung’ heißt hier:  K o n k u r r e n z  —  m u ß  “umschlagen” in den Kommunismus: Versöhnung,  Heimkehr, Synthesis…  —  die alte Geschichte von Sündenfall und Erlösung.

In der Heiligen Familie schließlich — immernoch auf dem Standpunkt von Feuerbachs “Gattungswesen” — Bruch mit den “Ideologen”(die durch das Verknüpfen bloßer Begriffe zu faktischen Einsichten kommen wollen) und resolute Wendung zu Empirie umd Nominalimus (=”Materialismus”).

Schließlich – in der Auseinandersetzung mit  S t i r n e r s  ”Einzigem” – nach dem praktischen Anschluß an die revolutionäre Arbeiterbewegung und (darum) erneutem Studium der klassischen Nationalökonomie — wird in den Feuerbachthesen und der Deutschen Ideologie das ‘Gattungswesen’ als bloß säkularisierte Version des lieben Gotteas abgeschafft; an die Stelle des s u b s t a n t e n Subjekts tritt ein… nun ja, ein transzendentales: ein aus dem Begründeten als dessen Grund logisch erschlossenes, das sich — in einer selber nicht abzuleitenden ‘Tathandlung’ (bei Marx “generatio aequivoca”) ‘als‘ Subjekt ‚gesetzt‘ haben ‘m u ß’: der “ersten geschichtlichen Tat”…

Mit der Ersetzung des ‘ideologischen’ Standpunkts durch den transzendentalen wird nun aber die “absolute Methode” auch ihrer Form nach unhaltbar (vgl. Elend der Philosophie). Entsprechend verzichtet schließlich das Kommunistische Manifest konsequent auf alle begrifflichen Verallgemeinerung und begnügt sich damit, ‘Tatsachen’ aussprechen zu wollen (z.B. daß “die herrschenden Gedenken stets die Gedanken der herrschenden Klasse” gewesen seien, wird nicht als materialistisches ‘Gesetz’ formuliert, sondern als empirische Feststellung).

— Die nunmehr, nach der Bestimmung des kritischen ‘Standpunkts’,  möglich gewordene umfassende, d.h. systematisch  v o n   e i n e m  P r i n z i p   a u s-gehende Kritik der politischen Ökonomie erfordert nicht allein eine erneute Sichtung des gesamten  wissenschaftlichen Schrifttums, sondern ermöglicht (erstmals!) auch die Sammlung und Ordnung des gegebenen ökonomischen Materials: der “realen Bewegung” der kapitalistischen Produktion. ...


Nota. - Der 'Standpunkt', von dem aus Marx die Geschichte betrachtet hat, war hiermit philologisch gesichert. Ob er ihn auch durchführen konnte - und durchgeführt hat -, war die anschließende und wissenschaftlich erheb- liche Frage.

Ich musste mich also der Kritik der Politischen Ökonomie im besondern zuwenden.
JE



 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen